Ausgabe 04/2018
Leerstand mit Leben füllen
Hausbesetzung im Stadtteil Heslach
Im Südwesten der Republik brodelt es. In Stuttgart sind die Mieten bei Neuvermietungen seit 2009 um 40 Prozent gestiegen. Aktuell sind in der Stadt 4.000 Menschen von Wohnungslosigkeit betroffen, aber gleichzeitig stehen rund 11.000 Wohnungen leer – viele davon seit Jahren. Es sind Objekte reiner Spekulationsgeschäfte. In der Kesselstadt Stuttgart sind Wohnungsnot und steigende Mieten für immer mehr Menschen eine Bedrohung.
Um auf den Missstand aufmerksam zu machen und ganz konkret Leerstand zu beheben, haben Ende April mehr als hundert Menschen die Initiative ergriffen und bis dahin leerstehende Wohnungen im Stadtteil Heslach besetzt. Zwei Familien sind mittlerweile mit Kind und Kegel in die Räumlichkeiten eingezogen und haben sich dort ein neues Zuhause errichtet. Nachbarinnen und Nachbarn unterstützen die Wohnungsbesetzung mit Möbelspenden oder bringen Essen und Getränke vorbei. Bei Hoffesten beteiligen sich hunderte Menschen, viele haben eine Solidaritätserklärung unterzeichnet. Ende Mai wurden die Wohnungen geräumt.
Das Problem ist das System
„Wir beschäftigen uns als Bezirk schon seit längerem mit dem Thema Wohnen, weshalb wir auch aktiv im Bündnis Wohnen in Stuttgart mitarbeiten”, sagt ver.diGeschäftsführer Cuno Brune-Hägele. Steigende Mieten, Leerstand, Verdrängung aus den Innenstadtbezirken. Das sind keine Einzelfälle, sondern betrifft immer mehr Menschen und hat System. Die Profiteure von diesem System sind Immobilienfirmen, Banken und Spekulanten.
Grund für all das ist ein Wohnungsmarkt, der nicht den Bedürfnissen der Menschen dienen soll, sondern nur auf den größtmöglichen Profit hin ausgerichtet ist. Und den macht man nun mal nicht mit bezahlbarem Wohnraum für Normal- und Geringverdiener, sondern mit Immobilien im höherpreisigen Segment.
Von der Stadt und der Landesregierung kommt dabei seit Jahren nichts als Lippenbekenntnisse, leere Versprechungen und Reformen, die praktisch nichts wert sind, wie etwa die Mietpreisbremse. Im Gegenteil: Mit dem Ausverkauf von ehemals städtischen Wohnungsbaugesellschaften und der gezielten, stadtplanerischen Aufwertung von ganzen Vierteln, wurde und wird den Investoren Vorschub geleistet.
Die Wohnungsfrage ist eine soziale und politische Frage. Und Wohnen vor allem ein Menschenrecht. Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer, Leiharbeit und prekäre Beschäftigung nehmen zu, Pflegenotstand und Rechtsruck wachsen sich aus. Nicht zuletzt deshalb muss der Kampf gegen die Verdrängung von Menschen mit niedrigeren Einkommen aus den Innenstadtvierteln mit vielen weiteren Auseinandersetzungen verknüpft werden.
Es darf nicht sein, dass manche Mieter/innen inzwischen die Hälfte ihres im Monat verfügbaren Geldes für die Miete ausgeben müssen. Die Kaltmiete beträgt heute häufig mehr als ein Drittel dessen, was zum Beispiel Familien im Monat zur Verfügung haben.