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Entschlossen in die 3. Verhandlungsrunde am 22. Oktober in PotsdamFoto: Kay Herschelmann

Vier Tage haben sie in Potsdam verhandelt, dann kam es in der Nacht vom 24. auf den 25. Oktober zum Durchbruch. ver.di konnte für die 2,3 Millionen Beschäftigten im Öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen einen Tarifabschluss erreichen. Drei Punkte waren ver.di besonders wichtig: eine Erhöhung unterer und mittlerer Einkommen, die Aufwertung von Berufen in Gesundheit und Pflege und die Angleichung der Arbeitszeit im Osten. In allen drei Punkten habe ver.di viel erreichen können, sagte der ver.di-Vorsitzende und Verhandlungsführer Frank Werneke.

Eine Coronaprämie von bis zu 600 Euro noch in diesem Jahr, steuer- und abgabenfrei, Entgelterhöhungen um 1,4 Prozent, mindestens aber 50 Euro zum 1. April 2021 sowie weitere 1,8 Prozent zum 1. April 2022, jeweils 25 Euro mehr für die Azubis. Auch sie bekommen eine Corona-Prämie, 225 Euro, wenn sie bei den Kommunen arbeiten, 200 wenn sie beim Bund arbeiten. Und die Arbeitszeit sinkt im Osten bis zum 1. Januar 2023 in zwei Schritten auf 39 Stunden – über 30 Jahre nach der Wiedervereinigung eine längst überfällige Angleichung.

Das sind die Rahmendaten des Abschlusses, der ausgesprochen detailliert auf die einzelnen Gruppen eingeht. Insbesondere die unteren Einkommen profitieren, nach einer Beispielrechnung von ver.di bekommt beispielsweise ein Beschäftigter bei der Müllabfuhr mit einem Monatseinkommen von derzeit rund 2.800 Euro mit diesem Abschluss am Ende rund 100 Euro im Monat mehr. Auch die Jahressonderzahlung wird für die unteren Einkommen um 5 Prozentpunkte erhöht. Und: Sie erhalten 600 Euro Corona-Prämie.

Bei den Beschäftigten im Gesundheitswesen und in der Pflege steigen durch die Erhöhung von Zulagen die Einkommen deutlich. Für eine Pflegefachkraft mit derzeit rund 3.500 Euro Monatseinkommen macht das ein Plus von bis zu 300 Euro im Monat aus. "Das ist unter den derzeitigen Bedingungen ein respektabler Abschluss, der für unterschiedliche Berufsgruppen, die im Fokus der Tarifrunde standen, maßgeschneidert ist", sagte Werneke. Damit wies er gleich auf die schwierigen Rahmenbedingungen hin. Zwar waren gerade die Beschäftigten im öffentlichen Dienst im Frühjahr noch als Held*innen in der Corona-Pandemie beklatscht worden, bei den Tarifverhandlungen drohte aber eher eine Klatsche durch die Arbeitgeber. Und das, obwohl die Infektionszahlen nicht nur in Deutschland wieder stark ansteigen.

Die Arbeitgeber zeigten sich aber lange nicht bereit, die Leistungen ihrer Beschäftigten anzuerkennen. Selbst das Angebot, das die Arbeitgeber kurz vor Beginn der dritten Verhandlungsrunde vorgelegt haben, zeugte von mangelnder Wertschätzung: kaum spürbare Gehaltserhöhungen für alle, bei einer langen Laufzeit.

Wahrscheinlich hatten sie darauf gehofft, dass ver.di in Zeiten von Corona nicht streikfähig sei. Doch da hatten sie die Wut der Beschäftigten unterschätzt. Mit diesem Rückenwind konnten die Gewerkschaften vieles abwehren. Der Lohn der Warnstreiks und Aktionen ist dieser Tarifabschluss. "In dieser besonderen Zeit haben wir herausgeholt, was herauszuholen war", lautet das Fazit von Frank Werneke.

Der Abschluss im Detail Seite 3

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Am 25. Oktober war es soweit: Nach einem Marathon in der letzten Verhandlungsrunde haben wir ein Tarifergebnis für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen! Das ist vor allem Eurem Einsatz zu verdanken. Seit 22. September beteiligten sich – mit Abstand und Maske – über 200.000 Kolleginnen und Kollegen an Warnstreiks! Dafür möchte ich mich ganz ausdrücklich bedanken. Ihr habt den Arbeitgebern gezeigt, dass wir auch unter den schwierigen Corona-Bedingungen durchsetzungsstark sind. Dass wir uns nicht klein machen lassen, sondern gemeinsam für eine faire Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen kämpfen. Dafür möchte ich Euch danken!

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Frank WernekeFoto: Stephan Pramme

Diese Tarifrunde hat in besonders herausfordernden Zeiten stattgefunden: In der Pandemie ist nicht nur bei Streiks und Kundgebungen noch mehr Kreativität und Mut gefragt als in "normalen" Zeiten, auch die neue Verhandlungsführung auf Seiten der Kommunen war auf Krawall gebürstet wie selten – und hatte gemeinsam mit dem Bund wohl die Hoffnung, uns ein historisch schlechtes Ergebnis aufzwingen zu können.

Sie haben sich geirrt. Das Ergebnis ist angesichts der Ausgangslage respektabel. Besonders wichtig war uns neben den Einkommensverbesserungen für die Beschäftigten im Gesundheitswesen die Durchsetzung einer sozialen Komponente. Beides ist gelungen.

Durch den Mindestbetrag von 50 Euro im kommenden Jahr und die Erhöhung der Jahressonderzahlung bis einschließlich der Entgeltgruppe 8 im Jahr 2022 profitieren vor allem die unteren Einkommen. Das gilt auch für die nach Einkommen gestaffelte Corona-Prämie von 300 bis 600 Euro, die noch im Dezember frei von Steuern und Abgaben überwiesen wird. Für die Kolleginnen und Kollegen in der Pflege konnte eine Steigerung von 8,7 Prozent durchgesetzt werden. In der Intensivpflege sogar von 10 Prozent. Das war lange überfällig. Mit der Angleichung der Arbeitszeit Ost an die 39 Stunden im Westen ab 2023 haben wir ein weiteres Ziel erreicht. Nachhaltige Verschlechterungen bei den Eingruppierungen konnten wir trotz enormer Hartnäckigkeit der Arbeitgeber abwehren.

Das Gesamtergebnis bildet die Solidarität der Kolleginnen und Kollegen untereinander ab, und darauf können wir gemeinsam stolz sein!

Frank Werneke
ver.di-Vorsitzender