Screenshot_BBA_Plakat_21_A4.jpg

Ob Mautkameras, Handyüberwachung, Steuer-ID oder der Umgang mit Kundendaten, die BigBrotherAwards decken alljährlich den Missbrauch von Daten auf. Und verhindern damit immer wieder auch weiteren Datenmissbrauch. Am 11. Juni wurden die Negativpreise an die größten Datensünder erneut verliehen. Schon zum 21. Mal vergaben der gemeinnützige Verein Digitalcourage die sogenannten "Oscars für Datenkraken" – zusammen mit der Deutschen Vereinigung für Datenschutz, der Internationalen Liga für Menschenrechte und dem Chaos Computer Club.

"Wir wissen von der präventiven Wirkung", sagte Rena Tangens, Jury-Mitglied und Vorstand von Digitalcourage. Die Preise hätten Folgen, in der Öffentlichkeitswirkung, bei Vergabepraktiken, und manche Unternehmen verzichteten gleich ganz auf Vorhaben, die einen Award bekommen könnten.

Doctolib und Patientendaten

Nicht so Doctolib. Für das Sammeln von Patientendaten hat die Firma Doctolib GmbH, Berlin, nun den Negativpreis BigBrother-Award 2021 in der Kategorie "Gesundheit" bekommen. In Ausgabe 7/2020 berichtete ver.di publik bereits darüber, dass durch den Online-Buchungsservice immer weniger Arztpraxen telefonisch erreichbar sind. Ein weiteres Problem ist der fehlende Datenschutz. Patientendaten werden unter Missachtung der Vertraulichkeitsverpflichtung verarbeitet und laut Datenschutzvereinbarung auch im Rahmen kommerzieller Marketingzwecke genutzt, heißt es in der Begründung der Jury. Damit Arztpraxen an dem Buchungsservice teilnehmen können, müssen sie sämtliche Patientendaten an Doctolib weitergeben und dazu einen Techniker des französischen Start-Ups an ihre Computer in der Praxis lassen. Inzwischen nutzen 150.000 Ärzte und 50 Millionen Patient*innen Doctolib. Und auch, um an einen Impftermin zu kommen, sind Patient*innen oft gezwungen, Doctolib zu nutzen, beispielsweise in den Impfzentren Berlins.

EU-Kommission und Kundendaten

In der Kategorie "Verkehr" ging der Negativpreis an die Europäische Kommission für die Einführung des Verfahrens "On-Board Fuel Consumption Meter". Dabei werden erhebliche Mengen an technischen Informationen eines Autos aufgezeichnet und zusammen mit der Fahrzeugidentifikationsnummer an den Hersteller übermittelt. Das Verfahren ist seit Jahresbeginn 2021 für Neuwagen verpflichtend. Den Kunden bleibt keine Wahlmöglichkeit. Ausgerechnet die Hersteller sind nun nach dem Abgasskandal und dem Betrug bei Grenzwerten verpflichtet, Kundendaten einzusammeln, um reale Verbrauchswerte zu ermitteln.

Totalkontrolle von Studierenden

In der Kategorie "Bildung" ging der Preis an die Proctorio GmbH, Unterföhring, für den von ihr angebotenen "vollautomatischen Prüfungsaufsichtsservice". Die Software ermöglicht eine Totalkontrolle von Studierenden bei Online-Prüfungen. Die KI-basierte Software soll insbesondere Blicke von Prüflingen erkennen können, die auf einen Täuschungsversuch hindeuten, und dann automatisch Alarm schlagen. Zudem soll die Software kompletten Zugriff auf den Computer des Prüflings bekommen, auf sämtliche Applikationen zugreifen und Down- loads verhindern können. Zum Kontroll- verfahren gehört auch ein Raumscan. Als Referenzen gibt der Hersteller die Goethe-Universität in Frankfurt und Bielefeld an.

Google & Nida-Rümelin

In der neuen Kategorie "Was mich richtig wütend macht" ging der BigBrotherAward an Google für die massive Manipulation des Internet-Werbemarktes, das Aushungern von Kreativen und ihrer Medien sowie die Enteignung der digitalen Persönlichkeiten der Nutzerinnen und Nutzer.

Und in der Kategorie "Public Intellectual" erhielt der Philosoph und stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Julian Nida-Rümelin, den Negativpreis für seine öffentlich mehrfach geäußerte unhaltbare Behauptung, dass Datenschutz die Bekämpfung von Corona erschwere und Tausende von Toten zu verantworten habe.

Marion Lühring

Mehr erfahren und die Begründungen in Gänze unter: bigbrotherawards.de