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Tim Caldenhoven – Justizvollzugsbeamter aus LeidenschaftStephan Pramme
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Im inneren Ring der Justizvollzugsanstalt GelsenkirchenStephan Pramme
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Morgenrunde mit HausarbeiterStephan Pramme
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Besprechungsraum in der JVA GelsenkirchenStephan Pramme
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Tim Caldenhoven würde immer wieder Justizvollzugsbeamter werdenStephan Pramme
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Blick aus dem Gefängnisflur auf isolierten Häftling während des HofgangsStephan Pramme
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Spirelli Bolognese – unter Aufsicht vom Vollzugsbeamten verteilt ein Insasse das MittagessenStephan Pramme
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Hofgang unter AufsichtStephan Pramme
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Tim Caldenhoven und sein Kollege Nico Antoniewicz überwachen die Rückkehr eines HäftlingsStephan Pramme
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Tim Caldenhoven beim Verteilen der PostStephan Pramme
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Fesselbett samt Fesseln ist das letzte Mittel, das im Gefängnis eingesetzt wirdStephan Pramme
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Computer, Ruf- und Gegensprechanlage – auch im Strafvollzug läuft längst vieles digitalStephan Pramme
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Tim Caldenhoven beim Dienstantritt um 5:30 UhrStephan Pramme

Der Gefangene in Zelle 184 rastet aus. Er schlägt und tritt von innen gegen die stählerne Tür. Brüllt, dass es über beide Gefängnisflure der Abteilung 1 im Männerhaus A der Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen zu hören ist. Gerade erst hatte der Vollzugsbeamte Tim Caldenhoven mit dem langen Schlüssel, der an seinem Hosenbund hängt, im Beisein eines Kollegen die Zelle geöffnet und dem Häftling eine Pille gereicht. "Nehmen Sie bitte erst mal Ihre Tablette", hatte er in freundlichem und ruhigem Ton gesagt.

Der etwa 40-jährige, schmächtige Mann in der Zelle ist erst seit wenigen Tagen hier. Seine halblangen Haare hängen ihm in Strähnen ins Gesicht, er wirkt fahrig und orientierungslos. Er ist auf Entzug. Und aggressiv. Die Tablette soll ihn beruhigen. Doch sie scheint das Gegenteil zu bewirken. Kaum ist die Zelle wieder verschlossen, tillt er. Es ist 6:30 Uhr und Caldenhoven seit einer Stunde im Dienst.

Der Dienstwechsel

Gut eine Stunde zuvor, der Tag ist noch dunkel, checkt der durchtrainierte 35-Jährige am Haupttor ein und eilt mit einer Sporttasche in der rechten Hand über den Innenhof zum Männerhaus A, kurz MA. In der ersten Etage muss er einen jungen Kollegen in der Wachstube von der Nachtschicht ablösen. "Hier war alles ruhig", sagt der und steht sichtlich müde vom Stuhl hinter dem Schreibtisch mit den zwei Monitoren auf. Nur eine kleine Schreibtischlampe beleuchtet die fast rundum verglaste Wachstube. Noch ist es im Haus so dunkel wie draußen.

"Die denken, wir schließen nur Zellen auf und zu, laufen mit einer Knarre oder im schlimmsten Fall mit einer Granate am Gürtel rum." Tim Caldenhoven, Justizvollzugsbeamter

Routiniert und fast geräuschlos vollzieht sich der Dienstwechsel. Wie Schatten schieben sich Männer in dunkelblauer Dienstkleidung im Treppenhaus aneinander vorbei. Nur ihre Schritte auf den vergitterten Treppenstufen hinterlassen ein metallenes Scheppern. Tim Caldenhoven richtet sich in der Wachstube ein. Stellt seine Tasche unter den Tisch mit der Kaffeemaschine, nimmt dann hinter den Monitoren Platz. Es ist jetzt 5:45 Uhr. Auf allen vier Etagen des Hauses ertönt ein Gong wie im Abflugbereich eines Flughafens. Nur begibt sich hier jetzt niemand zum Flugsteig. Der Gong ist der Wecker der Gefangenen.

