Zwei Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie zieht Sabine Rennefanz eine erste Bilanz dieser Zeit. Sie zieht sie als Mutter, als Frau und als politische Journalistin, eine Mischung, die auf 144 Seiten die unterschiedlichen Blickwinkel gut vereint. Dass ihre Bilanz nicht positiv ausfällt, zeigt schon der Buchtitel "Frauen und Kinder zuletzt". Denn diese Gruppen standen während der Pandemie nicht unbedingt im Fokus der Politik.

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So sah die damalige Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, SPD, in der Arbeit im Homeoffice noch ein gutes Mittel, um die Folgen von Schulschließungen und fehlenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten mit dem Beruf zu vereinbaren. Nach ihrem Rücktritt im Mai 2021 übernahm die damalige Bundesjustizministerin Christine Lambrecht, SPD, diese Aufgaben noch zusätzlich – ein weiteres Indiz dafür, dass Frauen und Familien keine sonderlich große Beachtung geschenkt wurde. Zu stark wurde aus dem Blickwinkel der Virologie auf die Krise geschaut. Soziale, mentale und psychologische Folgen der Kontaktbeschränkungen seien eher in den Hintergrund gerückt, kritisiert Rennefanz.

Den überwiegenden Anteil der Denk- und Organisationsarbeit in einem Familienhaushalt leisten immer noch Frauen. Während es heißt "Papa arbeitet", sind sie immer ansprechbar und lassen sich ansprechen , nicht nur in Zeiten der Pandemie. Doch das hat in den vergangenen beiden Jahren noch zugenommen. Die Soziologin Jutta Allmendinger befürchtete schon im Frühjahr 2020 eine Retraditionalisierung, warnte vor einem Verlust von mindestens 30 Jahren Gleichstellung.

Auch im Berufsleben waren es vielfach Frauen, etwa im Handel oder in der Pflege, die für geringes Entgelt besonders stark gefordert waren. Auf bessere Bezahlung warten sie noch heute. Bei einer Analyse des Konjunkturpakets – vom damaligen Bundesfinanzminister Olaf Scholz, SPD, als Bazooka bezeichnet – kam die Politikwissenschaftlerin Claudia Wiesner zu dem Schluss, das 78 Prozent der Gesamtausgaben in Branchen gegangen sind, in denen überwiegend Männer arbeiten. Bei den Betrieben, in denen überwiegend Frauen arbeiten, kamen hingegen nur 4,2 Prozent des Finanzvolumens an.

Bei einer Lesung in Berlin forderte Rennefanz die Frauen auf, ihre Bedürfnisse verstärkt in die öffentliche Diskussion zu bringen, auch wenn sie nach zwei Jahren Mehrfachbelastung in der Pandemie müde seien. Zu dieser dringend notwendigen Diskussion gibt sie mit ihrem Buch einen guten Anstoß.

Sabine Rennefanz: Frauen und Kinder zuletzt. Wie Krisen gesellschaftliche Gerechtigkeit herausfordern, Ch.Links Verlag, Berlin, 144 Seiten, 18 Euro, ISBN 978-3962891497