Bei der AWO Soziale Dienste Vogtland im sächsischen Auerbach ist seit Mai eine Betriebsratsvorsitzende von Kündigung bedroht. Ihr (der Name soll zu ihrem Schutz nicht genannt werden) wird vorgeworfen, sie habe die AWO-Geschäftsführerin Katrin Schmidt angeblich bei der Polizei angeschwärzt, die eine Razzia in den Geschäftsräumen durchgeführt hatte. Die Betriebsrätin wendete sich an ver.di in Zwickau. Ausgerechnet in der Coronazeit hatte Schmidt in den Geschäftsräumen ihren Geburtstag gefeiert und dafür 40 Essen aus der AWO-Küche für eine Mittagspause liefern lassen, um ihre Geburtstagsgratulanten damit zu bewirten, erläutert Simone Bovensiepen, zuständige Gewerkschaftssekretärin bei ver.di in Zwickau den Hintergrund.

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In einer Pressemitteilung kritisierte die Gewerkschafterin: "Während in der Pandemie Bewohnerinnen und Bewohner in den Altenpflegeeinrichtungen in sozialer Isolation leben müssen, feiert die Geschäftsführerin eines Wohlfahrtsverbandes mit Gästen ihren Geburtstag." Dafür bekam Bovensiepen von der Geschäftsführerin postwendend eine Anzeige wegen übler Nachrede. "Die Anzeige ist inzwischen eingestellt, weil der Sachverhalt ja stimmt", sagt Simone Bovensiepen.

Keine Einigung bei der Güteverhandlung

Der Betriebsrat der AWO hat dem Kündigungsbegehren natürlich nicht zugestimmt. Noch im Mai fand die Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht in Zwickau statt, wo sich der AWO-Vorstand die verweigerte Zustimmung per Gericht einholen wollte. Das Arbeitsgericht aber hat diese Zustimmung nicht erteilt. Und da es zu keiner Einigung in der Güteverhandlung kam, muss nun das Arbeitsgericht entscheiden. Der Kammertermin ist für den Februar 2022 anberaumt.

ver.di begrüßt die vorläufige Entscheidung des Arbeitsgerichts. "Dass die AWO keinen wertschätzenden Umgang mit den von den Beschäftigten gewählten Interessenvertretungen pflegt, ist nicht hinnehmbar", sagt Simone Bovensiepen. Doch schon jetzt ist klar, dass die Geschäftsführung nicht einlenke, im Gegenteil, sie vergrößert den Druck noch. So befindet sich die Betriebsratsvorsitzende zwar noch in ihrem Amt in der Freistellung, aber inzwischen hat die AWO die Beschäftigten in der Küche ausgegliedert und damit die Beschäftigtenzahl unter 200 gedrückt. Das hat zur Folge, dass das Betriebsratsgremium verkleinert werden muss. Auch versuche die Geschäftsführung nun, die Betriebsratsvorsitzende, die eine examinierte Pflegefachkraft ist, aus der Freistellung zurück in die Pflegearbeit im Wachkoma-Bereich zu holen. Zumindest bis zur endgültigen gerichtlichen Entscheidung, berichtet die Gewerkschafterin.

Der psychische Druck ist groß

Der psychische Druck für die Betriebsratsvorsitzende sei immens, sagt Simone Bovensiepen. "Zumal die Betroffene dann unter der Leitung der Schwiegertochter der Geschäftsführerin arbeiten müsste. Nicht gerade eine günstige Ausgangslage."

Dem ver.di-Fachbereichsleiter für Gesundheit und Soziales, Bernd Becker, sind die Einschüchterungsversuche durch die Geschäftsführerin nicht unbekannt. "Die beantragte Kündigung passt in die Philosophie von Katrin Schmidt", sagt er. Beispiele für ihr Wirken im Unternehmen seien die Verhinderung von Betriebsratsgründungen, Einschüchterungsversuche und Umstrukturierungen durch Ausgliederung von Servicebereichen, alles zum Zwecke der Behinderung von Betriebsratsarbeit. So wurde schon in der Vergangenheit anderen Betriebsräten im Pflegeheim in Göltzschtal nach Umstrukturierungen gekündigt. Die Betroffenen waren nach ihrer Kündigungsschutzklage mit einer Abfindung freiwillig gegangen. Im Heim in Treuen hatte die Geschäftsführerin dafür geworben, dort keinen Betriebsrat zu wählen, mit der Begründung, er würde nicht gebraucht. Die Beschäftigten hatten daraufhin tatsächlich auf die Wahl verzichtet.

Der Betriebsrat in Auerbach zeigt sich weiterhin solidarisch mit seiner Vorsitzenden. Ihm sei es nicht mehr möglich, vertrauensvoll mit der Geschäftsführung und der Geschäftsführerin Katrin Schmidt zusammenzuarbeiten. Grund ist deren Absicht, der Betriebsratsvorsitzenden nun außerordentlich kündigen zu wollen. Marion Lühring