Judith_Weidmann.jpg

Mit Kindern hatte ich auch in meinem ursprünglichen Beruf zu tun, aber anders als heute. Eigentlich bin ich ausgebildete Puppenspielerin und habe viel Erfahrung mit Aufführungen vor Kindern. Aber der künstlerische Umgang mit den Jüngsten ist etwas ganz anderes als eine pädagogische Betreuung. Hauptgrund für meinen Entschluss, mich berufsbegleitend zur Erzieherin ausbilden zu lassen, waren wirtschaftliche Zwänge, nachdem ich zwei Kinder bekommen hatte und die Arbeit als freiberufliche Künstlerin einfach zu wenig Sicherheit bot.

Nach fünf Jahren Arbeit im Kinderladen und weiteren vier Jahren im Hortbetrieb einer Grundschule kann ich sagen, dass ich auch mit meinem zweiten Beruf im Reinen bin. Die Arbeit mit den Kindern im Neuköllner Schillerkiez ist zwar jeden Tag anstrengend, aber auch toll, motivierend und vielfältig.

Ständiger Mangel

Was uns – also meinen Kolleg*innen und mir – auf die Nerven geht, ist der ständige Mangelzustand: Mangel an Personal, Mangel an Geld für Ausflüge und Arbeitsmaterialien, Mangel an Vertretungsmitteln für Dauerkranke. Dabei ist das hier eine Brennpunktschule mit Kindern, die zum Teil bei der Einschulung kein Wort Deutsch sprechen, und anderen, die einen hohen Förderbedarf haben, diese Unterstützung aber nicht bekommen, weil sie und ihre Eltern sie oft nicht hartnäckig genug einfordern können.

An unserer Schule gilt der gebundene Ganztagsbetrieb. Das heißt, dass wir Erzieher*innen eine Klasse zu allen außerschulischen Aktivitäten begleiten; etwa zum Essen und zu Freizeitveranstaltungen. Wegen der Personalnot müssen Horterzieher*innen aber oft in anderen Klassen einspringen, was auf Dauer sehr schlecht ist, weil keine echte Bindung zwischen den Kindern und den wechselnden Erzieher*innen entstehen kann. Ich selbst begleite eine Klasse von zwanzig Kindern in der Schuleingangsphase.

So sehr ich meine Arbeit auch mag – dringend müsste einiges verbessert werden: Es fehlt grundsätzlich an Wertschätzung für unsere pädagogische Arbeit. Das zeigt sich beispielsweise daran, dass für die Freizeitbetreuung kaum Mittel bereitstehen. Wenn wir mit den Kindern etwas unternehmen wollen, zahlen wir zum Teil selbst alle Eintrittskarten oder Fahrscheine für die Berliner Verkehrsbetriebe. Bei einem Nettoverdienst von rund 2.000 Euro monatlich kann ich mir das nicht unbegrenzt leisten. Unsere Bezahlung muss unbedingt steigen. Dafür kämpfen wir schon lange, aber seit Beginn der Corona-Pandemie sind wir leider nicht mehr so aktiv, denn der Alltag kostet viel Kraft. Doch in künftigen Tarifrunden möchten wir besser eingestuft und damit deutlich besser entlohnt werden. Die Differenz zu den Lehrergehältern ist viel zu groß – zumal wir ja auch während des Großteils der Ferien arbeiten und für die Kinder da sein müssen.