Wenn es nach dem Willen der EU-Kommission geht, sollen die Fluglotsen europaweit Streiks in Zukunft mindestens 14 Tage vorher ankündigen. 72 Stunden vor Streikbeginn sollen sie dann angeben, welche Beschäftigten an dem Streik teilnehmen werden. Das geht aus einer Erklärung der EU-Kommission zur Luftfahrt in Europa hervor. Darin empfiehlt sie den Mitgliedsstaaten, die gesetzlichen Grundlagen für die genannten Einschränkungen des Streikrechts zu schaffen.

Arbeitsniederlegungen in Spitzenreisezeiten sollen demnach vermieden werden, also dann, wenn sie am wirksamsten sind. Außerdem sollen die Mitgliedsstaaten nach der Empfehlung der EU-Kommission gewährleisten, dass ihr Territorium überflogen werden kann. Auch soll geprüft werden, inwieweit bei Streiks Fluglotsen aus angrenzenden Regionen die Kontrolle des Luftraums übernehmen könnten. "Das käme einem gesetzlich legitimierten grenzüberschreitenden Streikbrechereinsatz gleich", stellt ver.di-Vorstandsmitglied Christine Behle klar.

Streiks mit Wirkung

EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc spricht hingegen davon, dass diese Maßnahmen den Flugreisenden, den Beschäftigten und den Luftverkehrsunternehmen "konkrete Vorteile bringen". Insbesondere die Luftfahrtindustrie hatte sich über die Auswirkungen von Streiks beschwert. Nach Angaben der EU-Kommission sind in den vergangenen elf Jahren rund 243.000 Flüge wegen Streiks der Fluglotsen ausgefallen. Zuletzt waren Anfang März 2017 französische Fluglotsen in den Ausstand getreten.

"Wir wehren uns gegen diesen offensichtlichen Versuch der EU-Kommission, die Axt an ein fundamentales Recht aller abhängig Beschäftigten in der EU zu legen", betont Behle. Gemeinsam mit der Europäischen Transportarbeiter-Föderation (ETF) und ihren Schwestergewerkschaften werde ver.di das Streikrecht verteidigen. Die Kommission sei nicht berechtigt, Empfehlungen auszusprechen, die sich gegen Artikel des deutschen Grundgesetzes, der Europäischen Menschenrechts- und Sozialcharta sowie der Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation richten.

Dem jüngsten Vorstoß der EU-Kommission zur Einschränkung des Streikrechts waren in den zurückliegenden Jahren viele andere Initiativen vorangegangen. So fasste der CSU-Parteivorstand schon im Januar 2015 einen Beschluss mit dem Titel "Für ein modernes Streikrecht". Ziel sei es, so heißt es da, "kritische Infrastrukturen zu schützen und die Daseinsvorsorge sicherzustellen". Eine Änderung des Streikrechts sei erforderlich, um "unverhältnismäßige Auswirkungen" von Arbeitskämpfen zu verhindern. Die CSU will unter anderem, dass Streiks vier Werktage vor ihrem Beginn angekündigt werden müssen. Außerdem soll nach dem Willen der Christsozialen jedem Streik ein Schlichtungsverfahren verpflichtend vorangehen. hla