Ausgabe 06/2017
Leserbriefe
Die Argumente gegen JEFTA und andere "Freihandelsabkommen" in der letzten ver.di publik leuchten mir ein. Mir fehlt aber in dem Artikel ein Aufzeigen von Möglichkeiten, was man als Gewerkschafter dagegen unternehmen kann.
Dr. Holger Krahnke, per E-Mail
Da hätte ich als ehemaliger alter Hase vom Airport Nürnberg und als 23 Jahre lang freigestellter Betriebsrat einiges beizutragen. Jetzt bin ich seit Dezember 2015 eigentlich glücklicher Rentner und seit 40 Jahren Gewerkschaftsmitglied. Nun, es wird ja alles günstiger und "der Service besser", hieß es mal aus der EU-Wettbewerbskommission: "Liberalisierung, mehr Wettbewerb, dann sind die Koffer schneller bei den gelandeten Personen." Ja, und jetzt, nach gut 17 Jahren, sieht man, wo dies alles hingeführt hat: Leiharbeit zuhauf, Werkverträge, Subunternehmen, alles im Niedriglohnbereich, sodass man als Aufstocker von der Solidargemeinschaft abhängig ist. Die Gewerkschaft ist natürlich so stark und so einflussreich, wie sie Mitglieder hinter sich hat. Besonders in diesem Bereich liegt bei uns noch einiges im Argen, was den Organisationsgrad auf den Flughäfen, gerade in der Abfertigung, angeht. Da lässt bei einzelnen Mitarbeiter/innen die sogenannte Solidarität sehr zu wünschen übrig. Und die Gewerkschaft ist dadurch bei den Flughäfen in einer Zwangslage.
Reinhold Engel, Forchheim
Jugend-Spezial "Den nächsten Schnitt machen",ver.di publik 5_2017
Wird ja wirklich höchste Zeit, dass der Nachwuchs in der Friseurbranche sich für seine Rechte stark macht. Ich selbst bin inzwischen in (Armuts)-Rente. Einer ganzen Friseurgeneration geht es nicht anders, sie sind Grundsicherungs-Empfänger. Es sei denn, sie haben sich rechtzeitig aus dem Beruf verabschiedet.
Die Arbeitgeber haben sich jahrzehntelang nicht um eine angemessene Bezahlung gekümmert. Die Folgen spüren sie jetzt: Auszubildende, die reihenweise ihre Lehre abbrechen, Gesellen, die feststellen, dass man von diesem Armutslohn nicht leben kann. Aber es haben sich eben auch in der Vergangenheit viel zu wenige aus der Friseur-Branche um ihre Rechte gekümmert. Erst als der Mindestlohn in Kraft getreten ist, hat sich einiges zum Besseren geändert. Zumindest ist dieses Heer von Billig-Anbietern vom Markt verschwunden. Offensichtlich konnten die ja ihre Geschäfte nur auf dem Rücken ihrer unterbezahlten Mitarbeiter tätigen.
Hildegard Pallas, per E-Mail
Jugend-Spezial Portrait "Blank bis auf die Knochen", ver.di publik 5_2017
Es ist zu begrüßen, dass sich ver.di für diese Berufe einsetzt und die Ausbildungen in ein einheitliches Bundesausbildungs-Gesetz überführen will. Wenn es um die MTA-Berufe geht, bitte nicht immer nur Labor und Radiologie nennen, sondern auch die MTAF, die immer vergessen wird. Diese MTAF sind in den Kliniken auf Intensivstationen tätig und führen etwa Hirntodbestimmungen mittels EEG durch. Andere MTAF sind in EPU-Laboren eingesetzt; dort geht es auch um Leben und Tod bei bestimmten Untersuchungen.
Beate Müller, Leipzig
Jugend-Spezial "Deine Stimme zählt", ver.di publik 5_2017
Im ver.di-Jugend-Spezial habt ihr die geringe Wahlbeteiligung der Jugendlichen thematisiert. Mit acht Kindern, inzwischen alle im Wahlalter, sollte ich dazu vielleicht ein paar Anmerkungen machen. Die Jugendlichen denken verdammt klar. Sie erleben, dass inzwischen fast alle Parteien inhaltlich und von ihren Zielen - soweit wir davon wissen - austauschbar sind. Sie gehen davon aus, dass es unter ihnen längst eine Art Gemeinschaft gibt, sodass sie auch in wechselnden Koalitionen und unabhängig von der Wählermeinung immer die gleiche Politik fortsetzen können. Störungsfrei, denn nicht angepasste Parteien werden sofort ausgegrenzt.
Klaus Landahl, per E-Mail
Reportage "Einzige Sorge: Stromausfall", ver.di publik 5_2017
Reichlich entsetzt bin ich über den völlig unkritischen Bericht über die E-Akte der Bundesagentur für Arbeit. Was fehlt alles im Bericht? Monatelang nicht ausgezahlte Ausbildungsgelder für Maßnahmeteilnehmer aufgrund von Personalengpässen. In der E-Akte nicht vorhandene Anlagen, weil auf diesen nicht die Kundennummer vermerkt war, und diese daher nicht zugeordnet werden konnten. Falsche Beratung im Eingangsbereich, weil alle qualifizierten Mitarbeiter zur Schulung waren. Hier hätte ich von der Autorin einer Gewerkschaftszeitung ein wenig mehr Recherche erwartet. In der jetzigen Form passt der Artikel locker ins Arbeitgebermagazin der BA.
