Am 23. Juli hat ein Gericht in Madrid entschieden, dass die Firma Roofoods Spain 523 entlassene Mitarbeiter*innen wieder einstellen muss. Besser bekannt ist Roofoods unter der Marke Deliveroo. Und für diesen Online-Anbieter hatten die gekündigten Fahrradkuriere von Oktober 2015 bis Juni 2017 in Madrid Essen ausgeliefert. Nach Auffassung des Gerichts waren die angeblich Selbstständigen tatsächlich abhängig Beschäftigte. Das Urteil stellt Deliveroos Beschäftigungspraxis grundsätzlich in Frage und kommt das Unternehmen erst einmal teuer zu stehen. Der spanische Ableger des britischen Lieferdienstes soll für die sogenannten Riders Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 1,2 Millionen Euro nachzahlen.

Eine Anzeige der staatlichen Sozialversicherungsanstalt TGSS gegen Roofoods nach einer Betriebsprüfung hatte das Verfahren ausgelöst. Das Madrider Gericht stellte nun fest, dass die Kuriere ihre Arbeit unter „durch die Firma organisierten und bestimmten Bedingungen verrichteten“. Roofoods übe die vollständige Kontrolle „über die Marke Deliveroo, die entsprechende Web-App und die darüber erhaltenen Informationen“ aus. Anders als bei einzeln tätigen Selbstständigen weise die Firma den Kurieren die Aufgaben zu und ermögliche den Zugang zu den Arbeitsmitteln. Und Fahrer*innen seien für den Job auch ausgebildet worden.

Lieferdienst zeigt keine Einsicht

Roofoods will gegen das Urteil in Revision gehen. Die Unternehmensführung beharrt darauf, dass die Kuriere Freiberufler*innen seien. Diese könnten „selbst entscheiden, ob, wann und wie viel sie arbeiten möchten und auch für wen“. Für die Branche fordert Roofoods eine Neuregelung der Gesetze. Dann könnten „die Firmen den autonomen Riders mehr Sicherheit bieten“, ohne die „von den Riders selbst gewünschte Flexibilität zu gefährden“, heißt es in einer Stellungnahme zu dem Urteil.

Felipe Diez, ehemaliger Deliveroo-Mitarbeiter, sagt, von Flexibilität könne keine Rede sein. „Man muss sehr viel arbeiten, sofern genügend Aufträge da sind.“ Vor einigen Monaten hat Deliveroo auch ihm gekündigt. Diez klagt gegen seine Kündigung, seinen Gerichtstermin hat er im November. Diez gehört der in ganz Spanien aktiven Plattform „Ridersxde-rechos“ (Rechte für Riders) an. Das Urteil vom Juli stimmt ihn optimistisch: „Das ist für uns von großer Bedeutung.“

Derzeit schreibt der Student an seiner Doktorarbeit in Soziologie, das Thema: die Arbeitsverhältnisse der Riders. Diez sagt, dass die meisten Fahrer*innen Migrant*innen sind: „Viele können es sich nicht leisten, diesen Job zu riskieren.“ Die von Deliveroo, Foodora und Co. gewünschte Deregulierung lehnt er ab: „Wir sind normale Kuriere, und Gesetze, die unsere Arbeit regeln, gibt es bereits.“

Essenskuriere ohne Arbeitsverträge sind in den traditionellen Gewerkschaften noch wenig vertreten. Die Unión General de Trabajadores (UGT), die Gewerkschaft der Arbeiter*innen, vertrat 60 der Madrider Riders, die wieder eingestellt werden müssen. Rubén Ranz von der UGT glaubt, dass die juristischen Auseinandersetzungen bis zu einem unanfechtbaren Abschluss „noch mindestens vier Jahre brauchen“. Er sagt: „Deliveroo schuldet dem Staat mehr als zehn Millionen Euro an Sozialversicherungsbeiträgen. Für die Riders muss endlich der Dienstleistungs-Tarifvertrag für Zusteller gelten.“ Die Chancen, darauf sind so schlecht nicht, Plattformen wie Uber und Cabify mussten ihn bereits akzeptieren. Carmela Negrete Aus Deutschland hat sich Deliveroo Mitte August ganz zurückgezogen. Die Konkurrenz war zu groß.