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Frauen aus dem Einzelhandel im Streik: Sie wollen von ihren Löhnen besser leben könnenFoto: Carstensen/picture alliance/dpa

Zu Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 wurden die Beschäftigten im Handel viel beklatscht, weil sie trotz hoher Ansteckungsgefahren in Lagern Waren zusammenstellten und in den Supermärkten den Massenandrang bewältigten. In den seit Wochen laufenden Tarifrunden für den Groß- und Außenhandel sowie Einzel- und Versandhandel verweigern die Handelsunternehmen jedoch verhandelbare Angebote. Sie wollen die Kolleg*innen mit mickrigen Erhöhungen abspeisen, die weit unter der aktuell steigenden Inflationsrate liegen.

"Die Beschäftigten haben im bayerischen Einzelhandel Rekordumsätze erwirtschaftet. Die Arbeitgeber haben ihnen Reallohnverlust angeboten, was die drohende Altersarmut noch vergrößert", sagte Hubert Thiermeyer, Leiter des Fachbereichs Handel im ver.di-Landesbezirk Bayern und Verhandlungsführer für die Beschäftigtenseite, nachdem Ende Juli die vierte Runde der Tarifverhandlungen ergebnislos beendet worden war. "Wir wären den Unternehmen entgegengekommen, die von der Pandemie stark betroffen waren", so Thiermeyer weiter. Mit differenzierten Tarifverträgen zur Zukunfts- und Beschäftigungssicherung hätte man Lösungen für die tarifgebundenen Krisenbetriebe finden können." Außerdem habe ver.di in Bayern – wie zuvor schon in Nordrhein-Westfalen – angeboten, Teile einer möglichen Entgelterhöhung in Freizeit umzuwandeln. Der Arbeitgeberverband habe all das abgelehnt. "Stattdessen empfehlen sie ihren Betrieben freiwillige Entgelterhöhungen unterhalb der Preissteigerung!" So wurde kein neuer Verhandlungstermin vereinbart; ver.di Bayern kündigte eine Ausweitung der Arbeitskampfmaßnahmen an.

In Göttingen geht's auch anders

Viele Handelsunternehmen haben mittlerweile "freiwillige" Angebote präsentiert: Bei Kaufland betragen sie 3 Prozent; bei Edeka, dem Großhändler Metro und anderen liegen sie nur bei 2 Prozent, und damit deutlich unter der Inflationsrate, die Ende Juli mit 3,8 Prozent angegeben wurde. "Diese freiwillige Erhöhung ist keine Wertschätzung, sondern ein Tarifdiktat", erklärte Manfred Wirsch, Leiter der ver.di-Bundesfachgruppe Groß- und Außenhandel. "Tariferhöhungen werden durch ver.di mit dem Arbeitgeberverband verhandelt und sind dann nicht freiwillig, sondern einklagbar und zwingend." Die Zusagen der verschiedenen Handelsunternehmen über "freiwillige" Voraberhöhungen könnten jederzeit widerrufen werden. Den Handelsunternehmen gehe es mit ihrem Vorstoß vor allem darum, die bundesweite Streikbewegung im Handel zu brechen.

„Diese freiwillige Erhöhung ist keine Wertschätzung, sondern ein Tarifdiktat“
Manfred Wirsch, Leiter der ver.di-Bundesfachgruppe Groß- und Außenhandel

Wie wenig eine Ankündigung zur "freiwilligen" Entgelterhöhung wert ist, zeigte sich inzwischen beim Marktkauf-Markt im mittelfränkischen Mögeldorf: Eigentlich waren auch für die Edeka-Tochter Marktkauf Voraberhöhungen von 2 Prozent angekündigt. Doch für die Beschäftigten des Mögeldorfer Marktes wurde diese Offerte zurückgezogen. Eine "Bestrafung" vermuten die zuständige ver.di-Sekretärin Jaana Hampel und die Betriebsratsvorsitzende Mine Theil hinter dem Rückzieher, weil sich die Belegschaft dieses Marktes für eine tarifvertragliche Lösung eingesetzt und gestreikt hatten.

Während derzeit landauf, landab die Tarifverhandlungen im Handel auf Eis liegen, gibt es einen "wirklich guten" Tarifabschluss beim Göttinger Naturkostgroßhandel Elkershausen: "130 Euro monatlich mehr für die Kolleg*innen, 60 Euro plus für die Auszubildenden haben wir vereinbart", sagt der Betriebsratsvorsitzende Michael Oberhoff. Das entspricht – je nach Entgeltgruppe – Erhöhungen zwischen 5 und 6 Prozent. Gezahlt wird rückwirkend zum 1. Juni, und die Laufzeit beträgt zwölf Monate. "Die Geschäftsleitung hat klar vermittelt, dass die durch Corona gestiegenen Umsätze und Gewinne auch an die Beschäftigten verteilt werden", so der Betriebsratsvorsitzende.

Einem solchen Abschluss wären viele Nachahmerinnen und Nachahmer zu wünschen.