Ausgabe 04/2017
Gerichte mit langer Garzeit
Als Josef Wolf, Personalratsvorsitzender des Studentenwerks Niederbayern / Oberpfalz, Anfang Dezember 2012 Unterlagen abheftete, stolperte er über eine Formulierung im Tarifvertrag. Damit begann nicht nur eine zermürbende Auseinandersetzung zwischen der Mitarbeitervertretung und der Geschäftsführung, sondern auch ein Rechtsstreit, der sogar das Bundesarbeitsgericht (BAG) beschäftigte. Josef Wolfs Hartnäckigkeit könnte dazu führen, dass sich die Einkommen für einen Teil des Küchenpersonals in Mensen demnächst deutlich verbessern.
Was Wolf an jenem Adventstag elektrisierte, war folgender Satz: "Der Antrag nach Absatz 3 Satz 1 und/oder Absatz 3 Satz 5 kann nur bis zum 31. Dezember 2012 gestellt werden." Das stachelte den 60-Jährigen, der sich selbst als "Tüpfelscheißer" (hochdeutsch Erbsenzähler) bezeichnet, zu sofortiger Aktivität an.
Es ging um die Möglichkeit einer Stufenöffnung für langjährige Kolleg/innen, die in Küchen an Hochschulen arbeiten und im Tarifvertrag der Länder (TV-L) in Entgeltgruppe 3, Stufe 5 eingestuft sind. Zwar hatte die Geschäftsführung mitgeteilt, dass sie diese Arbeitskräfte zur Gruppe der Beschäftigten zähle, die "körperlich handwerklich geprägte Tätigkeiten" ausüben und für die es im Tarifvertrag keine Stufe 6 gebe. Doch Wolf hielt das für falsch: Schließlich sind in der Entgeltordnung der Länder "Beschäftigte im Küchendienst" explizit in Teil II erwähnt - und für die gibt es sehr wohl eine Entgeltstufe 6.
Das wird teuer
Wolf trommelte seine Personalratskollegen zusammen, entwarf ein Antragsblatt und alle schwärmten aus in die Caféterien und Mensen, um die 75 langjährig Beschäftigten zu informieren. Kurz vor Weihnachten gab Wolf die unterschriebenen Formulare bei der Geschäftsführung ab. Als die erwartungsgemäß ablehnte, wandte er sich an ver.di. Der Leiter der ver.di-Rechtsschutzabteilung in Bayern, Alfried Ströl, forderte die Geschäftsführung auf, die Stufe 6 für das Küchenpersonal zu akzeptieren - und bekam zunächst ebenfalls eine Absage. Nachdem die Studentenwerksleitung jedoch beim bayerischen Wissenschaftsministerium nachgefragt hatte, teilte sie mit: "Den Anträgen [....] wird stattgegeben." Zwar schien nun alles klar: Neben einer Nachzahlung würde es fast 60 Euro mehr pro Monat geben. Tatsächlich passierte aber erst mal nichts. Im Oktober 2013 teilte die Geschäftsführung mit, dass das zuständige Ministerium die Sache noch einmal prüfen müsse. "Die hatten im Finanzministerium wohl plötzlich verstanden: Oh, das wird teuer", vermutet Wolf. Neben den Regensburger Beschäftigten hatten inzwischen auch Kolleginnen aus Würzburg Anträge abgeliefert.
ver.di-Kolleginnen als Klägerinnen
Drei ver.di-Kolleginnen konnten als Klägerinnen gewonnen werden. "Das war schon komisch, zum ersten Mal vor Gericht zu stehen", erzählt Johanna Pleban. Beim Amtsgericht Regensburg scheiterte sie, so ging die Angelegenheit zum Landes- und schließlich zum Bundesarbeitsgericht, das sich in mehreren Urteilen mit den Fällen beschäftigte.
"Die ver.di-Landesfachbereichsleiterin Christiane Glas-Kinateder und Alfried Ströl waren viele, viele Stunden bei mir, um die Dinge zu besprechen und zu planen", sagt Josef Wolf. "Es ist gigantisch, was ver.di da geleistet hat." Das Kompliment gibt Ströl zurück: "Es gehören Mut und großes Durchhaltevermögen dazu, so ein Verfahren durchzustehen."
Zwar ist immer noch nicht endgültig geklärt, ob und wann Johanna Pleban und ihre Kolleginnen endlich eine Lohnerhöhung bekommen; die höchsten Arbeitsrichter haben die Fälle an die unteren Instanzen zurückverwiesen. Die Aussichten aber sind gut: Schließlich hat das BAG eindeutig klargestellt, dass das Küchenpersonal in Teil II der Entgeltordnung zum TV-L einzugruppieren ist.
Im Fall einer Würzburger Beschäftigten hat das Landesarbeitsgericht bereits einen Vergleich vorgeschlagen, bei dem die Klägerin eine Nachzahlung für die Zeit ab September 2012 bekommt und außerdem in Stufe 6 eingruppiert wird. Die Geschäftsführung hat die Verlängerung der Entscheidung beantragt. Auch bei den Regensburger Verfahren ist noch nichts endgültig entschieden. Die juristische Auseinandersetzung hat aber noch einen erfreulichen Nebeneffekt: Durch die BAG-Urteile ist klar, dass es in Mensaküchen keine Entgeltgruppe 1 im TV-L mehr gibt.