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13.000 Bankfilialen wurden in den letzten zehn Jahren bundesweit geschlossenFoto: Steinach/imago

Erst stand ein Schild an der Tür: Die Bankfiliale ist wegen Corona vorübergehend geschlossen. Dann aber blieb die Geschäftsstelle auch dicht, als die Läden und Restaurants nebenan wieder öffneten. Inzwischen ist klar: Hier wird niemand mehr seine Rente abholen oder die Tageseinnahmen einzahlen.

Bereits in den vergangenen zehn Jahren haben deutschlandweit etwa 13.000 Bank-Zweigstellen ihre Türen geschlossen – vor allem kleinere Standorte im ländlichen Raum wurden abgewickelt. Den Corona-Lockdown nutzen nun viele Kreditinstitute als Möglichkeit, Standorte abzubauen, die eigentlich erst in den kommenden Jahren drankommen sollten. In Bremen hat es bereits sieben, in Zwickau fünf Sparkassenfilialen getroffen, die Hamburger Volksbank wickelt gegenwärtig knapp die Hälfte ihrer 28 Niederlassungen ab. Die Commerzbank will bundesweit 200 ihrer 1.000 Geschäftsstellen loswerden, die Deutsche Bank 100 von heute über 500 Filialen aufgeben.

Ohne Zweifel: Die Branche befindet sich in einem fundamentalen Umbruch. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen hat der Sektor durch die Finanzkrise 2008 ein massives Image- und Glaubwürdigkeitsproblem. Im kollektiven Gedächtnis haben sich Bilder arroganter Manager festgesetzt, die hohe Boni dafür kassierten, dass sie undurchsichtige Schrottpapiere auf den Markt warfen und die Weltwirtschaft in die tiefste Rezession der Nachkriegszeit stürzten. Mehrere Banken mussten mit Steuergeldern in Milliardenhöhe gerettet werden.

Zum anderen haben sich die Spielräume der Beschäftigten in den Filialen deutlich verkleinert. Während die Reichen selbstverständlich weiter eine individuelle und intensive Beratung erwarten können, gelten für die weniger betuchte Kundschaft klare Vorgaben: Sie soll so viel wie möglich am Automaten oder von zu Hause aus erledigen.

Möglichst alles online

Wollen Normalverdienende Geld anlegen, sollen ihnen die Beratenden nach der Bedarfsermittlung nur noch einfache Standardprodukte verkaufen. Dabei gibt es hohe Ziel- und Mengenvorgaben, die die Vorgesetzten laufend kontrollieren. "Die Tätigkeiten sind sowohl intensiver als auch monotoner geworden – eine Art Fließbandarbeit", beschreibt der Betriebsratsvorsitzende der Berliner Sparkasse Michael Dutschke die Entwicklungen.

Hinzu kommt, dass seit 2016 alle Menschen in der EU einen Rechtsanspruch auf ein Girokonto haben. Während es den Privatbanken weitgehend gelingt, diese unlukrative Klientel abzuschrecken, sammelt sich die arme Kundschaft bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Da geht es um die Überweisung kleiner Beträge oder die Änderung von Daueraufträgen. "Die Geschäftsführung will, dass diese Leute das online erledigen, aber viele können das nicht", sagt Dutschke. So bilden sich vor einigen Berliner Sparkassenfilialen manchmal lange Schlangen.

"Personalabbau, Leistungsverdichtung und permanente Umstrukturierungen", fasst Dutschke die Entwicklung der vergangenen Jahre zusammen. Der Stresspegel für die Filialbeschäftigten ist hoch, der Krankenstand der Branche überdurchschnittlich. Keine gute Voraussetzung, um junge Menschen für den Beruf zu begeistern. Zahl und Qualität der Azubi-Bewerbungen sinken – und wer die Ausbildung geschafft hat, will sich möglichst rasch weiterqualifizieren, um dem Alltag in den Privatkundencentern der Berliner Sparkasse zu entfliehen, berichtet Sparkassenmann Dutschke.

Wie überall sonst verändert die Digitalisierung auch das Arbeitsfeld der Geldhäuser. Während ihre Bankfiliale für viele Menschen nach wie vor ein fixer Anlaufpunkt ist, erledigt eine wachsende Zahl alltägliche Geldgeschäfte am liebsten mit dem Smartphone, Tablet oder Laptop. Zugleich fühlt sich die nachwachsende Generation in der Regel nicht besonders stark an ihre Bank gebunden und ist oft bereit, bei günstigeren Gebühren das Geldhaus zu wechseln.

