Ausgabe 04/2016
Zeitung und Stellen einfach weg
Bernd Kleinschmidt
Die Einstellung der Zeitung Sonntag Aktuell trifft viele Kolleginnen und Kollegen in den Zustellgesellschaften im Konzerngeflecht von BW-Post und Südwestdeutscher Medienholding hart. Bei der PS-Pressevertrieb-Service-GmbH für Stuttgart-Mitte und Süd ("PS12") ist fast die Hälfte der Mitarbeiter betroffen. Jeder Achte hat sogar seinen Arbeitsplatz verloren. Dennoch wurden zuvor kein Interessenausgleich und Sozialplan mit dem Betriebsrat abgeschlossen
Die PS12 sorgt schon seit einiger Zeit für negative Schlagzeilen. Wie auch einige andere Zustellgesellschaften rund um die BW-Post ist die GmbH schon länger dafür bekannnnt, nicht gerade zimperlich mit Arbeitnehmerrechten umzugehen. Immer wieder müssen Mitarbeiter zum Beispiel ihren Lohn geltend machen oder einklagen. Im letzten Jahr versuchte die Geschäftsführung sogar, den Betriebsratsvorsitzenden vor die Tür zu setzen - was allerdings zum peinlichen Bumerang wurde.
Auch im aktuellen Fall gibt die Gesellschaft kein besseres Bild ab. Normalerweise werden vor Kündigungswellen Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich und Sozialplan geführt. Ziel ist es dabei, die Einschnitte für die Beschäftigten so weit wie möglich abzumildern. In diesen Verhandlungen werden beispielsweise die Abfindungen für die Belegschaft ausgehandelt. Doch statt - wie üblich und angemessen - die Verhandlungen mit dem Betriebsrat erst abzuschließen, zog es die Geschäftsführung vor, mit einem Taschenspielertrick sogar hier noch zu Lasten der gekündigten Mitarbeiter Geld zu sparen.
Der Spatz in der Hand
Einigen von ihnen wurden sogenannte Angebote unterbreitet. Gegen Zahlung eines Betrags sollten sie auf eine Kündigungsschutzklage und weitere Rechte verzichten. "Der Spatz in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach", dürften sich da einige Betroffene gedacht haben - besonders wenn sie sowieso keine Klage im Sinn hatten.
Der Betriebsrat wurde bei diesen Angeboten nicht beteiligt. Kein Wunder - er hätte die Betroffenen dann vor den Folgen ihrer Unterschrift warnen können. Was vielen nämlich nicht klar gewesen sein dürfte: Eine kleine Klausel lässt die Betroffenen auf sogenannte Nachteilsausgleiche verzichten. Für Laien im Arbeitsrecht kaum zu durchschauen, bedeutet das nichts anderes als den faktischen Verzicht auf einen möglichen weiteren finanziellen Ausgleich wegen Verlusts des Arbeitsplatzes, weil der Arbeitgeber den Betriebsrat umgangen hat. Der Rechtsweg ist mit der Unterschrift ausgeschlossen.
Die Höhe der Abfindungen, die bei betriebsbedingten Kündigungen gezahlt werden, handelt der Betriebsrat im Sozialplan aus. Die Abfindungen stehen dann allen gekündigten Arbeitnehmern, abhängig von ihrer Beschäftigungsdauer zu - egal, ob sie gegen die Kündigung geklagt haben oder nicht. Darüber muss die Einigungsstelle entscheiden.
"Man kann einem Unternehmen, das sich gerne im Mindestlohnbereich aufhält und jede Gelegenheit nutzt, gegen die Interessenvertretung der Arbeitnehmer vorzugehen, schon so einiges zutrauen. Aber langjährige Mitarbeiter zu entlassen, ohne die Verhandlungen mit dem Betriebsrat zuvor ordnungsgemäß abzuschließen und die betroffenen Kolleginnen und Kollegen auch noch um den gerechten Nachteilsausgleich zu bringen, das hat mit Respekt und Wertschätzung nun wirklich nichts mehr zu tun", sagt der Betriebsratsvorsitzende Bernd Kleinschmidt.