Ausgabe 01/2022
Die Frauen machen mobil
In ganz Deutschland stellen in diesem Jahr feministische und Frauen*streik-Gruppen die Tarifrunde des Sozial- und Erziehungsdienstes in den Fokus des internationalen Frauen*kampftags am 8. März. Unter dem Motto "Überlastet, ungesehen, un(ter)bezahlt. Feministisch streiken! Gemeinsam gegen Patriarchat und Kapitalismus" fordern sie eine gerechte Verteilung der unbezahlten Haus- und Sorgearbeit sowie bessere Arbeitsbedingungen in sozialen, pflegenden und erzieherischen Berufen. Auch in Stuttgart wird das "Feministische Aktionsbündnis 8. März" die Tarifrunde unterstützen und bereitet aktuell gemeinsam mit dem ver.di-Bezirk einen feministischen Streik- und Aktionstag für diesen wichtigen Tag vor.
Miserable Arbeitsbedingungen haben System
Bei einer Befragung der Technischen Universität Darmstadt 2021 gaben mehr als 60 Prozent der Beschäftigten in der Behindertenhilfe an, in den vergangenen zwölf Monaten aufgrund von fehlendem Personal krank zur Arbeit gegangen zu sein. Nicht viel besser sieht es bei Fachkräften in Kindertagesstätten aus: Der ver.di-Kita-Personalcheck aus dem vergangenen Jahr zeigt, dass viele pädagogische Fachkräfte Elterngespräche in ihrer Freizeit führen, da nur bei jeder zweiten Fachkraft Zeit für Tätigkeiten außerhalb der direkten Kinderbetreuung vorgesehen ist. Die Folge: Viele Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst denken darüber nach, ihren Job aufzugeben: Bei Kita-Fachkräften sind es rund 25 Prozent, in der Behindertenhilfe ist die Lage mit fast 50 Prozent noch dramatischer.
Frauen* sind doppelt betroffen
Für feministische Gruppen und Frauen*streikbündnisse bundesweit steht fest: Schlechte Arbeitsbedingungen in sozialen und erzieherischen Berufen haben System. Erziehung, Pflege und Sorgearbeit wird vor allem von Frauen* geleistet, ob im Job, zu Hause oder in der Nachbarschaft. Viel zu oft bleibt diese Arbeit ungesehen. Viel zu oft ist diese Arbeit unterbezahlt oder sogar unbezahlt. Viel zu oft bringt diese Arbeit Frauen* an ihre Grenzen.
Nicht selten gefährden Frauen* aufgrund schlechter Arbeitsbedingungen ihre physische und psychische Gesundheit. Zudem: Im Alter sind sie einem besonders großen Armutsrisiko ausgesetzt. Die Belastung bekommen nicht nur die Beschäftigten selbst zu spüren, sondern auch alle anderen Frauen*, die immer noch den größten Teil der unbezahlten Haus- und Sorgearbeit leisten. Sie springen ein, wenn die Kita aufgrund von Personalmangel früher schließt oder es keine Sozialarbeit an Schulen gibt.
Forderungen für die Tarifrunde
Am 17. Dezember 2021 hat die Bundestarifkommission für den öffentlichen Dienst die Forderungen für die Tarifrunde im Sozial und Erziehungsdienst beschlossen. Ziel ist die Verbesserung der belastenden Arbeitsbedingungen, beispielsweise durch mehr Vorbereitungszeit oder die Einführung von Entlastungstagen, sowie eine finanzielle Aufwertung der Arbeit. Und auch die feministischen Gruppen haben sich bereits bundesweit für die Tarifrunde in Position gebracht, so auch in Stuttgart. Lasst uns gemeinsam zeigen, dass Erziehung und Sozialarbeit unverzichtbar für unsere Gesellschaft sind, und treten wir ein für eine solidarische Gesellschaft, in der nicht Profite, sondern gegenseitige Fürsorge und die Bedürfnisse der Menschen im Mittelpunkt stehen.
Feministisch streiken
Demonstration am 8. März 2022, 16 Uhr 30, Theodor-Heuss-Straße, Stuttgart – achtet auf aktuelle Ankündigungen, da sich pandemiebedingt der Ort noch ändern kann. Mehr Infos unter
aktionfrauen.wordpress.com; Instagram @aktion_frauen und stuttgart.verdi.de