Marion Lühring ist Redakteurin der ver.di publik

Wer glaubt, die knapp fünf Millionen Minijobber in Deutschland bekommen seit Einführung des gesetzlichen Mindestlohns, das, was ihnen mindestens zusteht, der irrt. Knapp die Hälfte der Minijobber wurde laut einer aktuellen Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung 2015 um den Mindestlohn geprellt und bekam weniger als 8,50 Euro brutto die Stunde (seit Januar 2017 sind es 8,83 Euro). Jeder Fünfte erhielt 2015 nicht einmal 5,50 Euro.

Doch wer nun glaubt, der Gesetzgeber reagiere auf die schwarzen Schafe mit mehr Kontrollen, der irrt abermals. Die überwiegend im Gastgewerbe und im Handel ausgebeuteten Menschen werden mit ihren illegalen Billiglöhnen im Stich gelassen. Stattdessen macht die Bundesregierung einen Vorstoß in die völlig falsche Richtung: Sie erwägt weitere Ausnahmen. Bloß jetzt ganz legal. Laut Medienberichten denkt sie darüber nach, für Flüchtlinge und Zuwanderer Ausnahmen vom Mindestlohn zu erlauben, wenn diese Menschen sich für die Anerkennung ihres ausländischen Berufsabschlusses in Deutschland nachqualifizieren müssen.

Man kann sich lebhaft vorstellen, welche Praktikanten künftig völlig legal in Handel und Gastronomie unterhalb des Mindestlohns ausgenutzt werden. Bei so vielen Ausnahmen erübrigen sich dann auch weitere Kontrollen. Vermutlich kann sich Andrea Nahles auch nicht mehr daran erinnern, dass sie noch 2015 frohlockte, wie froh sie sei, dass der Mindestlohn gerade rechtzeitig in Kraft getreten sei, um Flüchtlinge vor Ausbeutung auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu schützen. Die Bundesregierung muss sich dann aber auch die Frage gefallen lassen, welches Signal sie mit einer solchen Änderung setzt. Ausbeuterischen Unternehmen und Branchen den Rücken für weitere Almosenjobs zu stärken, anstatt den Mindestlohn zu verteidigen, das geht in die falsche Richtung.