Besondere Zeiten erfordern besondere Ehrungen, befand der Bund-Verlag, der den Deutschen Betriebsrätepreis auslobt – und schrieb in diesem Jahr auch einen Sonderpreis Corona aus. Wegen der Pandemie fand die Preisverleihung in Bonn am 5. November per Videoschalte statt. Zugeschaltet war dafür auch die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Andrea Kocsis, die die Laudatio für das mit Bronze prämierte Projekt des Gemeinschaftsbetriebsrates der Hamburger Zentrale beim Logistiker Hermes Germany hielt. "Ein richtungsweisendes Projekt", sei damit gewürdigt worden, so Andrea Kocsis, "das die Bedürfnisse der Beschäftigten nach Flexibilisierung der Arbeitszeiten durch Beteiligung bei der Schichtplangestaltung berücksichtigt."

Der Beginn des Projekts reicht bis 2013 zurück. Damals sei das Schichtsystem für die knapp 300 Beschäftigten im Kundenservice der Hermes Germany zwar novelliert worden, aber ohne umfassende Einbeziehung der Kolleg*innen, erinnert sich Marc Brandt, Mitglied des Gemeinschaftsbetriebsrates. Immer wieder versuchten die Betriebsräte, mehr Beteiligung durchzusetzen. Den Durchbruch brachte das Ergebnis einer Gefährdungsbeurteilung Ende 2017, Anfang 2018. Das zeigte, dass die Schichtplanung an die Bedürfnisse der Belegschaft angepasst werden sollte. "Inzwischen arbeiteten hier im Kundenservice noch 200 Beschäftigte, überwiegend in Teilzeit. Die wünschten sich mehr Einfluss auf ihre Arbeitszeit."

Mit Geschick gelang es dem Betriebsrat, die Teamleiter*innen vom Projekt "Work-Life-Balance durch Mitarbeiterbeteiligung in der Einsatzplanung" zu überzeugen, das in zwei Pilotgruppen bei freiwilliger Teilnahme startete. Marc Brandt: "Die einzigen Vorgaben lauteten, dass eine bestimmte Anzahl an Kolleg*innen um 8 Uhr und eine ebenfalls festgelegte Anzahl bis 21 Uhr am Arbeitsplatz sein musste. Außerdem mussten bei der Schichtplanung individuelle Einschränkungen wie Krankheit, Kinderbetreuung und ähnliches berücksichtigt werden." Darüber hinaus lag die Planung bei den Beschäftigten.

Nachahmung empfohlen

"Immer mehr Teams übernahmen unser Pilotprojekt", sagt das Betriebsratsmitglied. "Eine Onlinebefragung zeigte, wie sehr den Kolleg*innen die Mitgestaltung ihrer Arbeitszeit gefällt." Schließlich gingen die praktischen Erfahrungen im März 2020 in eine neue Betriebsvereinbarung ein. Brandts Fazit: "Seit sie ihre Arbeitszeit aktiv mitplanen, sind die Beschäftigten erheblich zufriedener mit ihrer Tätigkeit!" Die psychischen Belastungen seien stark zurückgegangen. Weitere Niederlassungen von Hermes hätten inzwischen Interesse an den Regelungen gezeigt.

Andrea Koscis lobte in ihrer Laudatio ausdrücklich die bessere Vereinbarkeit von Beruf, Familien- und sonstigen Verpflichtungen, die durch die beteiligungsorientierte Schichtplanung möglich geworden sei. "Euer Einsatz ist hoffentlich ein Vorbild nicht nur für die gesamte ,Hermeswelt', sondern auch darüber hinaus für andere Betriebsräte, insbesondere der Logistik-Branche", sagte Koscis.

Nominierungen für den Deutschen-Betriebsräte-Preis ahat es im ver.di-Organisationsbereich außerdem für den Betriebsrat im "Haus der Kunst" in München für ein Projekt gegeben, mit dem die Auslagerung des kompletten Sicherheitsbereichs verhindert wurde sowie für ein Projekt zu neuen Digitalisierungsstrategien des Betriebsrates der Alten- und Pflegezentren im Main-Kinzig-Kreis.

Sonderpreis Corona

Den Sonderpreis Corona erhielt der Betriebsrat der Stadtwerke Böblingen für sein Projekt "In der Not lernt der Betriebsrat fliegen". Während des ersten Lockdowns hatte der Betriebsrat innerhalb weniger Tage die Arbeitsorganisation auf die neuen Anforderungen so zugeschnitten, dass die Beschäftigten ihre familiären, pflegerischen und sonstigen Aufgaben erfüllen konnten und gleichzeitig der für die Energieversorgung zuständige Stadtwerksbetrieb problemlos aufrechterhalten wurde. Die Regelung ging in eine Betriebsvereinbarung ein, die auch festlegt, wie der Betrieb aller systemrelevanten Bereiche sichert, selbst wenn dort arbeitende Kolleg*innen in Quarantäne müssen.

Rekommunalisierung gewinnt

Mit Gold ehrte die Jury des Deutschen Personalräte-Preises das Projekt "Neue Reinigung für Düsseldorf". Damit wurde ein Personalrat ausgezeichnet, der nicht nur die Auslagerung von Reinigungs- arbeiten in Verwaltungsgebäuden der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt stoppte, sondern einen guten Teil dieser Aufgaben inzwischen wieder in kommunale Verantwortung zurückholen konnte (ausführlich in ver.di-Publik 6_2020).

"Mit dem Projekt konnten wir gemeinsam mit dem Oberbürgermeister unter Beweis stellen, dass Rekommunalisierung keine Wunschvorstellung, sondern eine umsetzbare und wirtschaftlich darstellbare Möglichkeit ist", sagte Stefan Wittstock, stellvertretender Vorsitzender des Personalrats. Die bessere Qualität komme allen zu Gute: den Beschäftigten der städtischen Reinigung, den Kolleg*innen in den städtischen Gebäuden und den Bürger*innen.

Silber ging an den Personalrat der studentischen Beschäftigten der Technischen Universität Berlin. ver.di- und GEW-Kolleg*innen hatten gemeinsam eine Dienstvereinbarung zur Arbeitszeit gestartet, die den Umgang mit Mehrarbeit im Sinne geltender Gesetze und Tarifverträge regelt. Den Bronzepreis erhielt der Gesamtpersonalrat (GPR) der AOK Plus Sachsen und Thüringen. Er hatte im Frühjahr zu Beginn des Corona-Lockdowns mit dem Vorstand der Krankenkasse ein übertarifliches Entgelt für Eltern aushandeln können, die ihre Kinder daheim betreuten. Außerdem erreichte der Gesamtpersonalrat, dass – vom Arbeitgeber aufgestockte – Zeitspenden von den betreuenden Kolleg*innen genutzt werden konnten.

gg