Digitalisierung bestimmt zunehmend die Arbeitswelt. Fast immer verändert sich Beschäftigung dadurch stark, manche Tätigkeiten fallen aber auch komplett weg. Deshalb ist es besonders wichtig, den radikalen Wandel in Betrieben und Verwaltungen im Sinne der Beschäftigten zu gestalten. Wie das in der Praxis umgesetzt werden kann, zeigen der Bereich Innovation und Gute Arbeit gemeinsam mit der Tarifpolitischen Grundsatzabteilung von ver.di in der Broschüre "Digitale Arbeit – Veränderungsprozesse tarif- und betriebspolitisch gestalten".

"Ganz ohne Menschen wird es in einem hochautomatisierten Betrieb wie dem Containerterminal Altenwerder nie gehen."
Thomas Mendrzik, stellvertretender Vorsitzender im Bundesfachgruppenvorstand Luftverkehr und Maritime Wirtschaft

Für das Container-Terminal Altenwerder der Hamburger Hafen und Logistik AG existiert schon seit 2013 ein Innovations- und Rationalisierungsschutz-Tarifvertrag. Lange wurde er im betrieblichen Alltag kaum benötigt, aber inzwischen rücken bedeutende Umstellungen immer näher. "Die ganz großen Kracher kommen in fünf Jahren, wenn die Kräne für den Umschlag der Container vollautomatisch betrieben werden", sagt Thomas Mendrzik, der im Terminal arbeitet und bei ver.di stellvertretender Vorsitzender im Bundesfachgruppenvorstand Luftverkehr und Maritime Wirtschaft ist. Mit dem Tarifvertrag von 2013 hätten die Betriebsräte eine gute Grundlage für die Vorbereitung von Regelungen wie etwa Interessenausgleich und Sozialplan sowie für Qualifizierungsprogramme.

"Schon heute werden Container vollautomatisch umgeschlagen, beispielsweise beim Werksverkehr von Güterzügen zum Lager und in umgekehrter Richtung", erklärt Mendrzik. Nur bei Störungen greife dort noch ein Beschäftigter ein. Was sich allerdings in Zukunft bei der Umstellung der Kräne auf den vollautomatischen Betrieb ändern werde, löse einen erheblichen Rationalisierungsschub aus, da diese dann ohne Unterbrechung in Gang sein werden. "Damit verdichtet sich die Arbeit für die verbleibenden Menschen im Terminal. Gleichzeitig wird die Tätigkeit stupider, weil Beschäftigte nur noch für die letzte Kontrolle nötig sind."

Die monotone Arbeit gehe zugleich mit einer hohen Verantwortung für den reibungslosen Ablauf einher. Für all diese Umstellungen unter der Überschrift "Containerterminal 4.0" müssten jetzt gute Regelungen gefunden werden, die den Beschäftigten Sicherheit des Arbeitsplatzes, passende Arbeitszeit- und Pausenregelungen, aber auch weiterhin anspruchsvolle Tätigkeiten zusichern müssten, denn, so Mendrzik, "ganz ohne Menschen wird es in einem hochautomatisierten Betrieb wie dem Containerterminal Altenwerder nie gehen".

Auch für andere Aufgabenfelder in den Häfen und Terminals stehen Veränderungen an, die etwa durch das unter anderem vom Bundesverkehrsministerium geförderte Projekt "PortSkills 4.0" abgefedert werden sollen. Dass digitale Transformation nur gemeinsam mit den Beschäftigten gelingen könne, erklärte bei der Vorstellung dieses Projektes im Dezember Maya Schwiegershausen-Güth, Leiterin der ver.di-Bundesfachgruppe Maritime Wirtschaft. "Aus- und Weiterbildung sind notwendig, um zukunftsfähige Beschäftigung in den deutschen Hafenbetrieben zu sichern und neue zu schaffen."

Auch andere Berufe betroffen

Die beschleunigte Digitalisierung trifft auch viele Dienstleistungsberufe; zum Beispiel in den Sozialversicherungen. Bei der Barmer Krankenkasse mit bundesweit rund 16.000 Beschäftigten hilft seit dem 1. Januar 2020 der "Tarifvertrag Zukunft", die Härten beim betrieblichen Umbau zu mildern. "Bisher konnten so betriebsbedingte Kündigungen stets vermieden werden", sagt Claudia Corban, die stellvertretende Vorsitzende des Hauptpersonalrates. Bei der Schließung von Organisationseinheiten werde den betroffenen Kolleg*innen ein Arbeitsplatz an einem anderen Standort angeboten. "Es geht etwa darum zu klären, ob die Entfernung zur neuen Stelle angemessen und die neue Aufgabe adäquat ist."

Manche*r entscheide sich dann auch für eine Beurlaubung oder die Altersteilzeit. Alles in allem funktioniere der Tarifvertrag in der praktischen Umsetzung bei ihnen gut. "Er stellt ein brauchbares Werkzeug dar. Auch wenn niemand darüber jubelt, dass so ein Tarifvertrag nötig ist, sind alle froh, ihn zu haben." Mit den Umstellungen im Betrieb und Umsetzungen auf andere Arbeitsplätze werde regelmäßig auch Qualifizierung nötig, was in der Barmer ohnehin ein fortwährendes Thema im Sinne des lebenslangen Lernens sei.

Die ver.di-Broschüre zur Digitalen Arbeit gibt Tipps für gute arbeitnehmerorientierte Regelungen. Mit einer Checkliste kann beispielsweise vorab geklärt werden, welche Bereiche geregelt und welche Ideen aus bestehenden Vereinbarungen für Anregungen genutzt werden können. Alle zitierten Passagen aus abgeschlossenen Vereinbarungen oder der einschlägigen Rechtsprechung sind als Hilfestellungen und Anregungen gedacht. Sie können und sollen keine eigenen Überlegungen oder Einzelvereinbarungen für den eigenen Betrieb oder die Dienststelle ersetzen. Für alle Unternehmen gelte, dass der Nutzen von Regelungen am größten sei, "wenn die betroffenen Beschäftigten von Beginn an einbezogen werden", heißt es in der Broschüre.

Die stellvertretende ver.di-Bundesvorsitzende Andrea Kocsis und Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz betonen im Vorwort, dass "Digitalisierung gegen die Beschäftigten nicht gelingen" könne. Gerade weil diese Transformationen in der Vergangenheit zu viel Verunsicherung geführt hätten und Arbeitsplätze gefährdet worden seien, müssten die Kolleg*innen diesen Wandel mitgestalten können. Es gehe nicht allein um frühzeitige Information. "Beschäftigte und Interessenvertretungen müssen ernsthaft in Strategie- und Entscheidungsprozesse einbezogen sein." Das sei letztlich im Interesse der Unternehmen selbst. kurzelinks.de/ykf0