Manch bittere Pille mussten die Versicherten schlucken

Von Heike Langenberg

Bei 7,3 Prozent monatlich liegt der Beitrag für die gesetzliche Krankenversicherung - für die Arbeitgeber zumindest. Denn von der paritätischen Finanzierung, nach der Arbeitnehmer und Arbeitgeber einen gleich hohen Beitrag zahlen, hat sich die schwarz-rote Bundesregierung Anfang 2015 verabschiedet. Der Arbeitgeberanteil wurde eingefroren, zukünftige Beitragssteigerungen sollen die Arbeitnehmer/innen allein tragen. Und das tun sie, denn fast alle Krankenkassen in Deutschland erheben Zusatzbeiträge. Durchschnittlich lagen sie 2015 bei 0,83 Prozent, die Tendenz ist jedoch steigend.

Der Gesundheitsexperte Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen geht davon aus, dass sich die Zusatzbeiträge bis 2020 mehr als verdoppeln werden. Gibt es heute schon ein Defizit von 14,4 Milliarden Euro, werden es 2020 schon 36,7 Milliarden Euro sein. Das bedeutet für die gesetzlich Krankenversicherten mit einem Durchschnittsverdienst Belastungen von mehr als 50 Euro pro Monat zusätzlich.

Verzicht auf Feiertag

Doch nicht nur der Zusatzbeitrag führt dazu, dass die Arbeitnehmer/innen höhere Belastungen für Gesundheit und Pflege haben als die Arbeitgeber. Die Abteilung Sozialpolitik des DGB-Bundesvorstands hat kürzlich eine Studie vorgelegt, in der sie diesem Punkt nachgegangen ist. Schon bei der Pflegeversicherung haben die Beschäftigten auf einen Feiertag verzichtet beziehungweise zahlen in Sachsen einen höheren Beitrag. Auch Kinderlose werden mit einem Zuschlag von 0,25 Prozent zur Kasse gebeten.

Einbezogen hat der DGB bei seiner Studie auch die Kosten ausgelagerter Leistungen, die ursprünglich in der gesetzlichen Krankenversicherung integriert waren. Dazu zählen Zahnersatz und Pflegeversicherung ebenso wie Dienstleistungen, Arzneimittel sowie Heil- und Hilfsleistungen, die zunehmend durch die abhängig Beschäftigten privat getragen werden müssen. "Inzwischen werden Brillen, Medikamente gegen Erkältungen etc. privat finanziert, zum Zahnersatz wird zugezahlt. Diese Lastenverteilung ist sozial ungerecht", sagt Grit Genster, Bereichsleiterin Gesundheitspolitik beim ver.di-Bundesvorstand.

Gesundheitsausgaben in Milliarden Euro

Auf der Arbeitgeberseite werden die Ausgaben der Arbeitgeber unter anderem für die Gesundheitsvorsorge mitgerechnet. Insgesamt waren das 2014 für die Arbeitgeber 1,39 Milliarden Euro mehr, denen aber 43,19 Milliarden Euro bei den Arbeitnehmer/innen gegenüberstehen. Prozentual aufgeteilt übernehmen die Arbeitgeber damit 35 Prozent, die Beschäftigten 65 Prozent der Kosten.

Die Arbeitgeber kommen dennoch zu dem Schluss, dass ihre Belastung höher ist, rechnen sie doch die Kosten für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ein. Hier verweist der DGB darauf, dass es sich um eine tarifpolitische Leistung handelt, die die Gewerkschaften Mitte der 1950er Jahr erstreikt haben. 1994 wurden sie in das Entgeltfortzahlungsgesetz übertragen. Die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung, die die Arbeitgeber tragen, betrachtet der DGB zudem als Ablösung der persönlichen Haftung durch eine kollektive Versicherung.

Auch das Internet-Portal Spiegel online kommt nach Berücksichtigung verschiedener Faktoren zu dem Schluss, dass die Belastung der Arbeitnehmer/innen höher ist. Sie berechnet für sie Ausgaben für die Gesundheit in Höhe von 124,9 Milliarden Euro, denen stehen auf der Arbeitgeberseite für das Jahr 2014 insgesamt 115,6 Milliarden Euro gegenüber.

"Die Abschaffung der Parität hat fatale Folgen für das Solidarsystem unseres Sozialstaates: Die Versicherten tragen sämtliche Kostensteigerungen in der Gesundheitsversorgung allein. Dabei profitieren alle vom medizinischen Fortschritt", sagt Genster. Die Argumentation der Arbeitgeber, die Lohnnebenkosten in Deutschland seien so hoch, zählt für sie angesichts der seit Jahren gesteigerten Exportüberschüsse nicht. Sie verweist auf Belgien und Frankreich, wo die Arbeitgeber zwei Drittel der Beiträge zur Krankenversicherung tragen.

Für die soziale Absicherung

Mit Blick auf die Bundestagswahl im Herbst kommenden Jahres will ver.di auch die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung zum Thema machen. "Neben einer armutsfesten Rente ist eine solidarische Krankenkassenfinanzierung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unabdingbar für ihre soziale Absicherung. Fifty-fifty - das ist gerecht", sagte der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske. Erst kürzlich hatte sich auch der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel dafür ausgesprochen, die Arbeitgeber wieder voll in die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung einzubeziehen.

Die DGB-Studie kann unter www.dgb.de/-/gvQ kostenlos heruntergeladen werden.