Ausgabe 03/2017
Das Maß der Kunst
Es muss an der Seide liegen, dass die Fahndungsplakate, die Beate Passow auf 1,20 Meter mal 90 Zentimeter hat sticken lassen, unter die Haut gehen. Auch der gesenkte Blick von Ulrike Meinhof, der Mitbegründerin der RAF. Und die "Schwarze Witwe" von Sotschi, die 2014 einen Anschlag verübt haben soll, erinnert mit ihrem rosa Kopftuch eher an eine Madonnenfigur als an eine Attentäterin. Die Serie Wanted macht aus Terroristen auf der ganzen Welt Ikonen. Allerdings nicht, um diese zu erhöhen. Ihre Manifestierung in Seide hält die Erinnerung an den Terror wach, daran, dass er jederzeit und allerorts Gesellschaften im Innersten gefährden kann.
Beate Passow ist für ihr Werk jetzt mit dem "Gabriele Münter Preis" geehrt wurden. Der mit 20.000 Euro dotierte Preis zeichnet - europaweit einmalig - Künstlerinnen ab 40 Jahren aus. Auch im Kunstbetrieb haben es Frauen schwerer, gesehen zu werden. Und je älter sie werden, umso schwerer wird es. Für Passow kommt die Auszeichnung sehr spät. Seit Jahrzehnten schon interveniert die heute 72-Jährige mit ihren Arbeiten, mischt sich ein in aktuelle Debatten. 1945 geboren als Tochter eines Nazis und einer Polin, ist auch das Wachhalten der Erinnerung an den nationalsozialistischen Staatsterror ein roter Faden in ihrem Werk. So fehlt unter den verstofflichten Fahndungsaufrufen eben auch nicht der nach dem sogenannten NSU-Trio, das bis heute die Justiz beschäftigt.
Neben dieser Serie sind auch Passows Burkabarbies zu sehen. In den letzten 15 Jahren ist die Künstlerin viel gereist. Die Miniburkas stammen aus dem Iran, wo sie Flaschen ummanteln. Passow hat dort auch große Burkas in blau, gelb und grün gekauft. In München hat sie die kleinen Ganzkörperschleier neun Barbies angezogen und diese auf einen Spiegel gestellt. Es ist wie bei dem Mann, der einen Schottenrock trägt: Was tragen sie darunter? Die großen Schleier hat sie drei Personen übergeworfen und sie so im Englischen Garten posieren lassen. Auf einem Bild mit einem Maß Bier und Brezeln, was einer älteren Dame am Nachbartisch vor ihrem Weizenbier einen skeptischen Blick entlockt. Passows fotografische Arbeiten spielen mit den Kulturen, betonen das Gemeinsame, hinter denen das Trennende zurücktritt, aber eben nicht verschwindet.
Neben denen der Preisträgerin sind in der Ausstellung Arbeiten von 19 weiteren Künstlerinnen zu sehen, die aus den insgesamt knapp 1.000 Bewerberinnen um den Preis ausgewählt wurden. Es ist eine Ausstellung, die zu denken gibt. Petra Welzel
AKADEMIE DER KÜNSTE Berlin, HANSEATENWEG 10, DI-SO 11-19 UHR, BIS 17. APRIL; 7. MAI BIS 9. JULI, FRAUENMUSEUM Bonn, IM KRAUSFELD 10, DI-SA 14-18, SO 11-18 UHR
schön falsch leben
In dem Scrabble von Ute Kühn ist Donald gegen Steve angetreten. Wer Donald ist, ist sofort zu erkennen, tauchen doch auf dem viereckigen Spielbrett Worte wie FIRST, FACTS, AMAZING, PUSSY und ähnliche auf, die sich alle auch den Tweets des amtierenden US-Präsidenten entnehmen lassen. "schön falsch leben", der Titel der Jahresausstellung des Berufsverbands der Künstlerinnen und Künstler in Hamburg, muss für Ute Kühn eine Steilvorlage gewesen sein, lebt doch Donald Trump ein vielleicht schönes, aber dennoch falsches im wahren Leben. Das Motto der Ausstellung beruht tatsächlich auf Adornos Satz "Es gibt kein richtiges Leben im falschen". Die vermeintliche Hoffnung auf ein befreites Leben, die der Philosoph damit formulierte, ist auch heute wieder aktuell. Ute Kühn hat sich dem Motto kritisch, aber auch ironisch hinsichtlich Trumps Wortschatz angenommen. Insgesamt 25 zeitgenössische Positionen zum Leben an sich sind in der Schau zu sehen, komische Gemälde von Schwarzwaldmädels genauso wie eine audio-visuelle Installation und schräge Skulpturen. Bilder vom Leben eben. Petra Welzel
KUNSTHAUS HAMBURG, KLOSTERWALL 15, DI-SO 11-18 UHR, BIS 21. MAI
No secrets! Bilder der Überwachung
Aus der Arbeitswelt sind Überwachungskameras kaum noch wegzudenken. Und längst nicht mehr jede Kamera wird zwangsläufig mit den Beschäftigten kommuniziert, schließlich sollen ja auch sie überwacht werden. Die Ausstellung in München umfasst den Begriff Überwachung aber noch viel umfangreicher. So beschäftigt sich ein Teil der gezeigten Bilder mit der historischen Entwicklung, etwa den in Karteien angelegten Verbrecherfotografien und erfassten Fingerabdrücken, die es seit den 1880er Jahren gibt. Die ersten Luftbilder, aufgenommen aus Heißluftballons, aus der Mitte des 19. Jahrhunderts weisen den Weg zu den heutigen Aufnahmen von Satelliten und Drohnen. Aber auch die zeitgenössischen Arbeiten, die den Großteil der Ausstellung ausmachen, berufen sich teils noch auf die Phänomene historischer Überwachungstechniken, so zum Beispiel das Video Panopticon von Hyjoo Jang. Vielfach werden die Techniken der Überwachung in Frage gestellt, allein zum Beispiel dadurch, dass der Künstler Max Eicke US-amerikanische Überwachungsanlagen in Deutschland sichtbar macht. Keine Geheimnisse - das gilt in diesem Fall auch für die Überwacher.Petra Welzel
MÜNCHNER STADTMUSEUM, ST.-JAKOBS-PLATZ 1, DI-SO 10-18 UHR, BIS 16. JULI