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Das Ultimatum im CountdownFOTO: BRONISZ/CHROMORANGE/PICTUREALLIANCE

Die Beschäftigten der sechs Unikliniken in Nordrhein-Westfalen (NRW) machen sich für mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen stark. Nun geht ihr Kampf in die nächste Runde. Zuvor ließen die Arbeitgeber ein 100-tägiges Ultimatum ihrer Beschäftigten verstreichen. Darin forderten die Beschäftigten den Abschluss eines Tarifvertrags Entlastung bis zum 1. Mai 2022.

Denn Personalmangel, Personalflucht, Arbeitsverdichtung und Zeitnot gehören auch in den nordrhein-westfälischen Unikliniken zum Arbeitsalltag. Die Corona-Pandemie hat die Überlastung der Beschäftigten nochmals verschärft. Darunter leiden sowohl die Patient*innen als auch das Personal. "Die jetzigen Zustände sprengen jedem Fass den Boden weg", sagt Dagmar Holste. Die Gesundheits- und Krankenpflegerin arbeitet seit 30 Jahren am Uniklinikum Aachen und hat schon viele Krisen der Pflege miterlebt. "Aktuell aber arbeiten wir alle am Anschlag", sagt die 49-Jährige, "das Personal wird in allen Bereichen verschlissen."

Mit ihrem klinikübergreifenden Bündnis "Notruf NRW – Gemeinsam stark für Entlastung" fordern die Beschäftigten der sechs Unikliniken eine zügige Abhilfe der Probleme. Der Arbeitgeberverband des Landes NRW ließ zwar das Ultimatum ergebnislos verstreichen, doch davon lassen sich die Beschäftigten nicht entmutigen. Stattdessen stimmte die überwältigende Mehrheit aller ver.di-Mitglieder in einer Urabstimmung für den Eintritt in den unbefristeten Erzwingungsstreik ab dem 2. Mai 2022.

Dann eben Streik

"Wir erwarten, dass Arbeitgeber und Politik uns endlich ernst nehmen", sagt Tristan Linnemann. Der Medizinisch-Technische Radiologieassistent (MTA-R) arbeitet an der Uniklinik Köln und ist aktiv in der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV). Er hat viele junge Kolleg*innen und Auszubildende an Bord des Bündnisses geholt und ihnen die Sorge vor einer unbefristeten Auseinandersetzung genommen. Denn mit seinen 23 Jahren ist Tristan Linnemann schon streikerprobt. Sein beruflicher Weg begann mit einem Arbeitskampf zur Durchsetzung einer Ausbildungsvergütung für seinen und andere Gesundheitsberufe. Am Ende feierte die Kampagne "Schluss mit #unbezahlt" einen historischen Erfolg. Ein ähnliches Ergebnis wünscht sich der aktive Gewerkschafter auch für den Tarifvertrag Entlastung. "Dabei ist es nicht unser erster Wunsch zu streiken und Stärke zu zeigen", sagt Linnemann. "Das ist einfach nur unser letztes Mittel, um unsere Arbeitsbedingungen zu verbessern".

Etwa 12.000 Beschäftigte bekennen sich per Petition zur Forderung nach einem Tarifvertrag Entlastung. Gemeinsam mit ihnen und vielen weiteren Kolleg*innen geht Tristan Linnemann für bessere Arbeitsbedingungen, Mindestpersonalausstattungen für alle Bereiche der Unikliniken und angemessene Belastungsausgleiche auf die Straße. Besonders am Herzen liegen ihm die geforderten Maßnahmen zur Verbesserung der Ausbildungsqualität. "Wir führen diesen Kampf jetzt, damit Auszubildende in Zukunft auch nach ihrer Ausbildung weiterhin in ihren Berufen arbeiten wollen", sagt Tristan Linnemann. Aber dafür müssen die Rahmenbedingungen stimmen.

600 kamen zum Krankenhausratschlag

Die sechs Unikliniken in Aachen, Bonn, Düsseldorf, Essen, Köln und Münster bilden das Rückgrat der Krankenhausversorgung in Nordrhein-Westfalen und liegen im Verantwortungsbereich des Landes. Und immerhin die Landespolitik hat Unterstützung angekündigt. Auf dem Krankenhausratschlag, einem Warnstreik-Treffen von etwa 600 Kolleg*innen aus allen Unikliniken, berieten die Delegierten Mitte April über ihr gemeinsames Vorgehen und demonstrierten öffentlichkeitswirksam die Kraft ihres Bündnisses.

Zur Versammlung im Stadion Niederrhein in Oberhausen am 13. April 2022 lud "Notruf NRW" auch Parteienvertreter*innen ein. Nachdem Beschäftigte aus den einzelnen Arbeitsbereichen eindringlich von ihrem nervenzehrenden Arbeitsalltag berichteten, legte der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sich fest: "Es wird einen Tarifvertrag Entlastung geben", sagte der Minister unter dem Jubel der engagierten Kolleg*innen. "Die Stimmung an diesem Tag im Stadion von Oberhausen war so erdrückend deutlich, dass Laumann kaum um diese Zusage herumkam", schätzt Dagmar Holste die Aussage des Politikers ein.

Inzwischen aber bekennt sich die gesamte Landesregierung von Nordrhein-Westfalen zum Tarifvertrag Entlastung. "Das ist ein wichtiges Signal und belegt, dass unser Druck seine Wirkung zeigt", sagt Gabriele Schmidt, Leiterin des ver.di-Landesbezirks Nordrhein-Westfalen. "Jetzt kommt es darauf an, dass diese oder die nächste Landesregierung umgehend eine Struktur schafft, in der wir mit den Arbeitgebern über einen Tarifvertrag Entlastung verhandeln können", so die ver.di-Landesleiterin weiter. ver.di sei zu Verhandlungen mit dem Arbeitgeberverband des Landes NRW bereit. Die Streiks an den sechs Uniklinken laufen aber wie geplant an. "Wie gut der Tarifvertrag wird", sagt Gabriele Schmidt, "das hängt von unserer Stärke in den kommenden Wochen ab".

Und damit der Tarifvertrag Entlastung so kurz vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 15. Mai 2022 bei keiner Partei in Vergessenheit geraten konnte, hat ver.di gleich am 7. Mai noch zu einer Großdemonstration in Düsseldorf eingeladen, um den Beschäftigten die Gelegenheit zu geben, die nordrhein-westfälischen Politiker*innen an ihre Versprechen zu erinnern. Die Beschäftigten sind bereit alles zu geben und dafür zu sorgen, dass ihr Notruf für mehr Personal und Entlastung nicht ungehört verhallt. Ihre Bewegung für bessere Arbeitsbedingungen wächst beständig. Und mit ihr auch die Zahl an ver.di-Mitgliedern.

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