Knut Maßmann, Gelsenkirchen
Diese butterweiche Reportage über die E-Akte der BA hätte die Presseabteilung der BA wohl auch nicht besser hinbekommen. Als ob der Stromausfall das Einzige und Wichtigste wäre - sind es nicht die Menschen, die vor und hinter dem Schreibtisch sitzen? Diese Haltung ist fatal. Wer schon einmal auf Leistungen der BA angewiesen war und dann mal zum Beispiel auf Kindergeld drei Monate vergeblich gewartet hat oder auf ALG I (sechs Wochen sind keine Seltenheit), kann ein Lied davon singen, wie es in der BA zugeht und wie sich "Kunden" behandelt fühlen. Im Mittelpunkt der E-Akte stehen Rationalisierung und damit Arbeitsplatzreduzierungen in der BA selbst, Outsourcing z. B. in Call-Center auf der einen Seite und auf der anderen wird der "Kunde" zur Nummer, die IT-gerecht formatiert wird - und das alles in Zeiten relativ niedriger Arbeitslosigkeit.
Die BA hat in den letzten zehn Jahren massiv Mitarbeitende abgebaut, die, die noch dabei sind, stehen massiv unter Druck, so meine Erfahrung. Statt qualifizierte, ausreichende Beratung und Begleitung vor Ort auszubauen, wird abgebaut und umgebaut, dabei ist die Arbeit der Jobcenter noch gar nicht beleuchtet.
Helmut Türk-Berkhan, Rosenheim
Das sind Artikel, wie sich die BA gerne in der Öffentlichkeit dargestellt sieht. Ein super Arbeitgeber mit tollen Arbeitsbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten für all seine Arbeitnehmer. Und die E-Akte natürlich als die Segnung schlechthin, welche alle Verwaltungsvorgänge super optimiert, die Arbeitsbedingungen aller Betroffenen eigentlich nur verbessert und die BA damit überhaupt eine beispielhafte Vorreiterrolle einnimmt. Mir sind die BA-Interna bestens bekannt und insbesondere deshalb werde ich den Eindruck nicht los, dass die Autorin der ausgeklügelten und bestens funktionierenden Propagandamaschinerie der BA aufgesessen ist. Insbesondere von deren Arbeitnehmern sind mit Sicherheit offiziell keine kontroversen Meinungsäußerungen zur E-Akte oder irgendwelchen sonstigen internen Vorgängen zu erwarten. Auch die Positionen des Hauptpersonalrats der BA treffen zumindest aus den Reihen der gemeinsamen Einrichtungen (Jobcenter) nicht immer auf ungeteilte Zustimmung.
Um ein vielleicht etwas differenzierteres (d.h. realistischeres) Bild über die Einführung der E-Akte auch in den Jobcentern zu vermitteln, wäre es meiner Meinung nach sinnvoll gewesen, bei den Recherchen zum Artikel auch die Auffassung der Arbeitsgruppe der Vorsitzenden der Personalvertretungen der gemeinsamen Einrichtungen zu erkunden. Und, liebe Redaktion, im Übrigen sollte sich ver.di publik nicht zum Sprachrohr der BA machen lassen. Damit stoßt Ihr die Leute vor den Kopf, die als ver.di-Mitglieder und/oder Personalräte den teils massiven Missständen in der BA und den Jobcentern, auch im Zusammenhang mit Einführung der E-Akte, entgegentreten.
Udo Keßler, per E-Mail
Thema "Zur Zukunft des Sozialstaats", ver.di publik 5_2017
Mir ist wieder eine ver.di publik, nämlich die Ausgabe 5_2017,in die Hände gefallen. Mensch, was da drin steht, ist ja gesellschaftskritisch links in einer Weise, wie man es manchmal nicht mal in Publikationen der Links-Partei findet. Das hat mich überrascht! Das ist toll! Nur kann man die in dieser Zeitung herausgearbeiteten Probleme nicht im Rahmen von Tarifverhandlungen und kleinen Warnstreiks bei Beibehaltung des kapitalistischen Wirtschaftssystems lösen. Das erfordert ganz andere Aktionen und eindeutigere politische Aussagen von ver.di. Die Digitalisierung wird auch in der Verwaltung, bei den Dienstleistungen zu enormen weiteren Automatisierungen und EDV-Einsatz mit strammem Arbeitsplatzabbau führen. Auch um dann "Überflüssige" sollte sich ver.di kümmern. Deshalb ist die Zurückweisung eines bedingungslosen Grundeinkommens eine oberflächlich gedachte, falsche Entscheidung.
Wolfgang Schlenzig, Berlin
Jedes Mal aufs Neue freue ich mich, eine so umfassend informierende, vielfältige Zeitung als Mitglied frei Haus zu bekommen. Wenn es die ver.di publik nicht gäbe, müsste sie erfunden werden.
Meinen Dank und meine Anerkennung, Yasemin Kizilirmak, per E-Mail
Format ver.di publik
Da ich oft in der Straßenbahn lese, ist das Tageszeitungsformat der ver.di PUBLIK sehr unhandlich. Die Adexa oder IG Metall mit ihrem Zeitschriftenformat sind da deutlich besser zu handhaben. Bitte mal mitnehmen.
Karsten Hänsch, per E-Mail
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