Ein Herz für Erben

Von Heike Langenberg

Am 8. September wurde im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat zum ersten Mal über die Reform der Erbschafssteuer beraten. Einig wurden sich die beiden Seiten nicht, die CSU lehnt Änderungen des vom Bundestag verabschiedeten Gesetzes grundsätzlich ab. SPD, Grüne und Linke wollen hingegen, dass die Verschonungsregelungen für vererbtes oder verändertes Betriebsvermögen verändert werden. Die von ihnen regierten Bundesländer hatten im Bundesrat für die Ablehnung des Gesetzes gesorgt.

Jetzt lotet eine Arbeitsgruppe Kompromisslinien aus, am 21. September, nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe der ver.di publik, soll weiter verhandelt werden. Dabei stehen die Politiker unter zeitlichem Druck. Nötig geworden war die Reform, weil das Bundesverfassungsgericht die bisherigen Regelungen gekippt hatte, insbesondere die Verschonungsregeln für Firmenerben seien verfassungswidrig. Und das nicht zum ersten Mal. Das Gericht hatte Ende 2014 eine Frist für die Reform bis zum Sommer 2016 gesetzt. Sollten sich Bundesrat und Bundestag jetzt nicht einigen, wollen sich die Verfassungsrichter/innen Ende September erneut mit der Thematik auseinandersetzen.

ver.di hat den vorliegenden Gesetzentwurf als "schwarz-rotes Steuergeschenk" bezeichnet. Er sei "eine Kapitulationserklärung vor der Macht und dem Einfluss reicher Firmenerben. [...] Wer der Konzentration privaten Reichtums derart tatenlos zusieht, kann sich die Sonntagsreden über Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit künftig sparen", heißt es in der September-Ausgabe 9/2016 des ver.di-Informationsdienstes Wirtschaftspolitik aktuell.

Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung hat jüngst ein Gutachten vorgelegt, nach dem der Regierungsentwurf für die Erbschaftssteuerreform genauso verfassungswidrig ist wie das vom Gericht gekippte Gesetz. Die Berliner Wirtschaftswissenschaftler Achim Truger und Birger Scholz stellen in dem Gutachten fest, dass zahlreiche Regelungen den Vorgaben aus Karlsruhe nicht entsprechen. Daher gehen sie davon aus, dass ein entsprechendes neues Gesetz abermals vom höchsten deutschen Gericht bemängelt werden könnte.

Der Entwurf enthält nach Ansicht von Truger und Scholz eine Reihe von Regelungen, die vererbtes Betriebsvermögen weiterhin gegenüber Privatvermögen bevorzugen. Dazu zählt die Lohnsummenregelung. Bisher konnten Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten steuerfrei vererbt werden, wenn mindestens sieben Jahre lang die gleiche Lohnsumme geleistet wurde wie vor dem Erbfall. Damit blieben 90 Prozent aller Unternehmen von der Versteuerung verschont, weil sie weniger Mitarbeiter/innen hatten. Der neue Entwurf sieht zwar geringere Lohnsummenregelungen auch für Betriebe mit mehr als fünf Beschäftigten vor - aber er verschont immer noch 70 Prozent aller Personen- und Kapitalgesellschaften vor Steuerzahlungen im Erbfall.

Ziel verfehlt?

Anhand von verschiedenen Beispielen rechnen die beiden Experten vor, wie sich die neue Regelung im Vergleich zu der alten auswirken würde. Sie kommen dabei zu dem Ergebnis, dass sich Erben von Betriebsvermögen oft noch besser stehen würden als vorher. Zudem hatten die Richter/innen vom Bundesverfassungsgericht schon dabei die Besserstellung von Firmenerben kritisiert. "Ziel war es offenkundig, den durch die Umsetzung der höchstrichterlichen Vorgaben unvermeidlichen Belastungsanstieg zu kompensieren", schreiben Truger und Scholz. Damit dürfte die Erbschaftsteuerreform auch wenig dazu beitragen, die größer gewordene soziale Ungleichheit in Deutschland wieder zu reduzieren.