Von Silke Leuckfeld

Die rund 14.000 Journalist/innen, sowohl die angestellten Redakteur/innen als auch die Freien, die für tarifgebundene Tageszeitungen arbeiten, sollen fünf Prozent mehr Gehalt bekommen, mindestens aber 200 Euro mehr. Das fordert die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di. Doch dieser Forderung hat sich die Arbeitgeber-Seite in der ersten Verhandlungsrunde am 10. Februar verweigert. Und ein eigenes Angebot wurde auch nicht vorgelegt.

Mit Enttäuschung hat die dju-Verhandlungskommission darauf reagiert, schließlich war die Forderung der Gewerkschaft schon seit zwei Monaten bekannt, Gehalts- und der Honorartarifvertrag waren zum Ende des vergangenen Jahres fristgerecht gekündigt worden. "Es ist enttäuschend, dass der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger anhand dieser Fakten kein Angebot beziffern kann", sagte der stellvertretende ver.di-Vorsitzende und Verhandlungsführer Frank Werneke. "Das zieht die Tarifauseinandersetzungen nur in die Länge. Die Kolleginnen und Kollegen brauchen wieder den Anschluss an die allgemeine Tarifentwicklung."

Bittere Rechnung

Just zu Beginn der Tarifrunde hatte das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung die Analyse zu denTarifabschlüssen der vergangenen Jahre veröffentlicht. Das Ergebnis: Die Tariferhöhungen für die Journalist/innen lagen erheblich unterhalb den relativ niedrigen Preissteigerungen. So sind die Preise vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2015 statistisch um 24,7 Prozent gestiegen, die Einkommen der Journalist/innen aber im Vergleich dazu nur um 19,3 Prozent. Ganz bitter ist der Blick auf den sogenannten "gesamtwirtschaftlichen Verteilungsspielraum von Preis- und Produktivitätsentwicklung": Der lag bei 40,3 Prozent. Damit wird errechnet, wie viel Geld theoretisch hätte verteilt werden können, weil nicht nur das Preisniveau gestiegen, sondern auch die Produktivität gewachsen ist, zum Beispiel durch den Einsatz neuer Technik.

Das gilt natürlich auch für die Redaktionen. Während Journalist/innen früher recherchierten und Artikel schrieben, sollen sie jetzt zusätzlich fotografieren, Zeitungsseiten gestalten, bei Terminen nebenbei schnell ein Video drehen, das zudem selbst schneiden, Texte sowohl für die Zeitung als auch für die Internetseite schreiben und bearbeiten und zu guter Letzt noch für die Zeitungen in sozialen Netzwerken präsent sein. Zeitgleich wurden in den Redaktionen in größerem Umfang Stellen gestrichen und Honorare für die Freien gekürzt. Es sei keine Wertschätzung für die Leistung der Kolleginnen und Kollegen, sagt Ulrich Janßen, der dju-Bundesvorsitzende, wenn mit wachsenden Anforderungen rückläufige Realeinkommen einhergingen. "Das muss umgekehrt werden!"

Kein Anreiz für den Nachwuchs

Neben den niedrigen Tarifabschlüssen in den vergangenen Jahren haben die Verleger massiv auch den Manteltarifvertrag angegriffen. In der Tarifrunde 2014 konnte er von den Gewerkschaften nur mit Streiks - und mit Abstrichen - gerettet werden. Damals wurde der Manteltarifvertrag bis Ende 2018 mit einer stufenweisen Absenkung des Weihnachtsgeldes von 95 auf 82,5 Prozent, des Urlaubsgeldes von 80 auf 67,5 Prozent eines Monatsentgelts und weniger Urlaubstagen für Neueingestellte abgeschlossen. Dass solche Arbeits- und Einkommensbedingungen keinen Anreiz mehr für den Nachwuchs bieten, wird in den Verlagen immer deutlicher. "Früher gingen Waschkörbe voller Bewerbungen auf Volontärsstellen bei uns ein. Das ist lange vorbei", sagt Renate Gensch, Betriebsratsvorsitzende des Berliner Verlags und Mitglied der dju-Verhandlungskommission.

Was vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen war, ist inzwischen Realität: Die Verlage werben um redaktionellen Nachwuchs. So suchte der Tagesspiegel über die eigene Internetseite nach Volontär/innen - früher waren Bewerbungen auch dort ein Selbstläufer.

Mit niedrigen Tarifabschlüssen und schlechten Arbeitsbedingungen wälzen die Verleger ihr eigenes Versagen auf die Beschäftigten ab. Zu spät haben sie auf den Medienwandel im Netz reagiert, jahrelang die journalistischen Zeitungsinhalte auf ihren Internetseiten verschenkt und keine attraktiven Angebote für die Leser/innen entwickelt. Stellen wurden abgebaut, während die Aufgaben beständig wuchsen.

"Die Verleger reden gern von Qualitätsjournalismus, aber für eine intensive Recherche fehlt oft einfach die Zeit", sagt Renate Angstmann-Koch, Redakteurin beim Schwäbischen Tagblatt und Mitglied der dju-Verhandlungskommission. Die Folge: Die Qualität wurde vielfach schlechter, die Auflagen der Tagezeitungen sind eingebrochen. Für die Verleger ist das eine ganz neue Erfahrung. Jahrzehntelang war eine Tagezeitung quasi die Lizenz zum Gelddrucken. In der Branche wird das so umschrieben: "Früher fuhren sie das Geld mit Lastwagen vom Hof, heute reicht die Schubkarre." Doch die ist immer noch gut gefüllt, wie das WSI nachgewiesen hat.

Die Tarifverhandlungen werden am 10. März (nach Redaktionsschluss) in Frankfurt am Main fortgesetzt.