Was hat die Gesellschaft so verändert, dass Rettungskräfte ihre Arbeit nicht mehr tun können?

Den Weg versperren, anpöbeln, beschimpfen, rempeln, schlagen. Übergriffe dieser Art auf Rettungskräfte häufen sich. Das Thema hat eine völlig neue Dimension bekommen. Den Rettungskräften reicht es jetzt. Sie fordern mehr Respekt. In Frankfurt gingen 250 von ihnen bei eisigen Temperaturen dafür auf die Straße. Unter den Demostranten waren auch viele solidarische Bürgerinnen und Bürger. Mit an vorderster Stelle dazu aufgerufen hat Erik Brumm, Personalratsvorsitzender der Frankfurter Feuerwehr und ver.di-Mitglied.

ver.di publik: Du bist derjenige, der die Demonstration maßgeblich auf die Beine gestellt hat. Was hat dich, was hat die Rettungskräfte angetrieben, die Respektlosigkeiten jetzt so engagiert anzugehen?

ERIK BRUMM: Es gibt verschiedene Gründe. Einmal, um der Bevölkerung deutlich zu machen, was in uns vorgeht, und dass uns die Vorgänge reichen. Wir wollen vernünftig behandelt werden. Die Bevölkerung will von uns ja Hilfe. Die Frage, die sich für uns stellt, ist: Wenn uns jemand ruft, damit wir professionell Hilfe leisten, warum behindert er uns dann bei unserer Arbeit? Das ist nicht nachvollziehbar für uns. Denn wenn wir uns vernünftig vorbereiten auf Notfallsituationen, die jedes Mal neu für uns sind, müssen wir uns jetzt zusätzlich Gedanken machen, was uns an der Einsatzstelle erwartet, vom Umfeld her. Das ist nichts, womit wir uns beschäftigen wollen.

ver.di publik: Wie häufig kommen solche Dinge vor? Kann man das beziffern?

BRUMM: Es geht gar nicht um die Häufigkeit. Es geht darum, wie wir wahrgenommen werden in der Bevölkerung. Früher bist du in voller Montur mit deinem Equipment durch die Menge gelaufen, zum Beispiel in eine Bahnstation rein, da haben die Menschen dir Platz gemacht. Heute interessiert es niemanden mehr, ob wir dort zum Einsatz laufen. Mittlerweile musst du dir Platz schaffen, damit du an den Ort kommst, an dem wir gebraucht werden. Das ist erschreckend. Denn wir sind ja klar und deutlich erkennbar als Feuerwehrleute oder Rettungsdienstler.

ver.di publik: Bekommst du als Personalrat Berichte von Tätlichkeiten und Behinderungen auf den Tisch?

BRUMM: Wenn es zu Tätlichkeiten kommt, ja, weil dies ein Dienstunfallgeschehen ist, das wir bearbeiten müssen. Aber Übergriffe und Behinderungen sind natürlich das große Thema in Gesprächen auf den Feuerwachen und bei Schulungsmaßnahmen. Wir machen uns sogar im Amt in einer Arbeitsgruppe Gedanken darüber, wie wir in Zukunft mit solchen Gefährdungssituationen umgehen. Das ist schon eine neue Dimension von Umgang mit Helfenden.

ver.di publik: Was wird denn da überlegt?

BRUMM: Unser Ansatz im Personalrat muss natürlich sein, dass zuallererst der Kollege geschützt ist. Aber auch, dass der Mitarbeiter dafür sensibilisiert wird, wie er mit so einer Situation umgehen kann. Deeskalieren, gucken, woran liegt es vielleicht, also Hintergründe erkennen. Dem Dienstherrn machen wir gleichzeitig klar, dass er vor seinen Mitarbeitern stehen muss. Denn wenn sich ein Kollege schützt in einer Gefahrensituation, dann kann es nicht sein, dass er dafür an den Pranger gestellt wird und ihm unterlassene Hilfeleistung vorgeworfen wird. Es muss klar sein, dass die Bedrohungslage der Ursprung ist und dass der Mitarbeiter angemessen reagieren muss, um seinen körperliche Unversehrtheit zu wahren oder gar sein Leben zu schützen.

Erik Brumm

ver.di. publik: Was kann das heißen? Muss der Feuerwehrmann gegebenenfalls zurückschlagen?

BRUMM: Nein, das ist das schlechteste. Er könnte sich verbal wehren oder, und das ist für uns Helfer von Brisanz, sich aus der Situation zurückziehen. Denn wenn wir nicht helfend tätig werden, dann haben wir wieder den schwarzen Peter, denn das ist ja unser Job, wir sind ja verpflichtet zu helfen.

ver.di publik: Was geht in den Kollegen vor, wenn sie von Behinderungen am Einsatzort erzählen?

BRUMM: Die fragen sich, woran es liegen kann, was sich gerade verändert in unserer Gesellschaft. Ist es so, dass die Jugend, die häufig involviert ist, respektloser agiert? Ebenso Ältere. Früher gab es einen gesellschaftlichen Konsens: Rettungskräfte werden nicht an der Ausübung ihrer Tätigkeit gehindert, sie wurden respektiert. Heute stehst du immer in der Öffentlichkeit. Überall werden Fotos mit dem Smartphone gemacht. Wenn du einen Fehler machst, läuft vielleicht gerade eine Kamera, jemand ruft von außen was rein, die Stimmung wird angeheizt. Wir fragen uns: Wenn wir nicht gebraucht werden, warum rufen sie uns dann? Wenn sie uns aber rufen, warum lassen sie uns nicht unsere Arbeit machen?

ver.di publik: Was kann die Gewerkschaft tun? Was erwartet ihr?

BRUMM: Die Gewerkschaft kann sich ähnlich wie wir im Amt als Personalrat schützend einsetzen für die Kollegen. In allererster Linie können wir als Gewerkschaft aber das Thema in die Politik tragen und in die Gesellschaft, wie wir das mit der Demo jetzt auch getan haben.