ver.di publik: Tourismusministerium, Unternehmerverbände und Gewerkschaften haben 21 Protokolle für die Tourismusbranche in Zeiten der Pandemie ausgehandelt. Was haben die Gewerkschaften dabei erreicht?

Chema Martínez: Am wichtigsten ist die Neueinstufung von Risiken und Belastungen an den Arbeitsplätzen. Um die neuen Hygiene- und Kontaktvorschriften umzusetzen, werden überall Sicherheitskomitees eingerichtet, an denen die Arbeitnehmer beteiligt sind, auch dort, wo es keinen Betriebsrat gibt. Das betrifft auch die Subunternehmen.

ver.di publik: Mit den Protokollen hat die Gewerkschaft eine Art Mitbestimmung zumindest in Krisenzeiten erreicht.

Martínez: Unser Arbeitsrecht sah auch bisher Komitees zur Arbeitssicherheit vor, in denen Unternehmen und Belegschaft vertreten sind. In den großen Unternehmen hat dies weitgehend funktioniert. Nicht so in den ausgelagerten Bereichen. Die Protokolle ändern das jetzt. Aber wir sollten uns nicht täuschen lassen. Spanien ist ein Land von Klein- und Kleinstunternehmen. Und dort wird es nicht leicht, all das umzusetzen. Deshalb müssen wir eng mit der Verwaltung zusammenarbeiten und zum Beispiel Qualitätssiegel in Sachen Covid-Bekämpfung fördern. Das spricht die Kunden an. Sie erfahren von den Sicherheits- und Hygienegarantien und fordern sie dann auch ein.

Chema_Martine.jpg
Chema Martínez (57), Generalsekretär Dienstleistungsgewerkschaft im Dachverband CCOOFoto: Reiner Wandler

ver.di publik: Erstmals in einer so schweren Krise gab es keine Entlassungen, sondern umfangreiche Hilfen für Kurzarbeit.

Martínez: Es ist das zweite Mal, dass wir in der Tourismusbranche weitreichende Kurzarbeitsprogramme ausgehandelt haben. Das erste Mal war in der Eurokrise 2012. Aber nur wenige Tage nach der Einigung von Unternehmern und Gewerkschaften reformierte die konservative Regierung das Arbeitsgesetz und machte Entlassungen billiger. Kurzarbeit war damit für viele Unternehmen keine Option mehr. Die jetzige Regierung untersagte Entlassungen, solange es Hilfe für Kurzarbeitsprogramme gibt. Per Gesetz gilt der Kündigungsschutz weitere sechs Monate nach Ende der Kurzarbeit.

ver.di publik: Haben sich die Beschäftigten in der Tourismusbranche in der Krise mehr an die Gewerkschaften gewandt als üblich?

Martínez: In den ersten Wochen der Krise standen die Telefone nicht still. Danach sind wir dann gezielt auf Mitglieder zugegangen, haben sie angerufen. Mit sehr gutem Ergebnis. Viele einfache Mitglieder, die normalerweise die Gewerkschaft als so eine Art Versicherung sehen, haben sich bereit erklärt, Betriebsräte aufzubauen, wo es bisher keine gibt. Und im gesamten Dienstleistungsbereich nimmt die Zahl der Mitglieder langsam, aber stetig zu.

Interview: Reiner Wandler