Bauern und Imker demonstrierten am 18. Januar, drei Tage vor der Großdemonstration "Wir haben es satt!" (Kasten), am Sitz der Bayer AG in Berlin gegen die Megafusion von Bayer mit dem Monsanto-Konzern. Nach der Elefantenhochzeit würde der Konzern über 30 Prozent der Marktanteile des weltweiten Saatgut- und Agrochemiemarktes verfügen

Wer möchte schon wissentlich zu Tierquälerei, übermäßigem Chemikalieneinsatz, Vergiftung von Böden und Grundwasser beitragen? Doch mit dem regelmäßigen Konsum von Fleisch, Wurst und Fertignahrung trägt die Mehrheit der Deutschen auch gegen ihren Willen zu den Folgen von Massentierhaltung und Monokulturen bei. Während manche Großstadtbewohner den Eindruck haben, es gehe doch voran mit der bewussten Ernährung, den Angeboten für Vegetarier/innen und Informationen über biologisch erzeugte Lebensmittel, ergab eine aktuelle repräsentative Umfrage ein anderes Bild: Laut Ernährungsreport 2016 wünscht sich zwar die Mehrzahl der von Forsa im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft Befragten die artgerechte Nutztierhaltung. Mehr bezahlen für Braten und Salami wollen sie aber nicht. Der Anfang Januar von Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) präsentierte Report zeigte zudem, dass sich nur rund drei Prozent der Bundesbürger/innen vegetarisch ernähren; nahezu die Hälfte der Befragten bekannte sich zum täglichen Genuss von Fleisch und Wurst.

Doch der Konsum großer Mengen zu niedrigen Preisen zieht Missstände nach sich - bei der Herstellung von Lebensmitteln ebenso wie bei der Textil- oder Möbelproduktion. In der Landwirtschaft führen industrielle Bedingungen unmittelbar zur Gefährdung von Gesundheit, Tierwohl und Umwelt. Nicht nur die Massentierhaltung ist problematisch, sondern auch ihre Folgen in Gestalt von Überdüngung durch übermäßige Gülleproduktion oder von verstärktem Pestizideinsatz auf ausgedehnten Monokulturen sind es.

Umso eindrucksvoller, dass manche Initiative mit langem Atem zum Erfolg kommt. Dem Aktionsbündnis "Agrarwende Berlin-Brandenburg" gelang nach einer zweijährigen Kampagne ein Durchbruchbei der Eindämmung der Massentierhaltung: Mitte April 2016 übernahm die brandenburgische Landesregierung das Volksbegehren gegen Massentierhaltung, zwar um eine Forderung abgespeckt, aber doch so substantiell, dass das von 50 Organisationen getragene Aktionsbündnis "Agrarwende" hoch zufrieden ist. "Wir haben dank der Unterstützung von knapp 104.000 Brandenburgern einen Paradigmenwechsel in der Brandenburger Agrarpolitik erreicht", sagte Michael Wimmer von der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg und Sprecher des Bündnisses Anfang Januar anlässlich der Ein-Jahres-Bilanz nach dem erfolgreichen Volksbegehren.

Tierschutzplan beschlossen

Die von der Landesregierung beschlossene Aufstellung eines Tierschutzplans wurde im Dezember 2016 zunächst mit Vertreter/innen des Aktionsbündnisses, von Behörden und Verbänden besprochen. Jens-Uwe Schade, Sprecher des Landwirtschaftsministeriums, betonte, dass der Tierschutzplan nun von allen Beteiligten - auch den anfänglichen Skeptikern Landesbauernverband und Bauernbund - gewollt werde. Mit Hilfe des Tierschutzplans sollen die Haltungsbedingungen in der Landwirtschaft Stück für Stück verbessert werden. In Niedersachsen, so heißt es in einer Mitteilung des Agrarbündnisses, seien dank eines Tierschutzplans "wesentliche Tierschutzprobleme angegangen und gelöst" worden.

Außerdem übernahm die brandenburgische Landesregierung aus dem Volksbegehren die Forderung, einen hauptamtlichen und unabhängigen Landestierschutzbeauftragten einzusetzen, wie es ihn bisher nur in Hessen und Baden-Württemberg gibt. Große Schweinemastställe müssen nach einer Übergangsfrist mit Filteranlagen ausgerüstet werden. Und durch eine veränderte Förderpolitik sollen die Anreize für große Mastanlagen verringert werden. Außerdem wird sich die Landesregierung auf der Bundesebene für die Novellierung der Düngeverordnung sowie des Immissionsschutzrechtes einsetzen. Nicht durchsetzen konnte das Agrarbündnis die Forderung aus dem Volksbegehren nach einem Tierschutzverbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzverbände. "Wir machen uns aber weiterhin dafür stark", heißt es in der Erklärung.

Flächen gekauft und für den Bioanbau gesichert

Während das Agrarbündnis mit dem Volksbegehren ein grundlegendes Umsteuern in der Landwirtschaft erreichen möchte, setzen andere Initiativen auf die Ausweitung des Ökolandbaus durch den Ankauf von Landwirtschaftsflächen. Die im April 2015 gegründete BioBoden-Genossenschaft etwa hat bis zum Stichtag 30. November 2016 mit mehr als 2.500 Mitgliedern und über 13 Millionen Euro Genossenschaftskapital gut 2.000 Hektar Anbaufläche in verschiedenen Bundesländern erworben, die von 25 Biobetrieben bewirtschaftet werden.

