In der Männer-Republik

Frauen in der Politik scheinen selbstverständlich. Das Land wird seit fast 15 Jahren von einer Kanzlerin regiert, es gibt Parteivorsitzende, Ministerinnen. Der Journalist Torsten Körner hat jetzt mit seinem Buch eine Chronik des immer noch nicht beendeten Kampfes um politische Gleichberechtigung vorgelegt, von der Gründung der Bundesrepublik bis heute. Das Spannende daran ist, dass er nicht die Lebensläufe ausgewählter Politikerinnen erzählt. Er zeigt vielmehr auf, wie Frauen in der Politik wahrgenommen und behandelt wurden.

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Und da ziehen sich Schenkelklopfen und Ignorieren bis in die heutige Zeit. Noch vor weniger als 20 Jahren verfolgten Bundeskanzler Gerhard Schröder, SPD, und sein Vize Joschka Fischer, Bündnis 90/Die Grünen, Reden der Oppositionsführerin Angela Merkel mit einer Körpersprache, die deutlich machte, dass mit diesem "Mädchen" nicht viel anzufangen sei, wie Körner schreibt.

Anlass für sein ausgesprochen lesenswertes Buch war für Körner eine Fernsehsendung zum 60. Geburtstag der Bundesrepublik. Darin kamen 52 Männer zu Wort – und nur drei Frauen. Körner beschloss, die Politikerinnen, die bis 2009 im Bundestag vertreten gewesen waren, mit seinem Buch sichtbar zu machen, "Stimmen aufzurufen, die sonst weggeschnitten wurden", wie er im Vorwort schreibt.

Denn Frauen waren aktiv, erkämpften sich ihren Platz, auch wenn immer wieder in der parlamentarischen, aber auch in der öffentlichen Wahrnehmung erst einmal danach geschaut wurde, wie sie aussahen, wie sie sich kleideten. Sexuelle Belästigung wurden nur selten thematisiert.

Klar wird auch, dass man in Sachen Gleichberechtigung nicht nur kritisch auf die Vergangenheit verweisen kann. Der Anteil von Frauen in den Parlamenten sinkt wieder. Im Bundestag macht er derzeit nur 30,7 Prozent aus, ist damit unter den von 1998 gerutscht.

Zu dem Buch läuft Anfang Mai auch ein Film von Torsten Körner an. Näheres dazu auf der Seite N7 in den Kinotipps. hla

Torsten Körner: In der Männer-Republik. Wie Frauen die Politik eroberten, Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln, 370 Seiten, 22 Euro, ISBN 978-3462053333

Die zerrissene Republik

Wer im real existierenden Kapitalismus die übrig gebliebenen demokratischen Werte und bescheidenen freiheitlichen Errungenschaften schützen und verteidigen will, sollte die Ursachen der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen kennen, die in diesen Zeiten wieder stramm Richtung Rechtsaußen drängen. Denn die wachsende Aggressivität, virtuell im Netz und real auf der Straße bis hin zu politisch motiviertem Mord und Totschlag, und die Wahlerfolge von nationalistisch-völkischen Kräften sind weder gottgegeben noch naturwüchsiger Art, sondern Folgen menschengemachter Politik.

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Einer der wenigen, der seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten wissenschaftlich den gesellschafts- und demokratiepolitischen Wechselwirkungen von Sozial- und Wirtschaftspolitik konsequent auf den Grund geht, ist der Hochschullehrer Christoph Butterwegge, der von 1998 bis 2016 an der Universität zu Köln Politikwissenschaft lehrte. Jetzt hat er ein neues Buch vorgelegt unter dem Titel "Die zerrissene Republik", das sich systematisch und umfassend mit der "wirtschaftlichen, sozialen und politischen Ungleichheit in Deutschland" befasst. Die wachsende Ungleichheit sei, so heißt es im Klappentext des Bandes, "das Kardinalproblem unserer Gesellschaft, wenn nicht der gesamten Menschheit". Und weiter: "Während daraus im globalen Maßstab ökonomische Krisen, Kriege und Bürgerkriege resultieren, die wiederum größere Migrationsbewegungen nach sich ziehen, sind in Deutschland der gesellschaftliche Zusammenhalt und die repräsentative Demokratie bedroht."

Der Autor rechnet – in wissenschaftlich fundierter Beweisführung – ab mit der neoliberalen Agenda-Politik der zurückliegenden Jahrzehnte und ihren verheerenden Auswirkungen auf eine freie Gesellschaft und die repräsentative Demokratie, zeigt aber unter den Stichworten "Abschottung gegen Armut" und "Abschöpfung des Reichtums" auch bessere Zukunftsaussichten für die zerrissene Republik auf. Die Lektüre dieses gedruckten Schwergewichts ist ein heftiges Stück Arbeit, aber mit der Aussicht auf den Lohn reicher Erkenntnis.

Henrik Müller

Christoph Butterwegge, Die zerrissene Republik – wirtschaftliche, soziale und politische Ungleichheit in Deutschland, Beltz Juventa, Weinheim/Basel, 414 Seiten, 24,95 Euro, ISBN:978-3779961147

Unsichtbare Frauen

Bei Medikamenten ist es schon lange bekannt: Sie werden überwiegend an Männern getestet. Entsprechend werden Wirkung und Wirkstoffe berechnet. Auch die Diagnose orientiert sich häufig noch am männlichen Körper, lässt vergessen, dass die Symptome von Frauen bei einem Herzinfarkt andere sind als bei Männern. Diese Orientierung am Mann kann in vielen Bereichen für Frauen sogar tötliche Folgen haben, wenn schusssichere Westen nicht passen oder Sicherheitsschuhe zu weit sind.

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Dass diese Orientierung keine Ausnahme ist, hat die Journalistin Caroline Criado Perez an vielen Beispielen weltweit recherchiert. "Unsichtbare Frauen" ist der Titel ihres Buches. Darin zeigt sie, dass sich Planungen, Produktion und Realität in der Regel an Männern ausrichten und dass es häufig weiße, berufstätige Männer sind, die das verantworten.

Die Auswirkungen sind weitreichend. Beispiel Stadtplanung: In vielen Großstädten führen die Wege direkt vom Rand ins Zentrum, egal ob mit öffent- lichen Verkehrsmitteln oder dem Auto. Ideal für jemanden, der von seinem Haus dort zum Arbeitsplatz in die City fährt. Doch wer die Sorgearbeit leistet, noch zusätzliche Wege zurücklegen muss, gerät damit meist ins Hintertreffen. Auch Planungen von Fuß- oder Radwegen werden zur Nebensache, das trifft vor allem Menschen, die nicht viel Geld für ihre Fortbewegung ausgeben können.

Ein Buch über den männerdominierten Alltag, das zeigt, was für ein komplexes System dahinter steht und wie schwierig, aber auch wie wichtig Änderungen sind. Was Caroline Criado Perez am Beispiel der Frauen akribisch recherchiert, gilt übrigens auch für viele andere Gruppen in unseren Gesellschaften. Die Vielfalt, die die Gesellschaft ausmacht, spiegelt sich im Alltag oft nicht wider. hla

Caroline Criado Perez: Unsichtbare Frauen. Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert, übersetzt von Stephanie Singh, btb-Verlag, München, 496 Seiten, 15 Euro, ISBN 978-3442718870