Das Handelsabkommen folgt vor allem Konzerninteressen

Michael Fischer leitet den Bereich Politik und Planung bei ver.di

Dann eben mit Japan? Nach dem einstweilen ergebnislosen Ende der Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA ist die EU-Kommission offenbar bemüht, andere Bündnispartner in der Handelspolitik zu finden. Ohne dabei allerdings den Kurs zu wechseln. Im Juli wurde das „Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und Japan“, kurz JEFTA, in Tokio unterzeichnet. Ein „starkes Signal an die Welt gegen Unilateralismus und Protektionismus“ nannte es die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström. Das Abkommen für einen Wirtschaftsraum, der fast ein Drittel des globalen Bruttosozialprodukts erwirtschaftet, soll der Europäischen und Japanischen Wirtschaft einen Wachstumsschub bescheren. Davon würden Unternehmen, Beschäftigte und Bürger/innen profitieren, so EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

Betont wird in den offiziellen Verlautbarungen, dass JEFTA einen Beitrag zur Aufrechterhaltung der höchsten Standards des Arbeits-, Umwelt- und Verbraucherschutzes leiste. Doch das Abkommen der EU mit Japan folgt letztlich der selben Logik wie TTIP, nämlich über den Abbau von Handels- und Investitionshemmnissen Märkte zu vereinheitlichen und geografisch auszuweiten, woraus automatisch Wohlstandsgewinne für alle Beteiligten resultieren würden. Gezielt wird allerdings nicht nur auf Zölle, sondern auch auf sogenannte nicht-tarifäre Handelshemmnisse wie Standards und Regulierungen. Auch in Bereichen wie Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz. Ob daraus entsprechende Vorteile für Beschäftigte, Bürger/innen und Verbraucher/innen entstehen, ist zweifelhaft.

Wenn im Rahmen dieser Abkommen Gremien zur regulatorischen Kooperation eingerichtet werden, mit unklaren Befugnissen im Verhältnis zu parlamentarisch-demokratischen Gremien, wird es demokratietheoretisch heikel. Ebenso problematisch ist der Liberalisierungsdruck auf die öffentliche Daseinsvorsorge durch Negativlisten: JEFTA gilt automatisch für alle Bereiche, die nicht in gesonderten Anhängen explizit von der Geltung ausgenommen sind. Es irritiert zudem, dass die Vereinbarungen zur Wasser- und Abwasserwirtschaft hinter dem europäisch-kanadischen Abkommen CETA zurückbleiben, das die EU-Kommission als „Gold-Standard“ lobt. Negativliste heißt zudem, dass solche Abkommen auch für Wirtschaftsaktivitäten gelten, die heute noch gar nicht bekannt sind. So war es auch bei den Verhandlungen zu TTIP. Da gingen hunderttausende Menschen auf die Straßen, die gegen eine völkerrechtliche Entdemokratisierung zugunsten internationalen Kapitals protestierten. Dass diese Proteste bei JEFTA bislang ausblieben, verdankt sich neben sehr „diskreten“ Verhandlungen der EU anscheinend der erfolgreichen Etablierung eines Gegensatzes zwischen protektionistischem Nationalchauvinismus à la Trump und (neo-)liberaler Handelspolitik der EU. Als ob es nicht die Alternative einer sozial gerechten und ökologisch nachhaltigen Handelspolitik gäbe.

Tatsächlich sind in JEFTA Vereinbarungen hinsichtlich der Sicherung arbeits-, sozial-, gesundheits- oder umweltpolitischer Standards enthalten – dank anhaltender gewerkschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Proteste gegen die bislang neoliberal ausgerichtete Handels- und Investitionspolitik der EU. Immerhin. Doch diese Vereinbarungen stehen unter dem Vorbehalt, dass sie, wie es etwa zu Gesetzen und Vorschriften in den Bereichen Umwelt und Arbeit heißt, nicht in einer Art und Weise angewandt werden, „die [...] auf eine verschleierte Beschränkung des internationalen Handels hinauslaufen würde“. Ein wichtiger Hinweis, damit kein Missverständnis entsteht, welche Interessen Vorrang bei diesen Abkommen haben, bei deren Aushandlung nahezu ausschließlich Konzernlobbyisten konsultiert wurden.

Mit der Unterzeichnung vom Juli ist JEFTA noch nicht in Kraft. Zuvor ist eine Abstimmung im EU-Parlament erforderlich, die bis Ende 2018 erfolgen soll. Das ist die letzte Gelegenheit, um notwendige Korrekturen an dem Abkommen vorzunehmen. Oder gleich einen echten Kurswechsel in der internationalen Handels- und Investitionspolitik einzuleiten, der Arbeits-, Sozial-, Gesundheits-, Umwelt- und Verbraucherschutzstandards in den Vordergrund stellt, anstatt sie mit zweifelhaften Instrumenten um die Interessen exportorientierten Kapitals herum zu drapieren und ihnen letztlich doch unterzuordnen.

Es bleibt unverzichtbar, sich für eine sozial gerechte und ökologisch nachhaltige Globalisierung zu engagieren.

Als ob es nicht die Alternative einer sozial gerechten und ökologisch nachhaltigen Handelspolitik gäbe