Mit der Schließung geht die Kundschaft

Andererseits riskieren die Banken mit den Filialschließungen den Verlust von Kundschaft: Mindestens 15 Prozent gehen direkt nach der Schließung zu einem anderen Kreditinstitut, wenn das in der Nähe eine Geschäftsstelle betreibt, andere folgen später. Viele Menschen wünschen bei etwas komplexeren Fragen nach wie vor den Kontakt zu einem echten Menschen, der vor ihnen sitzt.

Allerdings machen die Finanzberater*innen in den Niederlassungen aber auch häufig die Erfahrung, die auch Einzelhändler inzwischen gut kennen, sagt der Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Postbank Filialbetrieb AG, Bernd Rose: "Ein Kollege oder eine Kollegin in einer Geschäftsstelle nimmt sich Zeit und sucht ein passendes Produkt – und die Leute bestellen es danach im Internet." Auch die umgekehrte Situation ist typisch: Die Kunden informieren sich vorher online und verlangen dann in der Filiale den im Internet ausgewiesenen Preis. "Weil sich die Konditionen erheblich unterscheiden, schafft das viel Frust auf beiden Seiten", so Rose.

Belegschaft wird wegrationalisiert

Auf all diese Veränderungen braucht es neue Antworten. Doch die Branche steckt noch fest im Alten und setzt erst einmal weiter auf Personalabbau. In den vergangenen 20 Jahren wurden über 220.000 Arbeitsplätze wegrationalisiert – das ist fast jeder dritte. Und das soll weitergehen.

Jan Duscheck, ver.di-Fachbereichsleiter fürs Bankgewerbe, formuliert, was dabei aus gewerkschaftlicher Sicht vorrangig und wichtig ist: "Wir wollen verhindern, dass es betriebsbedingte Kündigungen gibt. Niemand soll gegen seinen Willen die Bank verlassen müssen." Bisher ist das fast immer gelungen. Weil etwa ein Drittel der Beschäftigten heute älter als 50 Jahre ist, sieht Duschek auch für die Zukunft Spielräume, den Wandel für die Belegschaften einigermaßen erträglich zu gestalten.

Altersteilzeit, Zumutbarkeitsregeln bei Versetzungen, Abfindungen und der Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen sind die Instrumente, über die die Gewerkschaft mit den Arbeitgebern verhandelt. Zwar sind die Gewinne der Geldinstitute in zinsarmen Zeiten nicht besonders hoch. "Aber es ist ja keineswegs so, dass die Banken wenig Geld haben und das nicht bezahlen könnten", so der ver.di-Tarifsekretär.

Und Schrumpfen ist auch keine Zukunftsvision. Die Banken zählen in punkto Ausgaben für Fortbildung und Innovation gegenwärtig zu den Schlusslichtern. All das macht sie vor allem unattraktiv für Menschen mit begehrten Qualifikationen und dem Anspruch, Sinnvolles tun zu wollen.

Trotz des Personalabbaus sind deshalb auch viele Stellen unbesetzt. Jan Duscheck ist überzeugt: "Gebraucht werden keine pauschalen Konzepte für überall, sondern innovative und vielfältige Ansätze." Die aber werden nur mit motivierten Beschäftigten zu entwickeln und umzusetzen sein. Die Branche – sie muss sich neu erfinden.

Mitten in der Krise

Wegen Corona geschlossen, wegen Corona in Kurzarbeit oder arbeitslos, wegen Corona verschuldet. Corona hat Auswirkungen auf alle, manche trifft es besonders hart. In diesem Spezial berichten drei Solo-Selbstständige, wie sie die Krise erleben und versuchen, über die Runden kommen. An dem Verlust etlicher Arbeitsplätze war aber nicht immer der Virus schuld. Im Fall der Wirecard AG waren es Geldgier und kriminelles Verhalten einiger Vorstände, die das Unternehmen in die Insolvenz zwangen und Tausende den Job kostete. Auf der Seite F3 ist zu lesen, wie die verbliebenen 500 Beschäftigten in Deutschland um ihr Recht auf die Vertretung ihrer Interessen kämpfen und Betriebsräte gründeten. Außerdem: wertvolle Tipps rund um das Thema Finanzen. Fanny Schmolke