Das hatte Stina A. (Name geändert) vor sieben Jahren nicht geahnt, dass sie einmal mit Hilfe von ver.di gegen ihren Arbeitgeber vor Gericht würde ziehen müssen. "Ich bin ver.di-Mitglied geworden, weil wir am Arbeitsplatz diverse Probleme hatten und ich streiken wollte", sagt sie rückblickend. An einen Prozess, bei dem es um den wohlverdienten Lohn geht, habe sie nicht gedacht. Doch dann fehlten plötzlich die gewohnten Tariferhöhungen. "Aus meinem Empfinden ist es aber nur gerecht, wenn es Sicherheit für alle und auch gleichen Lohn für alle gibt", sagt Stina. "Wer sich bewirbt, sollte wissen, was er verdient und sich darauf verlassen können." Genau das war 2017 beim Landessportbund Bremen (LSB) nicht mehr der Fall.

Seit Mitte der 1980er Jahre hatte der LSB noch stets die Tariferhöhungen im Öffentlichen Dienst an seine Beschäftigten weitergegeben, ganz ohne Tarifvertrag. Doch damit sollte plötzlich Schluss sein. Das Präsidium beschloss, Personalkosten zu sparen. Da Stina A. ver.di-Mitglied ist, stand ihr Rechtsschutz zu. Sie klagte mit Hilfe der DGB Rechtsschutz GmbH. In erster Instanz ging es vors Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven. Dabei zeigte sich, der Rechtsstreit hatte so seine Tücken, denn es ging um eine jahrzehntelange Praxis und lang zurückliegende Aussagen des Arbeitgebers.

DGB-Rechtsschutzsekretär Thomas Schlingmann aus Bremen legte dem Gericht mehrere mit "Haustarif" überschriebene Mitteilungen des Arbeitgebers vor. Sie betrafen den Zeitraum 1986 bis 1994 und waren vom Präsidium des LSB erstellt worden. "Die Mitteilungen enthielten die Regelung, die Gehälter würden zum gleichen Prozentsatz und zum selben Zeitpunkt erhöht, wie das im Öffentlichen Dienst geschehe", sagt Schlingmann. Die Klägerin habe deshalb auf die Erhöhung ihres Entgelts vertraut.

Das Arbeitsgericht gab ihr Recht und begründete in erster Instanz, die vom Arbeitgeber allgemein ausgedrückte Gesamtzusage an die Beschäftigten, die Tariferhöhungen im Öffentlichen Dienst weiterzugeben, sei "ergänzender Bestandteil des Arbeitsvertrags" geworden. Da die Zusage des Arbeitgebers regelmäßig wiederholt wurde, sollte sie auch für alle später hinzugekommenen Beschäftigten gelten. Der LSB blieb da anderer Meinung und legte Berufung ein.

Runde zwei

Das Landesarbeitsgericht Bremen-Bremerhaven veranlasste schließlich eine umfangreiche Beweisaufnahme: Ehemalige Mitarbeiter des LSB wurden geladen, wie etwa Geschäftsführer, Personalleiter und Betriebsratsvorsitzende. Das Gericht wollte klären, ob der "Haustarif" mit der Regelung zur Weitergabe der Tariferhöhungen den Beschäftigten tatsächlich bekannt gegeben worden war. Doch allesamt waren die Zeugen zwischenzeitlich in Rente und hatten aufgrund des Zeitablaufs erhebliche Erinnerungslücken. Immerhin ging es um Vorgänge, die teilweise 30 Jahre zurücklagen.

"Nach der Beweisaufnahme blieb fraglich, ob von einer Gesamtzusage des Arbeitgebers auszugehen ist", sagt Rechtsschutzsekretär Schlingmann. "Ich habe deshalb mit einer abweichenden Begründung weitergemacht." Dabei sei es darum gegangen, deutliche Anhaltspunkte im Verhalten des Arbeitgebers dafür zu sehen, dass dieser die Tariflohnerhöhungen auch ohne das Bestehen einer tarif- oder arbeitsvertraglichen Verpflichtung auf Dauer an die Beschäftigten weitergeben wollte. "Sogenannte betriebliche Übung seit den 1980er Jahren", so Schlingmann. Das Landesarbeitsgericht folgte seiner Argumentation und befand: "Anspruch wegen betrieblicher Übung."

Stina A. freut sich über das Urteil. "Ich bin Mitglied in ver.di geworden, um stärker zu sein. Das hat sich jetzt bewährt." Für die Zukunft wünscht sie sich, "dass noch mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ver.di eintreten. Damit wir stärker werden." Auch ihre Kolleg*innen können sich freuen. Von 23 Mitarbeitern haben zwei einen alten Vertrag und hatten von Anfang an einen Anspruch auf die Erhöhungen. Die anderen müssen nun nicht mehr selbst klagen. "21 Mitarbeiter*innen haben jetzt eine Nachzahlung bekommen", bestätigt die Betriebsratsvorsitzende Gabi Vogel.

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