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Pflegeroboter, hier in einem Caritas-Pflegezentrum in ErlenbachFoto: Kai Pfaffenbach/Reuters

Mit einem bundesweiten Tarifvertrag Altenpflege wollten ver.di und der Bundesverband Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) für Mindestbedingungen in der Altenpflege sorgen. Er sollte nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz zum 1. August 2021 auf die gesamte Branche erstreckt werden. Dem Antrag auf Allgemeinverbindlichkeitserklärung hätten die Arbeitsrechtlichen Kommissionen von Diakonie und Caritas zustimmen müssen. Beide waren bei den Verhandlungen zwischen den Tarifvertragsparteien angehört worden. Doch Ende Februar hat die Arbeitsrechtliche Kommission der Caritas den bundesweiten Tarifvertrag abgelehnt.

"Die Caritas handelt mit dieser Entscheidung in krassem Widerspruch zu ihren eigenen sonstigen Aussagen und Werten, wenn es um gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Bedeutung sozialer Dienste geht", sagte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. Das sei mehr als scheinheilig. Die Arbeitgeberseite in der Arbeitsrechtlichen Kommission komme ihrer gesellschaftlichen Verantwortung, für bundesweit bessere Arbeitsbedingungen in der Altenpflege zu sorgen, nicht nach. "Das ist ein schlimmes Signal für die Beschäftigten in der Altenpflege", so Bühler. Die rund 1,2 Millionen Beschäftigten der Branche seien die Verlierer*innen dieser Entscheidung: "Ideologie schlägt Humanität", sagt Bühler. "Wie es jetzt gelaufen ist, hat die Caritas im Prinzip die Drecksarbeit für die privat-gewerblichen Heimbetreiber erledigt, nämlich den vielen Beschäftigten, die heute ohne irgendeine Tarifbindung arbeiten müssen, Zugang zu einem solchen Tarifvertrag zu verwehren", kommentierte der Sozialwissenschaftler Stefan Sell in einem Fernsehinterview die Entscheidung der Caritas. "Natürlich werden sich die privaten Pflegeheimbetreiber sehr gefreut haben, dass man ihnen diese Arbeit abgenommen hat." Rund 43 Prozent der Heime in Deutschland haben aktuell private Betreiber, so dass eine Zustimmung der Caritas und auch der Diakonie entscheidend für die Allgemeinverbindlichkeit gewesen wäre. Die Caritas beruft sich darauf, dass sie ihre Beschäftigten schon jetzt besser bezahle, als es der Tarifvertrag vorsieht.

Lohnniveau der Branche sichern

Ein bundesweit geltender Tarifvertrag mit rechtlich verbindlichen Mindestbedingungen hätte aber das Lohnniveau der gesamten Branche nach unten abgesichert. Die Ablehnung mache die Caritas unglaubwürdig, so Bühler. "Faktisch profitieren von dieser Entscheidung diejenigen privaten Arbeitgeber, die das eklatante Personalproblem in der Altenpflege durch schlechte Löhne und miese Arbeitsbedingungen verursacht haben. Ausgerechnet mit denen macht sich der kirchliche Wohlfahrtsverband gemein", kritisierte die Gewerkschafterin. Die Entscheidung der Caritas werfe erneut die Frage nach Legitimation der bislang grundgesetzlich geschützten Stellung der Kirchen auf.

Nach der Ablehnung durch die Caritas hatte die Arbeitsrechtliche Kommission der Diakonie Deutschland am Folgetag auf eine entsprechende Abstimmung verzichtet. Im Vorfeld der anstehenden Entscheidungen hatte die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände massiv Stimmung gegen die geplante Allgemeinverbindlichkeitserklärung gemacht. Auch die privaten Pflegeanbieter hatten sich gegen den Tarifvertrag gestemmt. Danach steigen die Mindestentgelte für eine Pflegefachkraft bis Juni 2023 in vier Schritten auf mindestens 18,75 Euro pro Stunde an.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, SPD, will jetzt die Bezahlung der Branche per Gesetz regeln. Er schlug vor, es so zu regeln, dass die Pflegeheime nur noch mit den Pflegekassen abrechnen können, wenn sie einen Tarifvertrag anwenden. Das will der Minister noch vor der Bundestagswahl im Herbst durchsetzen, damit die Bezahlung in der Altenpflege nicht zu einem Wahlkampfthema wird.

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