Ausgabe 06/2017
Wo die DRK-Rettungsdienste verheizt werden
Beschäftigte des DRK-Rettungsdienstes Glauchau wollen mehr Personal, bessere Bedingungen und mehr Geld. In anderen Kreisverbänden ist das möglich
Rettungsassistent Sebastian Schuricht
Sachsen - Tarifauseinandersetzungen stehen bei den Rettungsdiensten in Sachsen regelmäßig an. Die meisten Rettungsdienste stellt das Deutsche Rote Kreuz (DRK). Seit der DRK-Landesverband mit seinen Kreisverbänden 2003 aus der Bundestarifgemeinschaft DRK ausgetreten ist, ringen Beschäftigte, Gewerkschaften und Arbeitgeber dort um haustarifvertragliche Regelungen. Sowohl bei der Entgeltregelung als auch bei den manteltariflichen Leistungen gibt es landesweit erhebliche Unterschiede.
Eins sehen alle Beteiligten gleichermaßen kritisch: die regelmäßige Teilnahme an den Ausschreibungen im Rettungsdienst. In Sachsen hat die Landesregierung diese Ausschreibungspflicht gesetzlich festgeschrieben. Das gibt es außer in Bayern in den anderen Bundesländern nicht. Auch die EU-Empfehlung weicht mittlerweile davon ab. Schlechtere Bezahlung begründen die Arbeitgeber nun gern mit der Ausschreibungspflicht. Fakt ist auf jeden Fall, dass derjenige den Zuschlag bekommt, der auch finanziell attraktiv, das heißt billig, ist. Lohndumping ist die Folge, denn Personalkosten sind der Schwerpunkt der Gesamtkosten, beschreibt Gewerkschaftssekretär André Urmann die Situation. ver.di positioniert sich klar gegen die Ausschreibungspflicht, denn Notfallrettung ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge.
"Mir reicht es langsam, ich wurde in den letzten zwei Jahren verheizt", sagt Rettungsassistent Sebastian Schuricht zu seiner Arbeitssituation beim DRK-Kreisverband Glauchau. Er meint damit die Blöcke von sechs bis sieben Schichten nacheinander. Allein eine Schicht beim Rettungsdienst dauert zwölf Stunden.
Glauchau hat Nachholbedarf
Das allein macht aber das Problem im Rettungsdienst des DRK-Kreisverbandes nicht aus. Die Beschäftigten arbeiten permanent am Limit. Eine deutlich bessere Bezahlung, bessere Arbeitsbedingungen und mehr Personal sind dringend geboten. Anfang des Jahres entschieden die Beschäftigten, dass sie neue und bessere tarifliche Regelungen wollen. Sebastian Schuricht, der auch Mitglied der Tarifkommission ist, stellt klar: Die Stunden müssen runter, fünf Prozent mindestens auf das Entgelt drauf, Erhöhung der Schichtzuschläge und der Sonderzahlungen, die sollen Pflicht werden und nicht in einer Kann-Regelung stehen.
Die Beschäftigten haben sich an ver.di gewandt, Unterstützung erhalten und ein Teil von ihnen ist in Glauchau dafür auf die Straße gegangen. Zehn Tage streikten sie für einen Haustarifvertrag, der sich an den DRK-Reformtarifvertrag anlehnt.
Der Geschäftsführer war nicht bereit, mit ver.di zu verhandeln. Im Gegenteil, er arbeitete an der Spaltung der Belegschaft und hat schließlich im Juni mit der christlichen Gewerkschaft DHV einen Tarifvertrag abgeschlossen. Das Ergebnis liegt unter den ursprünglichen Forderungen von ver.di. Zehn Prozent Erhöhung werden auf drei Jahre verteilt. Rettungsassistent Sebastian Schuricht sagt deutlich, was ihn stört: "Der Tarifvertrag mit der DHV bringt uns ab 2019 eine Anhebung des jetzt schon lächerlichen Nachtzuschlags von 1,55 Euro pro Stunde auf 1,70 sowie die fadenscheinige Reduzierung der Arbeitszeit ab 2019 von 48 auf dann 46 Stunden."
Es ist schwer zu verstehen, warum innerhalb des DRK-Landesverbandes Sachsen die Kreisverbände so unterschiedliche Tarifverträge haben. Die Abschlüsse von Bautzen, Chemnitz, Hainichen, Döbeln und Aue-Schwarzenberg liegen deutlich über denen von Glauchau. Auch bei den aktuellen Verhandlungen in Dresden deutet sich Besseres und eine Annäherung an den DRK-Reformtarifvertrag an. Da sind beispielsweise allein die Nachtschichtzuschläge auf 2,55 Euro angehoben worden und Sonderzahlungen Pflicht.
In Glauchau ist für die Beschäftigten leider keine Entlastung in Sicht. 47 Beschäftigte hat der Rettungsdienst, eigentlich müssten es 50 sein, schätzt Sebastian Schuricht. Allein im Monat Juli waren meist vier bis fünf Kolleg/innen krank. Auch seien die Rettungswagen nicht vollständig so mit Material bestückt, wie es sein müsste.
Die Fluktuation ist groß
In den drei Städten Glauchau, Meerane und Waldenburg leben 35.000 Menschen, dazu kommen noch die in den Dörfern. Sie alle sind auf einen funktionierenden Rettungsdienst angewiesen. Um das zu sichern, sind dazu dringend benötigte technische Verbesserungen und vor allem ein langfristiges Personalkonzept erforderlich.
"Es ist kein Geheimnis, dass bei den Rettungsdiensten die Fluktuation groß ist", sagt Sebastian Schuricht. Über Jahre sei die Ausbildung junger Leute vernachlässigt worden. Umso schwerer sei zu verstehen, warum nicht auch der Glauchauer Arbeitgeber an Attraktivität zulege, um guten und motivierten Nachwuchs zu finden. Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt habe sich verändert, gute Leute seien rarer geworden.
Der 32-Jährige und seine motivierten Kollegen und Kolleginnen wünschen sich gut ausgebildete Mitstreiter, eine faire Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen, damit sie ihren Dienst für Hilfe suchende Menschen erfüllen können. Das wollen sie mit ver.di erreichen und keine Spaltung der Belegschaft durch den DHV.