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Wenn alle nur noch dasselbe lesen, ist Schluss mit der AusgewogenheitFoto: ver.di Stuttgart

Die Südwestdeutsche Medien Holding (SWMH) will auf eine 4-Buch-Produktion umstellen, in der nur noch 28 oder 32 Seiten produziert werden. Verkauft wird dieser Kurs als Umstrukturierung nach einem ganz neuen Modell mit dem Fokus auf Digitalabos. Alle Ressorts werden abgeschafft. Themen-Teams liefern die Artikel. Die lokale Berichterstattung wird minimiert; die Leser des Stadtgebietes Stuttgart sollen künftig ein und dieselbe Ausgabe erhalten. Dafür sollen 55 Stellen gestrichen werden.

Die Geschäftsleitung hat die Belegschaft am 19. Januar 2022 über die geplanten Maßnahmen informiert. Die Zeitungsgruppe Stuttgart (ZGS) reagiere damit auf die starken Wachstumsmöglichkeiten im Internet und auf die schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, etwa durch den Rückgang der Anzeigen im Zuge der Corona-Pandemie, sowie auf steigende Papierpreise. Die Beseitigung von Doppelstrukturen solle dazu beitragen, bei gleichbleibend hoher journalistischer Qualität Kosten zu senken. Das Sparziel: rund 6 Millionen Euro.

Scharfe Kritik an den Plänen kommt von ver.di. Sie befürchtet einen tariflosen Zustand, wenn Lokalredaktionen in einer neuen Gesellschaft zusammengelegt werden, in die auch die Druckvorstufe (Technik) integriert werden soll. Zudem würden alle Leser*innen der unterschiedlichen Zeitungen in Stuttgart den gleichen Inhalt erhalten. Der Stellenabbau werde nach Einschätzung der Gewerkschaft über 20 Prozent ausmachen.

Beim Abbau solle auf Freiwilligkeit gesetzt werden, fordert ver.di-Konzernbetreuer Uwe Kreft: "Lokale Berichterstattung ist das wichtigste Alleinstellungs- merkmal und Bindeglied zu den Abonnent*innen. Wer hier die Axt anlegt, verletzt sich selbst. Es braucht natürlich Investitionen ins Digitale. Für Qualität braucht es aber auch hier guten und tariflich bezahlten Journalismus. Die Probleme dürfen deshalb nicht mit Personalabbau und Tarifflucht gelöst werden."

Der Betriebsrat verweist darauf, dass bei der letzten Umstrukturierung 2020 insgesamt bereits 100 Arbeitsplätze abgebaut wurden. 2015/16 wurden die Redaktionen der Stuttgarter Zeitung und der Stuttgarter Nachrichten in einer eigenständigen Tochterfirma zusammengelegt, die von da an beide Blätter mit 35 Vollzeitstellen weniger herausgab. "Jetzt folgen weitere Sparmaßnahmen", sagt der Betriebsratsvorsitzende Dr. Michael Trauthig, "wir halten diesen erneuten Aderlass für fatal." Er befürchtet, dass die Abschaffung der Ressorts die Zukunft der Redaktion gefährdet und das Image der Zeitungen beschädigt. Ebenso besorgt ist er wegen der geplanten Reduzierung der lokalen Berichterstattung. Wie schon zuvor habe der Arbeitgeber versichert, dass die Stellen sozialverträglich abgebaut würden und dass man auf betriebsbedingte Kündigungen "soweit wie möglich" verzichten wolle. Die Geschäftsführung müsse nun zeigen, dass es ihr damit ernst sei . "Das bedeutet: attraktive Abfindungskonditionen vereinbaren und vor allem mit dem Betriebsrat über Alternativen verhandeln."

Weitere Kritik an den Plänen der SWMH kommt von fünf Landräten aus der Region Stuttgart, die ihre Befürchtung äußern, dass "insbesondere der Lokaljournalismus an Qualität und Bedeutung verliert und infolgedessen Kommunalpolitik in der öffentlichen Wahrnehmung immer mehr verschwindet". Und auch Bündnis 90/Die Grünen haben in einem offenen Brief artikuliert, "dass zu einer ordentlichen Meinungsbildung auch eine umfassende, sorgfältige, ausgewogene und kritische Berichterstattung gehört".