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Martin RathkeFoto: Chr. v. Polentz / transitfoto.de

Seit fast 100 Jahren gibt es an der Ecke zur Schönhauser Allee das Filmtheater "Colosseum". Die Filmlegende Artur "Atze" Brauner, hat das Haus Anfang der 1990er Jahre gekauft, modernisieren und ausbauen lassen. 1997 startete das "Colosseum" als Multiplex mit zehn Sälen. Das große Kino 1 mit über 500 Sitzen und das Foyer stehen unter Denkmalschutz. 350.000 Besucher kamen 2019. Hier gab es nicht nur Berlinale-Aufführungen, sondern auch Kino für Kita-Kinder, eine Türkische Filmwoche, Lesungen, Gottesdienste und wöchentlich Filme mit englischem Originalton.

Um das zu erledigen, was ich 18 Jahre lang gemacht habe, braucht man keine duale Ausbildung, sondern vielmehr Filmbegeisterung und Lust, mit Publikum zu arbeiten. Zwei, drei Wochen Einarbeitungszeit reichen in der Regel, um zu wissen, worauf es beim Service, für den Einlass, an der Kasse oder in der Gastronomie, selbst bei der Projektion ankommt. Seit 7. November 2002 arbeite ich hier. Erst zur Finanzierung meines Studiums und dann bin ich einfach hängengeblieben. Dass ich schon in der vierten Wahlperiode im Betriebsrat und jetzt Vorsitzender bin, ist für mich eine wichtige Bereicherung. Wir haben etliche Betriebsvereinbarungen ausgehandelt und mussten nicht nur bei der Lohnstruktur bis in die Einigungsstelle. Mir liegt viel an meinen Kolleginnen und Kollegen, das Betriebsklima ist bemerkenswert gut.

Seit 2006 ist Atze Brauners Sohn Sammy Geschäftsführer. Das wirtschaftliche Ergebnis war im Schnitt positiv. Doch im Mai 2020 meldete er Insolvenz an. Wegen fehlender Einnahmen durch den Lockdown sei das Haus nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben. Seitdem blieben die Lohnzahlungen für 43 Angestellte aus.

#RettetDasColosseum

Wir wollen unsere Arbeitsplätze und dieses geschichtsträchtige Haus erhalten. Deshalb gründeten wir die Initiative #RettetDasColosseum. Jeden Donnerstag organisieren wir Aktionen. Im Sommer haben wir vor unserem Haus symbolisch Popcorn und Eintrittskarten verteilt. Zwei große Demos mit vielen hundert Teilnehmern gab es im Juli und August, dazu kamen Lesungen, Kiezspaziergänge und Siebdruckaktionen, eine Ausstellung vor der nahegelegenen Gethsemanekirche. Wir wollen das "Colosseum" als Kulturstandort erhalten. Neben dem Kinobetrieb stellen wir uns künftig auch Lesungen, Ausstellungen, Theateraufführungen, Diskussionen im Haus vor. Öffentlicher Druck hat bewirkt, dass sich inzwischen auch die Pankower Bezirksverordnetenversammlung gegen eine Umnutzung ausgesprochen hat.

Den nötigen langen Atem zu haben, ist für uns natürlich auch ein existenzielles Problem. 34 Beschäftigte sind noch immer ungekündigt. Verhandlungen des Betriebsrats über einen Interessenausgleich und Sozialplan blieben bislang ergebnislos und werden wahrscheinlich in Einigungsstellen entschieden. Wir bleiben dran.