Ausgabe 01/2017
Umgekehrt wird ein Schuh draus
Angesichts der Lage der Nationen, dreimonatiger Einreiseverbote oder auch einem angekündigten Mauerbau über High Heels zu schreiben, diesem halsbrecherischen, höchsthackigen Damenschuh, das könnte Mann mal wieder als typisch Frau abhaken. Dabei vergisst er gern, dass es seinesgleichen waren, die in englischen Unternehmen eine Kleiderordnung einführten, die Männer lediglich zu Anzug und Krawatte verpflichteten, Frauen aber zu Kostüm und besagten High Heels. Zugegeben, auch ein Schlips ist gefährlich. Kann sich doch ein Angestellter, der teuren Bockmist verzapft hat, aus lauter Verzweiflung damit aufknüpfen. Das ist mit dem Stöckelabsatz schlechterdings unmöglich. Bestenfalls ließe sich mit ihm ein Loch in den Kopf hauen. Frauen wie die 27-jährige Nicola Thorp haben aber ganz andere Probleme mit diesem Schuh, nämlich Schmerzen und Langzeitschäden an Füßen und Rücken wegen der High-Heels-Pflicht. Deswegen hat Thorps gegen diesen veralteten und sexistischen Kleiderzwang - in manchen englischen Unternehmen wird gar freizügige Kleidung vorgeschrieben - eine Petition auf den Weg gebracht. Die haben 152.000 Menschen unterzeichnet und so hat sie es nach über einem Jahr unlängst ins britische Parlament geschafft. Theresa May, deutlich älter als Thorp, aber noch ganz jung im Amt der britischen Premierministerin, hat es mit ihrem Schuhwerk in kürzester Zeit in die Top News der Medien weltweit gebracht. Ein knallroter Pumps der bekennenden Schuhfetischistin hat gerade gar den 1. Preis für das beste politische Foto gewonnen, den Rückblende-Preis, der in Deutschland vergeben wird. Den roten Schuh trug May bei ihrem Antrittsbesuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel. Nicht aber bei ihrem ersten Treffen mit dem neuen US-Präsidenten. May wollte wohl keine rote Linie ziehen zwischen sich und Donald Trump. Stattdessen ließ sie sich an die Hand nehmen und lud Trump, ohne mit der Wimper zu zucken, zum Gegenbesuch ein. Was nun auf wenig Gegenliebe bei ihren Landsleuten stößt. Die rüsten sich derzeit mit Unterschriften gegen Trumps Einreise. Nicola Thorp und ihre 152.000 Anhänger/innen sollten hingegen, falls die Unterschriften gegen Trump nichts ausrichten, noch einmal in ihre High Heels steigen und sie - wie 2008 der irakische Reporter Montasser al-Saisi auf US-Präsident George W. Bush - auf Trump abfeuern. Und wenn sie dann alle barfuß gehen, kann man ihnen auch nichts mehr in die Schuhe schieben.
Petra Welzel