"Wir kaufen die Flächen im Auftrag unserer Mitglieder und vergeben sie zu bezahlbaren Pachtgebühren an Landwirte, die sich langfristig zur Bewirtschaftung nach den Grundsätzen anerkannter Öko-Anbauverbände verpflichten", erklärt Uwe Greff vom Vorstand der Bio-Boden das Grundprinzip der Genossenschaft. Zudem werden aufgegebene Höfe, für die es keine Nachfolge gebe, und junge engagierte Landwirte/innen ohne eigenen Hof zusammengebracht.

Himmel und Erde gerettet

Manchmal rettet die Genossenschaft auch die Existenz eines bestehenden Betriebes, etwa die des Gärtnerhofs Himmel und Erde bei Wismar. "Ohne BioBoden hätten wir unsere Ackerfläche verloren", berichten die Betreiber Clivia von Saalfeld und Henry Feddersen im aktuellen Bodenbrief, dem Newsletter der Genossenschaft. Damit hätte ein klassischer Ökobetrieb mit Gemüseproduktion, Mutterkühen und kleiner Ziegenherde aufgeben müssen. Denn Ackerboden und Weiden werden immer teurer. Im Durchschnitt stieg der Kaufpreis zwischen 2007 und 2015 nach Angaben des Informationsportals www.oekolandbau.de um 113 Prozent. Die einseitige Förderung der Biogaserzeugung habe die Bodenpreise ebenso steigen lassen wie die Niedrigzinspolitik, die zunehmend Investoren außerhalb der Landwirtschaft zum Erwerb von Acker- oder Weideflächen motivierten.

Gut 2.000 Hektar für den Ökolandbau gerettete Landwirtschaftsfläche sind angesichts von mehr als 16 Millionen Hektar Landwirtschaftsfläche in der Bundesrepublik kaum mehr als ein Klacks. Doch die Dynamik bei Mitglieder-, Kapital- und Flächenentwicklung innerhalb der BioBoden-Genossenschaft wirkt ermutigend.

Zudem gibt es weitere Initiativen mit ähnlicher Ausrichtung wie Kulturland, ebenfalls eine Genossenschaft, die mit dem eingebrachten Geld ihrer Mitglieder Ackerflächen für Biobauern sichert. Anders als BioBoden setzt Kulturland aber stärker auf regionale Vernetzung.

In mehreren Regionen ist die Regionalwert AG aktiv. "Die Aktiengesellschaft kauft nicht nur Flächen und Höfe und verpachtet diese, sie fördert auch zahlreiche andere Projekte entlang der Wertschöpfungskette wie Bioläden, Ökoverarbeiter oder Biocaterer", heißt es auf oekolandbau.de.

Um den Strukturwandel der deutschen Landwirtschaft aufzuhalten, müsste allerdings weit mehr passieren, denn immerhin haben in den vergangenen zehn Jahren über 100.000 Bauernhöfe aufgeben müssen, wie das Bündnis "Wir haben es satt!" anlässlich der Großdemonstration im Januar in Berlin mitteilte (Kasten). Umsteuern gegen Agrarindustrie und Großkonzerne aus dem Saatgut- und Agrochemiesektor sei dringend nötig. Von freiwilligen Selbstverpflichtungen, wie sie Minister Schmidt mit seinem Tierschutzlabel anschieben will, halten die Kritiker der derzeitigen Landwirtschaftspolitik hingegen wenig. "In der Fleischindustrie ist die Selbstverpflichtung der Arbeitgeber zum Aufbau von Stammbelegschaften gescheitert", sagte Matthias Brümmer von der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten auf der Demo in Berlin. "Warum sollte eine Selbstverpflichtung zu mehr Tierschutz dann etwas bewirken?" Mehr Tierwohl, gute Arbeitsbedingungen und bessere Lebensmittel sind nicht ohne grundlegende Veränderungen zu haben.

www.agrarwen.de

www.bioboden.de

www.kulturland-eg.de

www.regionalwert-ag.de


Mit 130 Treckern gegen die Agrarindustrie

Wenn Traktoren in großer Zahl durch das Berliner Regierungsviertel tuckern, findet die jährliche Protestdemonstration gegen die industrielle Landwirtschaft statt: In diesem Jahr kamen am 21. Januar rund 18.000 Demonstrierende mit 130 Treckern an der Spitze zum Protestzug unter dem eingeführten Motto "Wir haben es satt!" Parallel zur Landwirtschaftsschau "Grüne Woche" zeigt diese Gegenveranstaltung Alternativen zu Massentierhaltung und Monokulturen auf.

Mehr als hundert Organisationen aus bäuerlicher sowie ökologischer Landwirtschaft, Tier-, Natur- und Verbraucherschutz, Imkerei und Lebensmittelhandwerk gehören dem Bündnis "Wir haben es satt!" an. Auch konventionell wirtschaftende Landwirte kleinerer Höfe setzen sich für die Ziele des Bündnisses ein. Einige Bauern gaben im Bundeslandwirtschaftsministerium einen Neun-Punkte-Katalog ab, in dem die Forderungen nach der Unterstützung der bäuerlichen Landwirtschaft, gesunden Lebensmitteln und Begrenzung der Konzernmacht in diesem Sektor zusammengefasst sind.

www.wir-haben-es-satt.de/aufruf