Ausgabe 08/2017
Das Prinzip Gewaltenteilung
ver.di-Bundesvorstandsmitglied Dagmar König ist seit Oktober alternierende Vorsitzende des Vorstands der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund
Dagmar König
ver.di Publik - Nicht alle wissen es: Was bedeutet alternierend?
Dagmar König - In der Selbstverwaltung gibt es immer zwei Vorsitzende, einen von der Arbeitgeber- und einen von der Versichertenseite. Alternierend heißt, sie lösen sich ab und vertreten sich gegenseitig. Die jeweils andere Seite hat bei der DRV Bund in diesem Jahr den Vorsitz in den verschiedenen Ausschüssen des Vorstands. Das ist im Prinzip Gewaltenteilung, damit eine Seite nicht eigenständig durchregieren kann. Da ist man darauf angewiesen, gemeinsame Wege zu finden.
ver.di Publik - Wie ist die Zusammenarbeit mit der Arbeitgeberseite?
Dagmar König - In den Ausschüssen ist es weitestgehend einstimmig. Auch bei den Dingen, die der Vorstand entscheidet, hat es bislang meistens einen Konsens gegeben. Bei bestimmten Grundsatzfragen gibt es durchaus Differenzen. Das sind aber häufig Fragen, bei denen wir nur Beratungsbefugnisse haben.
ver.di Publik - Kannst Du ein Bespiel dafür nennen?
Dagmar König - Die DRV Bund ist derzeit finanziell relativ gut aufgestellt, dank der guten Wirtschafts- und Beschäftigungslage. Wenn die sogenannte Nachhaltigkeitsrücklage eine bestimmte Grenze überschreitet, sehen die Gesetze vor, dass der Beitrag zur Rentenversicherung gesenkt werden muss, in diesem Fall Anfang kommenden Jahres um 0,1 Prozentpunkt. Die Arbeitgeber finden das ganz klasse. Wir Versichertenvertreter eher nicht, denn es ist keinem Versicherten klar zu machen, dass er jetzt bei 3.000 Euro Einkommen 1,75 Euro im Monat spart, dafür aber später gesagt bekommt, dass das Rentenniveau jetzt gekürzt werden muss. Wir können die Senkung zwar nicht verhindern, aber dafür sorgen, dass die DRV Bund nicht sagt, dass sie das gut findet.
ver.di Publik - Bei welchen Themen entscheiden der Vorstand und seine Ausschüsse?
Dagmar König - Bei Stellenplänen zum Beispiel oder beim Einsatz neuer Techniken. Zu unseren Entscheidungen gehören auch Fragen von Bauvorhaben. Das klingt erst einmal alles sehr bürokratisch. Aber die Qualität der möglichen Serviceleistungen für die Versicherten hängt weitgehend davon ab, dass man effiziente und möglichst gut aufgestellte Verwaltungen hat. Bei Leitungs- und Führungspositionen ab einer bestimmten Ebene entscheiden wir auch.
ver.di Publik - Was zählt noch dazu?
Dagmar König - Wir verändern die Profile unserer Kliniken. Gerade in den vergangenen Jahren hat sich die Art der Erkrankungen stark verschoben. Früher waren es überwiegend Muskel-Skelett-Erkrankungen, inzwischen gibt es deutliche Verschiebungen zu psychosomatischen und psychischen Erkrankungen.
ver.di Publik - Gibt es keine Konflikte innerhalb des Vorstands?
Dagmar König - Doch. Ich nehme mal ein Beispiel, das aber vor meiner Zeit war. Da ging es um unsere eigenen Reha-Einrichtungen. Natürlich kann man manche Leistungen billiger einkaufen. Die Frage ist nur, was wichtiger ist: der Preis oder die Qualität? Im Ergebnis hat man versucht, die eigenen Kliniken besser aufzustellen, sodass sie mit ihren Tagessätzen konkurrenzfähig sind. Aber wir haben uns dazu entschlossen, die eigenen Kliniken zu behalten.
ver.di Publik - Was hast Du Dir persönlich für dieses Amt vorgenommen?
Dagmar König - Mir ist ganz wichtig, den sehr engen Draht zum Personalrat und den Beschäftigtenvertretungen zu pflegen. Der enge Schulterschluss zu ihnen muss Basis unseres Handelns sein. Ich war bereits bei einer Personalversammlung und habe mich vorgestellt. Als ich das der Verwaltung gesagt habe, haben die angemerkt, das sei hier nicht üblich. Da habe ich gesagt: Jetzt schon! Ich bin die neue Vorsitzende, da haben die Beschäftigen einen Anspruch darauf, dass ich mich vorstelle, denn ich bin im Vorstand einer Gewerkschaft, die die Leute organisiert, die hier arbeiten.
ver.di Publik - Entstehen aus der Position der Versicherten, die Dich gewählt haben, und den Interessen der Beschäftigten nicht auch Konflikte?
Dagmar König - An bestimmten Stellen ist beides abzuwägen, da können die Interessen von Beschäftigten andere sein als die von Versicherten. Dabei bin ich immer im Spagat, den mache ich auch deutlich. Wir sind als Selbstverwalter/innen kein verlängerter Arm der Beschäftigten. Wir sind bei den Sozialwahlen von den Versicherten gewählt worden. Die DRV kann nur gute Leistungen für die Versicherten erbringen, wenn die Beschäftigten mit ihrem Arbeitsplatz zufrieden sind.
ver.di Publik - Siehst Du darin eine besondere Verpflichtung für Selbstverwalter/innen aus einer Gewerkschaft?
Dagmar König - Für Selbstverwalterinnen und Selbstverwalter, die aus dem gewerkschaftlichen Spektrum kommen, ist es nach meiner Überzeugung eine Selbstverständlichkeit, den Kontakt zu den Beschäftigten zu suchen - und ihnen im Zweifelsfall auch mal zu erklären, warum bestimmt Dinge nicht gehen.
ver.di Publik - Wie kommst Du an Infos?
Dagmar König - Der Blick, den die Verwaltung auf die Probleme der Beschäftigten hat, ist naturgemäß ein anderer als der der Beschäftigten, die mit bestimmten Entscheidungen umgehen müssen. Ich habe den großen Vorteil, dass ich neben dem Kontakt zum Personalrat eine Reihe von Beschäftigten kenne, die auf unterschiedlichen Ebenen der DRV Bund arbeiten, sodass ich sehr wohl von der Basis das eine oder andere höre. Das hilft ungemein.
Interview: Heike Langenberg
Alle sechs Jahre
... wählen die Versicherten bei den Sozialwahlen ihre Vertreter/innen für die Versichertenparlamente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Kranken- sowie der Unfallkassen. Bei der Deutschen Rentenversicherung Bund ist ver.di die zweitstärkste Liste. ver.di-Bundesvorstandsmitglied Dagmar König wurde zur alternierenden Vorsitzenden gewählt.