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Immer mehr Rentner*innen müssen ihre Alterseinkünfte versteuernFoto: Felix Kästle/picture alliance/dpa

Bereits 2005 kam es in Deutschland zu einem grundlegenden Wechsel bei der Besteuerung der Renten. Die damalige rot-grüne Bundesregierung führte mit dem Alterseinkünftegesetz die sogenannte nachgelagerte Besteuerung der Renten ein. Damit reagierte sie auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts.

Nachgelagert heißt, dass ab 2040 Renten bei der Auszahlung zu 100 Prozent zur Steuer herangezogen werden, die Umstellung erfolgt seit 2005 stufenweise. Im Gegenzug werden die Aufwendungen der Arbeitnehmer*innen für ihre Altersvorsorge schrittweise steuerfrei. Die Regelung passte gut in die damalige Zeit. Durch die steuerliche Entlastung in der Erwerbsphase sollten Erwerbstätige mehr Geld für ihre finanzielle Vorsorge fürs Alter zur Verfügung haben.

Wer bis einschließlich 2005 in Rente gegangen ist, dessen Rente wird zu 50 Prozent versteuert. Die Höhe des zu versteuernden Betrags steigt seither für jeden neuen Rentenjahrgang an. Der Prozentsatz des Jahres, in dem man in Rente geht, bestimmt den in Zukunft zu versteuernden Anteil der Rente. Wer beispielsweise 2021 in Rente geht, ist für 81 Prozent steuerpflichtig.

Der Unmut über diese Regelung wird immer heftiger. Von Doppelbesteuerung ist die Rede, gehen viele doch davon aus, dass das Einkommen, aus dem die Rentenbeiträge bezahlt werden, bereits versteuert ist. Das ist aber nur noch in Teilen der Fall, denn die Rentenbeiträge werden im Rahmen der Neuregelung im Gegenzug zur steigenden Besteuerung im Alter nach und nach steuerfrei gestellt. Der absetzbare Anteil steigt stufenweise an, bis er 2025 dann 100 Prozent erreicht. Daher ist der Anteil des zweifach besteuerten Einkommens nicht so hoch, wie es manch einem Rentner oder manch einer Rentnerin vorkommt.

"Renten waren schon immer steuerpflichtig", sagt ver.di-Rentenexpertin Judith Kerschbaumer. Allerdings galt das bis 2005 nur für den sogenannten Ertragsanteil, also für den Anteil der Rente, der über die Einzahlungen hinaus bis zum Renteneintritt – fiktiv – damit erwirtschaftet worden war. Er lag beispielsweise bei einem Rentenbeginn mit 63 Jahren bei 20 Prozent der Rente. Der Freibetrag führte dazu, dass viele keine Steuern zahlen mussten.

2002 hatte dann das Bundesverfassungsgericht über die Klage eines Beamten zu entscheiden. Er wollte erreichen, dass seine Pension wie bei Rentner*innen nur mit dem kleineren Ertragsanteil besteuert wird. Herausgekommen ist das Gegenteil: Bei den Pensionen blieb es bei der nachgelagerten Besteuerung, aber bei gesetzlich Rentenversicherten sollte das Alterseinkommen künftig bei der Auszahlung besteuert werden.

Vorteil für die Betroffenen: Da das Alterseinkommen in der Regel geringer ist als das Erwerbseinkommen, zahlen sie insgesamt weniger Steuern. Allerdings fällt es im Alter meistens mehr ins Gewicht, wenn von ohnehin schon geringen Renten neben den Krankenversicherungsbeiträgen auch Steuern abgezogen werden. Und da der zu versteuernde Anteil von Rentenjahrgang zu Rentenjahrgang steigt, steigt auch der Anteil derer, die den Freibetrag überschreiten und vom Finanzamt zur Kasse gebeten werden. Außerdem fällt jede Rentenerhöhung voll in den zu versteuernden Teil.

Auch ist eine Doppelbesteuerung durchaus nicht ausgeschlossen. Wer 2040 in Rente geht und die Rente vollständig nachgelagert versteuern muss, hatte nur in den 15 Jahren zuvor eine völlige Steuerfreiheit seiner Beiträge, erklärt Judith Kerschbaumer. Rentenbeiträge werden in der Regel für einen längeren Zeitraum eingezahlt. 45 Jahre sind die angestrebte Einzahlzeit – in diesem Fall wären 30 Jahre Steuern zumindest auf einen Teil der Rentenbeiträge gezahlt worden. Das Bundesverfassungsgericht hatte dem Gesetzgeber das strikte Verbot der Doppebesteuerung mit auf den Weg gegeben. Das könnte verletzt sein.

Im Frühjahr steht dazu eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs in zwei anhängigen Verfahren an. "Je nachdem, wie die Entscheidung ausfällt, könnte das zu Änderungen am System führen, die dann auch mit Kosten für den Bund verbunden sind", sagt Kerschbaumer. Daher vermutet sie, dass es frühestens nach der Bundestagswahl im Herbst zu Änderungen kommen wird.