Ausgabe 02/2017
In Trump-Zeiten: Transatlantische Niedriglöhnerei geht weiter
"Teil von Lidl USA zu sein, heißt Teil von etwas Großem zu sein." Bis 2022 will der deutsche Discounter die US-Ostküste mit 550 Märkten überziehen. Lidl bedient die verarmten Käuferschichten mit gestrafftem Angebot und wohnortnah - sie müssen auch Benzin sparen. Die Löhne für die etwa 4.000 neuen Lidl-Beschäftigten könnten noch niedriger sein als in Deutschland. Sie werden in den USA zudem staatlich hoch subventioniert - mit Essenmarken, Zuschüssen für Kinder und ärztliche Behandlungen sowie Steuergutschriften. Den Firmensitz hat Lidl nach Virginia verlegt: Das ist einer der US-Staaten, die gewerkschaftliche Rechte heftig einschränken.
US-Präsident Donald Trump hat den deklassierten weißen Arbeitern neue Arbeitsplätze und höhere Löhne versprochen. Auch unter seinem Vorgänger Barack Obama war die Entwicklung zu working poor weitergegangen - Arbeit haben und trotzdem arm sein. Wie durch Lidl können nun neue Arbeitsplätze entstehen, allerdings auch auf Kosten größerer Supermärkte. Und mit höheren Löhnen sieht es schlecht aus. Das hat Trump mit den beiden Kandidaten deutlich gemacht, die er als Arbeitsminister vorgeschlagen hat.
Gewerkschaftsprotest gegen den Fast-Food-Unternehmer Puzder
Zunächst sollte es der Unternehmer Andrew Puzder richten. Bernie Sanders, der Präsidentschafts-Kandidat der Demokraten, beschrieb ihn so: "Er passt perfekt in Trumps Regierung. Er ist Milliardär und zahlt den Beschäftigten Hungerlöhne." Der Gewerkschafts-Verband AFL-CIO und Gruppen wie "Jobs with Justice" (etwa: "Gerechtigkeit im Job") und "Equal Rights Advocates" (Juristische Organisation für die Gleichstellung von Frauen) brachten ständig neue Belege für die asoziale Praxis des Fast-Food-Chefs.
Seit 2000 kaufte er mit Hilfe von Private-Equity-Investoren ("Heuschrecken") die Fast-Food-Kette CKE mit 3.750 Restaurants zusammen. Er verletzte gezielt Arbeitsgesetze: Beschäftigten und auch Managern bezahlte er Überstunden nicht und er verweigerte Arbeitspausen. Mitten in vereinbarten Schichten ließ er Beschäftigte nach Hause schicken, wenn nur wenige Kunden da waren. Puzder musste Millionen an Bußgeldern bezahlen, machte aber weiter. Er kalkulierte damit, dass die geschwächte Arbeitsaufsicht nur wenige Verstöße aufdecken kann.
Aus der Verachtung für seine Beschäftigten macht CKE-Chef Puzder keinen Hehl. Er sucht gezielt Unqualifizierte, um sie möglichst niedrig bezahlen zu können: "Wir stellen die Besten der Schlechtesten ein." ("The best of the worst.") Gleichzeitig sollen sie die Kunden glücklich anstrahlen und immer topfit sein: "Nie dürfen Leute hinter dem Tresen stehen, die nicht alle Zähne im Mund haben."
Puzder schaffte es, 95 Prozent der Restaurants nach dem Franchise-System an Subunternehmer zu verpachten, mehr als beim Branchenführer McDonald‘s. Mit anderen Konzernen, die nach dem Franchise-System arbeiten - Systemgastronomie, Logistik, Supermärkte - betreibt Puzder die Lobbyorganisation "Job Creators Network". Die erreichte, dass der gesetzliche Mindestlohn von 7,25 Dollar (mit Ausnahmen bis runter zu 2,13 Dollar) während der Obama-Regierung nicht erhöht wurde. Der Mindestlohn soll ihr zufolge ganz abgeschafft werden. Doch die gewerkschaftliche Kritik hatte Wirkung. Puzders Anhörung im Senat, der über die Bestätigung als Minister entscheidet, musste fünfmal verschoben werden.
Trump will illegale Migranten abschieben, mehr als unter Obama. Aber die US-Franchise-Industrie beschäftigt routinemäßig Illegale. Die lassen sich nun noch rechtloser und billiger beschäftigen - durch die drohende Abschiebung sind sie erpressbar. Zuletzt wurde bekannt: Puzder beschäftigte in seinem Privathaushalt jahrelang eine illegale Migrantin. Er redete sich heraus: "Meine Frau und ich haben das nicht gewusst. Wir haben sofort die Steuern nachgezahlt und angeboten, ihr bei der Legalisierung zu helfen." Aber die Migrantin hat diese "Hilfe" abgelehnt - aus Angst vor Abschiebung. Dass das öffentlich wurde, war sogar einigen Senatorinnen der Republikaner zu skandalös. Puzder verzichtete schließlich auf das Amt.
