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Geringe Einkommen verschlechtern die Chancen auf BildungFoto: Caimi & Piccinni/Redux/laif

Die Folgen der Corona-Pandemie werden in Deutschland das Armutsrisiko weiter verschärfen. Bereits für den Zeitraum von Ende März bis Anfang Juli 2020 berichteten 17 Prozent der an- und ungelernten Arbeiter*innen und knapp 14 Prozent der einfachen Angestellten von finanziellen Schwierigkeiten in Folge der Pandemie, bedingt etwa durch Kurzarbeit oder Entlassungen. Bei den Bezieher*innen von Niedrigeinkommen waren es sogar 20 Prozent. Am häufigsten waren Alleinerziehende und Selbstständige betroffen. Menschen mit Migrationshintergrund waren mit 15 Prozent etwa doppelt so häufig von finanziellen Schwierigkeiten in Folge der Pandemie betroffen wie die ohne. Das geht aus dem Datenreport 2021 hervor, den das Statistische Bundesamt, das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) in Zusammenarbeit mit dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) vorgestellt haben.

In einem ersten Fazit der Coronapandemie sprechen die Forscher*innen in dem Datenreport davon, dass sich bestehende Muster in der Ungleichheit auch in der aktuellen Krise widerspiegeln. So zeige sich, dass im mittleren Einkommenssegment die Kurzarbeit weiter verbreitet ist, während Personen mit geringem Verdienst eher von Freistellungen und Arbeitslosigkeit betroffen seien. Waren anfangs in erster Linie Bezieher*innen von höheren Einkommen von Einschränkungen betroffen, wurden relativ bald auch die mittleren und niedrigen Einkommen erfasst. 51 Prozent der Beschäftigten in den oberen Einkommensgruppen konnten im Homeoffice oder zu flexibleren Zeiten arbeiten, in den niedrigen Einkommensgruppen waren das nur 24 Prozent.

Die Einkommenseinbußen in Folge von Corona sind umso bedenklicher, als aus dem Datenreport auch hervorgeht, dass es in Deutschland zunehmend schwieriger wird, der Armut zu entkommen. Auch die Zahl von Armut bedrohter Menschen steigt. Die Armutsrisikoschwelle definierten die Forscher*innen für 2018 mit 1.040 Euro im Monat für einen Ein-Personen-Haushalt. Fast jede*r Sechste hatte 2018 ein Einkommen unter dieser Grenze. 44 Prozent von ihnen lebten bereits seit mindestens vier Jahren durchgehend mit diesen geringen Einkommen. 1998 waren es knapp die Hälfte, etwa 20 Prozent der Betroffenen.

Durch die Coronakrise wurde erneut deutlich, wie materielle Voraussetzungen Bildungs- und damit in der Folge auch Aufstiegschancen beeinflussen. Denn der Zugang zu digitalen Unterrichtsformaten bedarf entsprechender Endgeräte, wie Computer oder Tablets. Davon besitzen Familien mit höheren Einkommen in der Regel mehr beziehungsweise haben sie die finanziellen Möglichkeiten, sich solche Geräte zu beschaffen. So besteht die Gefahr, dass die Kinder von Bezieher*innen niedriger Einkommen weiter abgehängt werden – und das erschwert es auch für sie, später im Leben der Armutsfalle zu entkommen.

Die wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung, Bettina Kohlrausch, geht davon aus, dass sich durch die Corona-Krise auch die Geschlechterungleichheiten dauerhaft verschärfen werden. Frauen hätten mehr Sorgearbeit übernommen und dafür häufiger als Männer ihre Arbeitszeit verkürzt. Nicht immer sei gewährleistet, dass sie nach der Krise zu ihrem vorherigen Arbeitsvolumen zurückkehren könnten.