5690592.jpg
Manch Besucher*in hat Mühe, die Zusammenhänge zwischen den Ausstellungsstücken zu verstehenFoto: dpa-bildfunk

Das Stasi-Museum in der "Runden Ecke" in Leipzig zieht pro Jahr rund 130.000 Besucher*innen aus aller Welt an. Das Museum ist eine wichtige Institution, in der man sich mit der jüngsten deutschen Geschichte und der friedlichen Revolution in der "Heldenstadt" beschäftigen kann. Doch seit Jahren gibt es immer wieder Streit um die in die Jahre gekommene Dauerausstellung. Museumsleiter und Trägerverein verweigern sich bislang allen Modernisierungsbestrebungen.

Entstanden ist die Ausstellung nach der Erstürmung der ehemaligen Zentrale der Staatssicherheit (Stasi) im Bezirk Leipzig im Dezember 1989. Bis zum August 1990 entwickelte der Verein Leipziger Bürgerkomitee die Dauerausstellung "Stasi. Macht und Banalität". In Eigenregie. Zu sehen sind bis heute handgeschriebene Überschriften und mit Texten beklebte Wellpappen, daneben liegen Fälscherwerkzeuge, Abhörtechnik und Riesen-Aktenvernichter, in mittlerweile verstaubten Vitrinen sind tausende weitere Objekte ausgestellt. Nicht nur den Besucher*innen, die die DDR nicht miterlebt haben, ist es nahezu unmöglich, Zusammenhänge zwischen den einzelnen Ausstellungsstücken herzustellen und sie zu bewerten.

Die Rolle der anderen

Kritisiert wird auch, dass die Bedeutung der evangelischen Kirche oder westdeutsche Einflüsse bei den Ereignissen, die zur Wende geführt haben, unter den Teppich gekehrt werden. Auch werden die Montagsdemonstrationen als "Volksbewegung" dargestellt, obwohl es anfangs kleine Gruppen von Oppositionellen gewesen sind, die unter Gefahr von Leib und Leben demonstriert haben.

Die Rolle der unzähligen Menschen, die sich in den Dienst der Stasi gestellt hatten, wird vernachlässigt. Immerhin arbeiteten Ende 1989 rund 2.400 Mitarbeiter*innen in der Leipziger Stasi-Zentrale, hinzu kamen geschätzte 10.000 Inoffizielle Mitarbeiter*innen. Die Ausstellung dokumentiere nur die damalige Sicht der Zeitzeugen und genüge deshalb aktuellen wissenschaftlichen Ansprüchen nicht. Das entspreche nicht einmal dem eigenen Leitbild des Museums, in dem es heißt: "Das Fachmuseum stützt sich dabei auf aktuelle Ergebnisse der zeitgeschichtlichen Forschung."

Bereits seit 2016 gibt es einen offenen Streit um die Qualität der Ausstellungen in der Runden Ecke. Zum 30-jährigen Wende-Jubiläum im Herbst 2019 wurde die Kritik schärfer. Doch Museumsleiter Tobias Hollitzer wehrte alle noch so konstruktive Kritik mit dem Argument ab, es seien ja nur politische Gegner, die dem Museum schaden wollten. Dabei bestätigten auch die für das Museum tätigen Gruppenbegleiter*innen in einem offenen Brief (kreuzer-leipzig.de/2019/09/ 19/offener-brief-aus-der-runden-ecke) die strukturellen Missstände. Gerade Leipzig brauche einen transparenten und offen-demokratischen Umgang im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des Repressionssystems und der Arbeit der Opposition in der DDR. Sie forderten "ein unabhängiges wissenschaftliches Gremium, das ein zeitgemäßes Konzept für die Dauerausstellung in einem klar definierten Zeitrahmen entwickelt und umsetzt". Die Arbeit des Museums wird von Bund, Land und Stadt gefördert. Die Stadtverwaltung weist aber darauf hin, dass das Museum in Trägerschaft des Bürgerkomitees Leipzig e.V. sei, das seine Entscheidungen unabhängig treffe.

Nach einem Beschluss des Bundestages sollen ab 2021 alle Stasi-Akten in ein Bundesarchiv integriert werden. Dann soll es in jedem ostdeutschen Bundesland nur noch eine Anlaufstelle geben, in der die Unterlagen dokumentiert, weiter erforscht und zugänglich gemacht werden. Mit dieser Strukturveränderung soll die "Runde Ecke" zum "Forum für Freiheit und Bürgerrechte" werden, hat der Leipziger Stadtrat 2017 beschlossen. Vorbild ist das Solidarność-Zentrum in Danzig. Dort wird die Solidarność-Geschichte ausgehend vom Aufstand in der Danziger Werft gezeigt, und es gibt offene Räume, wo sich Initiativen treffen können und bürgerschaftliches Engagement gefördert wird. Leipzig will das neue Forum in die Umgestaltung des nahegelegenen Matthäi-Kirchhofs, das Areal der ehemaligen Stasi-Zentrale, integrieren. Die Zeit, die bis zur Realisierung der Pläne vergehen wird, könnte auch genutzt werden, um sich über Stasi-Museum, Sonderausstellungen und historische Einbettung der Wende in Leipzig zu verständigen. runde-ecke-leipzig.de