Der nächste Kandidat
Als nächsten Kandidaten benannte Trump Alexander Acosta. Mit einem Abschluss an der Elite-Universität Harvard begann der seine juristische Karriere in der Kanzlei Kirkland & Ellis. Das ist mit 1.900 Anwälten die fünftgrößte US-Kanzlei und eine der elitärsten und profitabelsten. Das Jahresgehalt in der Kanzlei beginnt bei 180.000 Dollar. Die Anwälte, die zu Miteigentümern aufsteigen, bekommen gegenwärtig auf ihre erhöhten Gehälter noch 3,4 Millionen Dollar Gewinnanteil. Die Kanzlei vertritt nur Unternehmen, darunter auch Private-Equity-Investoren, die Unternehmen aufkaufen und profitabel weiterverkaufen. Acosta vertrat erfolgreich zum Beispiel Kohleunternehmen gegen gewerkschaftliche Lohnforderungen. Gegenwärtig vertritt die Kanzlei den VW-Vorstand im Abgas-Skandal gegenüber der US-Regierung.
Acostas kubanische Eltern waren nach dem Sturz des US-freundlichen Diktators Batista 1959 nach Miami geflohen. Das exilkubanische Milieu in Florida war von Beginn an mit dem rechten Flügel der Republikaner vernetzt. Präsident George W. Bush berief Acosta 2002 kurzzeitig in die nationale Arbeitsaufsicht. Über seine Tätigkeit dort wurde wenig bekannt, schon acht Monate später ernannte Bush ihn zum stellvertretenden Justizminister. Acosta leitete die Abteilung für Bürgerrechte, die zum Beispiel darüber wachen soll, dass bei Wahlen niemand diskriminiert wird. Wie eine Untersuchung des Kongresses 2008 ergab, wurde die Abteilung mit Parteigängern der Republikaner aufgestockt, auch wenn sie keine Verteidiger von Bürgerrechten waren.
Acosta selbst mischte sich in ein Gerichtsverfahren im US-Bundesstaat Ohio ein: Dort hatten schwarze Wahlberechtigte geklagt, dass sie als vermutete Anhänger der Demokratischen Partei nicht in den Wählerlisten registriert wurden. Acosta versuchte, den Richter zu beeinflussen. Ohio ist einer der Bundesstaaten, der wie bei Trump auch für die Wiederwahl von Bush im Jahr 2004 entscheidend war. Nach der Wahl berief Bush Acosta zum Staatsanwalt in Florida, wo er gegen Terroristen, Schmuggler und Steuerhinterzieher vorging.
Inzwischen ist Acosta Chef der U.S. Century Bank. Sie wurde von exilkubanischen Bau- und Medienunternehmern in Florida gegründet und pflegte enge Beziehungen zu Jeb Bush, dem Gouverneur von Florida und Bruder des US-Präsidenten.
Die Lobbyorganisation "Americans for Tax Reforms" begrüßte Acostas Nominierung zum Arbeitsminister als "großartig". Die Organisation kämpft für die Senkung der Gewinnsteuern und gegen kollektive Tarifverträge und wird von den ultrarechten Multimilliardären der Walton-Familie (Wal-Mart-Supermärkte) und den Koch-Brüdern (Öl- und Chemiekonsortium) finanziert.
Kampf für Gewerkschaftsrechte
"Fight for 15" heißt die Kampagne, mit der Niedriglöhner in den USA für einen Mindestlohn von 15 Dollar und für das Recht auf freie gewerkschaftliche Betätigung kämpfen. Beschäftigte von McDonald's, Burger King und Pizza Hut hatten 2012 in New York mit Streiks begonnen. Die Bewegung breitete sich im ganzen Land aus. Für mehrere Millionen Beschäftigte wurden die Löhne erhöht, teilweise auf 15 Dollar. Städte wie New York, Seattle und San Francisco schlossen sich an.
Der Präsidentschafts-Kandidat der Demokraten, Bernie Sanders, hatte die Forderungen unterstützt. Nachdem der ausgebootet worden war, schloss Hillary Clinton sich der Bewegung an, im verzweifelten Versuch, damit Stimmen zu sich herüberzuziehen. Doch das war unglaubwürdig: Ihr Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten war Tim Kaine. Kaine war von 2006 bis 2010 Gouverneur von Virginia und verteidigte die gewerkschaftsfeindliche Gesetzgebung dieses Bundesstaates. "Fight for 15" muss sich eben nicht nur gegen eine Regierung der Republikaner, sondern auch gegen Demokraten durchsetzen.