Ausgabe 01/2022
Man muss ja nicht gleich kündigen
Düsseldorf – Für flotte Werbesprüche ist der Autoverleiher Sixt bekannt. "Man muss ja nicht gleich gehen" hieß es auf einem Sixt-Plakat, als Ex-Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer zurücktrat. "Gleich gehen" muss man aber bei Sixt, wenn man/frau ein Arbeitnehmer-Grundrecht wahrnehmen und einen Betriebsrat gründen will – und zwar sofort! Nachdem in Düsseldorf in der Sixt-Flughafen-Filiale im September 2021 die Wahl des Wahlvorstandes nicht stattfinden konnte, weil der Raum nach Corona-Bestimmungen zu klein war, versuchte die Betriebsleitung, den Initiatorinnen der Wahl unter anderem die Raummiete in Rechnung zu stellen.
Betretenes Schweigen
Zwei von ihnen waren vorher – gekoppelt an eine Schweigeverpflichtung – 10.000 Euro angeboten worden, wenn sie das Unternehmen verlassen würden. Aber sie wollen bleiben. Unmittelbar vor Heiligabend 2021 erhielten sie ihre Kündigung. Bei einer Person war es die 3., bei der anderen die 2. fristlose Kündigung im Zusammenhang mit diesem Konflikt. Die Kündigungsschutzklagen laufen.
11. Januar 2022: der erneute Versuch einer Versammlung zur Wahl des Wahlvorstandes. Der Betriebsleiter erscheint wieder persönlich und mit ihm 15 Beschäftigte. Zu den drei Initiatorinnen gibt es keine Gegenkandidat*innen. Die Anwesenheit des "Chefs" erfüllt dennoch ihren Zweck, beschreibt ver.di-Sekretär Özay Tarim später die Stimmung im Saal: "Keine offene Diskussion – betretenes Schweigen." Das Resultat: 15 organisierte Gegenstimmen und damit kein Wahlvorstand.
Vor dem Arbeitsgericht treffen die drei Initiatorinnen dann ein paar Tage darauf, am 20. Januar, auf die Sixt-Anwälte. Der Richter gibt den Konfliktparteien zwei Wochen Zeit für eine Einigung. Wenn diese nicht zustande kommt, wird das Gericht über die Einsetzung des Wahlvorstandes entscheiden.
Hoch erfreut ist Özay Tarim, als sich eine kleine Gruppe der Gebäudereiniger des Flughafens (Mitglieder der IG BAU) zu einer spontanen Solidaritätskundgebung am ver.di-Stand in der Abflughalle einfindet.
Beschäftigte wollen bleiben
Ortswechsel, Frankfurt/Main: Auch dort die gleiche Taktik der Betriebsleitung. Persönliches Erscheinen bei der Versammlung zur Wahl des Wahlvorstandes am 18. Oktober 2021 und auch dort geht fürs Erste die Einschüchterungstaktik des Arbeitgebers auf.
Der erste Gütetermin im Dezember bleibt ebenfalls ergebnislos. Das "Angebot" der Unternehmensleitung, die Initiator*innen mit Abfindungen (0,5 Monatsgehälter pro Beschäftigungsjahr) aus dem Unternehmen zu drängen, haben diese abgelehnt. Auch sie wollen bleiben und nicht gehen.
Es folgen – fristlose Kündigungen. Eine 2. fristlose Kündigung erhält einer der Initiatoren zu seinem Geburtstag am 17. Januar 2022. Auch in diesen Fällen laufen die Kündigungsschutzklagen.
Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes in einem ähnlichen Fall haben Beschäftigte, die eine Kündigungsschutzklage eingereicht haben, bei einer Betriebsratswahl beziehungsweise Wahl zum Wahlvorstand trotz des noch laufenden Verfahrens immerhin ein passives Wahlrecht (BAG Az. 7 ABR 12/04). Dieses Wahlrecht werden die Frankfurter Beschäftigten jetzt auch wahrnehmen.
Wegen Behinderung der Betriebsratswahl und ermutigt durch den Vorstoß von Bundesarbeitsminister Heil, SPD, die Behinderung von Betriebsratsarbeit zum Offizialdelikt zu machen, hat ver.di am 21. Januar Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf eingereicht.
Bruno Neurath-Wilson