Ausgabe 03/2019
Das hat geknallt
Landesbezirksleitung bleibt unverändert: Angelika Kappe (links), Jürgen Bothner und Cornelia Kröll
LOVE steht in fetten, weißen Lettern auf dem schwarzen Kapuzenpulli des jungen Mannes mit Brille und Basecap. RIOT hätte vielleicht besser gepasst. Denn nachdem er seinen Antrag eingebracht hat, ist nichts mehr wie geplant an diesem ersten Tag der 5. Landesbezirkskonferenz von ver.di Hessen. Sie war am Vormittag im „Lufthansa Training and Conference Center” im südhessischen Seeheim-Jugenheim gestartet. Dass sie ausgerechnet am internationalen Frauentag stattfinden musste, liegt am großen Zeitplan aller ver.di-Konferenzen. Die Frauen nutzen das kreativ. Viele von ihnen und einige Männer tragen lila Kleidung oder setzen lila Akzente mit Schlips, Hemd oder Schal. In der Halle vor dem Konferenzsaal hängen an einer Leine aufgespannt bunte Wimpel mit frauenpolitischen Forderungen. Gelbe Pappsprechblasen mit den Forderungen werden in der Konferenz gezeigt. Die Vorsitzende des ver.di-Landesfrauenrats, Mathilde Meyer, spricht. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist noch immer nicht selbstverständlich, sagt sie. Und dass die Hürden für Frauen noch immer höher sind. Allen jahrzehntelangen Forderungen zum Trotz.
Sitzung jäh unterbrochen
In der Tagesordnung folgen zunächst die Gremienwahlen. Sie sind zügig erledigt. So wird die hauptamtliche Führungsspitze, die Landesbezirksleitung, mit gemischtem Ergebnis im Amt bestätigt. Die vorgeschlagene Liste für den 38-köpfigen ehrenamtlichen Landesbezirksvorstand wird ebenfalls von der Konferenz gebilligt. Dann sind die Personenvorschläge für den Bundeskongress an der Reihe. Wer fährt sieben Tage nach Leipzig und diskutiert dort mit über 1.000 anderen Delegierten? Eine Liste liegt vor. Drei sichere Plätze, jeweils zwei Ersatzleute.
Joshua Kloth
Hier kommt der junge Mann mit dem schwarzen Kapuzenpulli, auf dem LOVE steht, wieder ins Spiel. Joshua Kloth, 24 Jahre alt, frisch in den Landesbezirksvorstand gewählt, prescht als Sprecher nach vorn und fordert für die Jugend, ver.di-Mitglieder bis 28 Jahre, einen ersten, also sicheren Delegiertenplatz. Tadaa! Ein Paukenschlag. Die Versammlung ist jäh aus der Routine gerissen. Das hat es lange nicht gegeben. Dass Listen mit Gegenvorschlägen torpediert werden. Was nimmt sich die Jugend da raus? Die Sitzung wird zur Beratung unterbrochen. Einzelne Gruppen verlassen den Saal. Jetzt muss Stimmverhalten besprochen werden. Was spricht dafür, was dagegen? Lebhafte Demokratie findet statt. Die Stimmung ist alles zugleich: erhitzt, nachdenklich und leicht genervt. Am Ende setzt die Jugend sich durch. Ihre Delegierte fährt nach Leipzig. LOVE rules, Liebe beherrscht das Spiel.
200 Anträge beraten
Der zweite Höhepunkt an diesem Tag ist die Grundsatzrede von Frank Bsirske. Für den scheidenden Bundesvorsitzenden ist es eine Abschiedstournee. Er spricht über die nachlassende Tarifbindung im Lande und dass heutzutage Arbeitgeber Tarifverhandlungen leiten, die zwar im Arbeitgeberverband, aber mit ihrem Betrieb selbst gar nicht im Tarif sind.
Den zweiten Konferenztag eröffnet dann der andere Frank. Frank Werneke, der designierte Bundesvorsitzende, präsentiert sich den Delegierten mit Wortwitz. Das kommt gut an.
Derart eingestimmt geht es zur Beratung der über 200 Anträge. Es liegen vor: Anträge unter anderem zur Verhinderung von Altersarmut, zum Thema Rente, die zum Leben reicht, es geht um diskriminierungsfreie Tarifverträge, um den Lohnsteuerservice und um vieles mehr. Die Antragsberatungskommission hat gründlich vorgearbeitet. Zu jedem einzelnen Antrag hat sie eine Beschlussempfehlung gegeben. Viele können im Block abgestimmt werden, andere wiederum werden diskutiert. Auch hier bringt sich die Jugend wieder mit viel Leidenschaft ein. Sie fordert per Initiativantrag (spontan in der Sitzung eingebracht, ist an bestimmte Bedingungen geknüpft) mehr Mitbestimmung bei Stellenbesetzungen ihrer hauptamtlichen Betreuungssekretär*innen. Die Jugend ist da, bei ver.di Hessen. Stimmgewaltig. LOVE. Mehr zur Landesbezirkskonferenz: hessen.verdi.de/brennpunkt/organisationswahlen-2018-2019