Wichtige Versorgungsunternehmen wie Wasser-, Strom- oder Verkehrsbetriebe wurden in den letzten Jahren aus der privaten in die öffentliche Zuständigkeit geholt. Vor kurzem ist erstmals ein Krankenhaus rekommunalisiert worden: Dank des starken Einsatzes von Belegschaft, Betriebsrat, Gewerkschaft und Bürger*innen kam das Klinikum in Peine Ende 2020 zurück in die öffentliche Hand. Für ihr Engagement ist die Arbeitnehmervertretung als eine von zwölf für den Deutschen Betriebsrätepreis 2021 nominiert worden.

"Nach der Privatisierung des Klinikums im Jahr 2003 wurde nach und nach alles schlechter bei uns", stellt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Markus Ritter im Rückblick fest. "Eine Stiftung mit Sitz in Celle hatte unser Krankenhaus vom Landkreis übernommen – und setzte vor allem auf Profit." Abteilungen wie die Gynäkologie schloss der Betreiber. Küche, Reinigung und Logistik lagerte er in Servicegesellschaften aus, die die Beschäftigten schlechter bezahlten. Dann geriet das Stammhaus in Celle wegen eines missbräuchlich eingesetzten Bankkredits in Turbulenzen. Gerettet werden sollte es durch den Verkauf des Peiner Klinikums. Ritter sagt: "Nachdem der Betreiber im März 2020, zu Beginn der Corona-Pandemie, Insolvenz in Eigenverwaltung angemeldet und unser Klinikum zum Verkauf angeboten hatte, starteten wir unser Projekt zur Rekommunalisierung." Von privaten Krankenhausunternehmen hatten in Peine zu dieser Zeit eigentlich alle genug.

Vor der Übernahme durch die öffentliche Hand waren jedoch einige Hürden zu nehmen. Der Landkreis bot – wie auch private Interessenten – 1 Euro für das Klinikum, was erst einmal nicht so gut ankam bei den Beschäftigten. "Doch dieses Gebot war ein erstes Signal für die private Konkurrenz, dass die Rekommunalisierung ernst gemeint war", sagt Ritter. Die Kampagne in Peine nahm Fahrt auf, als sich Kommunalpolitiker*innen, Bürger*innen und ehemalige Beschäftigte des Krankenhauses für ihr Klinikum einsetzten. Das war 1971 vor allem durch den Einsatz der sozialdemokratischen Landrätin Hertha Peters als Kreiskrankenhaus entstanden. Beinahe fünfzig Jahre später sahen nun viele Peiner*innen die Chance, das Klinikum in die Zuständigkeit des Kreises zurückzuholen.

Öffentlichkeit und Freiluft-Konzert

"Hilfreich waren diverse Aktionen, die wir trotz der Corona-Beschränkungen auf den Weg bringen konnten", sagt Markus Ritter. Sehr erfolgreich verlief eine Online-Petition. Weit über 1.000 Menschen unterzeichneten, darunter auch Ex-Peiner*innen, die sich mit Stadt und Klinikum verbunden fühlten. Eine Informationsveranstaltung mit Krankenhaus-Betriebsrat und Politiker*innen aus Kreis und Stadt brachte das Thema in die öffentliche Diskussion. Ebenso ein Freiluft-Konzert, das der Linken-Politiker Dieter Dehm organisiert hatte.

"Außerdem hatten wir eine starke Medienpräsenz", sagt Nanni Rietz-Heering, die ver.di-Vorsitzende des Ortsvereins Peine. In der Region gibt es mit der Braunschweiger Zeitung und den Peiner Nachrichten zwei voneinander unabhängige Publikationen, die beide umfassend berichteten. Im Herbst 2020 stand schließlich nach vielen Verhandlungen, an denen Markus Ritter und die damalige Betriebsratsvorsitzende Christine Leckelt beteiligt waren, das Konzept für den Krankenhausbetrieb nach der Rekom-munalisierung: Der Landkreis übernahm das Klinikum zu 70, die Stadt Peine zu 30 Prozent. Beide brachten ebenso wie die umliegenden Gemeinden Geld ein. Insgesamt konnte das Krankenhaus in der Gesellschaftsform einer gemeinnützigen GmbH mit rund 30 Millionen Euro Betriebskapital an den kommunalen Neustart gehen.

"Ganz wichtig war für uns, alle Bereiche unter ein Dach zu bekommen", sagt Markus Ritter. "Küche, Reinigung und Logistik gehören nun wieder zum Krankenhaus." Und für alle 680 Beschäftigten des Krankenhauses gilt der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes. Hatten in den letzten Jahren immer mehr Beschäftigte dem Haus den Rücken gekehrt, kommen nun viele zurück.

"Es ist sehr gut, dass das Klinikum erhalten bleibt, und noch besser, dass es wieder in kommunaler Trägerschaft ist", sagt Nanni Rietz-Heering. Krankenhäuser als Bestandteile der öffentlichen Daseinsvorsorge gehörten nicht in die gewinnorientierte Privatwirtschaft. Betriebsrats-Vize Markus Ritter findet, dass diese gelungene Rekommunalisierung eine wichtige Vorbildfunktion hat. "Das Interesse ist riesengroß."

Bei aller Freude über den Erfolg bleibe aber weiter viel zu tun. So müsse in einen Neubau investiert werden, da das bestehende Gebäude aus den frühen siebziger Jahren kaum den aktuellen medizinischen Anforderungen genügt. Außerdem fehlt im Peiner Klinikum – trotz vieler Rückkehrer*innen – immer noch Fachpersonal, sodass die eigentlich geltenden Personaluntergrenzen oft nicht eingehalten werden können.

Weitere Nominierte

Zwei weitere Projekte aus dem ver.di-Organisationsbereich sind ebenfalls für den diesjährigen Deutschen Betriebsrätepreis nominiert worden: Für insgesamt 60 Pflegeeinrichtungen der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Westliches Westfalen wurde eine Betriebsvereinbarung zur Maskenpflicht durchgesetzt. Außerdem starteten die Betriebsräte ein Projekt, um Dienstkleidung für alle Beschäftigten in der Pflege einzuführen. Bisher tragen die Pfleger*innen eigene Kittel oder Privatkleidung, womit nach Einschätzung des Betriebsrates Hygienestandards unterlaufen werden. Ziel des Projektes ist es, den Arbeitgeber zur Anschaffung und desinfizierenden Reinigung von dienstlicher Arbeitskleidung zu bewegen.

Bei IBM Deutschland in Hamburg gelang es dem Betriebsrat, auf der Grundlage der Rahmenbetriebsvereinbarung für herkömmliche IT-Systeme Standards für Systeme der Künstlichen Intelligenz (KI) auszuhandeln; etwa zu Transparenz, Erklärbarkeit, Nicht-Diskriminierung und anderem. Vor allem wurde festgelegt, dass KI eine lediglich unterstützende Funktion hat und am Ende ein Mensch entscheidet.

Der BUND-Verlag, der den Deutschen Betriebsrätepreis verleiht, hat über die Arbeitsbedingungen in der Pflege mit den Betriebsräten des Klinikums Peine und der AWO Westliches Westfalen einen Podcast produziert: bund-verlag.de/aib-podcast