Zwei Kollegen kommen rein und wundern sich, was Caldenhoven hier oben macht. Er sei doch unten im Erdgeschoss eingeteilt, dort sei ein Kollege ausgefallen. Ein Blick in die Mails bestätigt Caldenhoven die Dienstplanänderung. Bevor er sich seine Tasche schnappt und runtergeht, schaltet er noch das Licht auf allen Etagen ein. Es ist 6 Uhr. Von nun an geht es für ihn bis Schichtende im Minutentakt durch den Vormittag.

Die Routine

Unten lässt er die beiden sogenannten Hausarbeiter aus ihren Zellen raus, damit sie ihre Arbeit aufnehmen können: Frühstück verteilen, Müll und Post einsammeln, Gemeinschaftsflächen saubermachen. Da sie sich dabei frei bewegen, muss Caldenhoven immer ein Auge auf die beiden Männer in der Anstaltskleidung – sandfarbene Cargohose, blaues T-Shirt – haben. Genauso wie auf die Ruf- und Gegensprechanlage in der Wachstube. Sie blinkt ständig rot auf.

Es geht zu wie im Krankenhaus, wo nach den Pflegekräften geklingelt wird. Manches kann Caldenhoven per Gegensprechanlage klären. Er wählt eine der rot leuchtenden Zellen an, auf einem kleinen Bildschirm öffnet sich ein Fenster mit Passbild des Insassen. Der will wissen, ob er heute in der Freistunde die Küche nutzen könne. "Nein, das ist leider nicht möglich." – "Wann kann ich denn?" – "Das machen wir später."

Andere Zellen muss Caldenhoven aufsuchen. Ein Insasse darf heute in Begleitung zu einer Beerdigung. Bei einem anderen Gefangenen sammelt der Beamte einen Antrag auf Kostumstellung von mohammedanisch auf vegetarisch ein. Dem nächsten muss er erklären, dass seine Familie einen Gebetsteppich von 80 Zentimeter Länge mitbringen dürfe, er den Koran aber über die Anstaltsbibliothek anfordern müsse.

Jedes Mal schließt Caldenhoven eine Zelle auf, bespricht mit dem Gefangenen dessen Anliegen, schließt wieder zu und schaltet die rote Leuchte über der Zelle aus. Nach jedem Auf- und Einschluss desinfiziert er sich die Hände.

Kaum ist er zurück in der Wachstube und sichtet die Lage über die Monitore, steht einer der Hausarbeiter in der Tür. "Sie möchten Ihre Ibuprofen", weiß Caldenhoven schon, holt die Tablette aus der Schublade und reicht sie über den Tisch. Als der Hausarbeiter wieder raus ist, sagt er: "Die haben hier ständig Kopfschmerzen. Die trinken alle zu wenig, rauchen ihre Zellen voll und lüften nicht." Er selbst greift zu einer Glasflasche mit Wasserkefir, die er immer dabeihat. "Den setze ich selbst an. Ich achte auf meine Ernährung, mache Kraftsport. Ich fühle mich dadurch mental und körperlich fit."

Diesen Eindruck hinterlässt er bei jeder Tätigkeit. Caldenhoven bleibt den Inhaftierten gegenüber gleichbleibend zugewandt, freundlich, ist klar in seinen Ansagen. In acht Stunden ist für ihn nicht mehr als eine Kaffeepause drin. In seiner Abteilung ist er heute allein zuständig für 31 Gefangene, darunter Schwerverbrecher, die lebenslänglich einsitzen. Und für den Häftling in Zelle 184, der immer wieder am Rad dreht.

Die Auffälligen

Insgesamt 14 Inhaftierte wie er werden aktuell in ihren Zellen beobachtet. Aus medizinischen Gründen, weil sie selbstmordgefährdet sind oder eine Gefahr für andere darstellen. "Die psychisch Auffälligen werden mehr", sagt Caldenhoven. Seit 12 Jahren ist er inzwischen in der Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen. Den zweiten Häftling, den er auf seiner Station beobachten muss, kennt er bereits seit seinem ersten Dienst. Ein Wiederholungstäter. Einer, der von den Drogen nicht loskommt. "Früher war der ganz normal, inzwischen geht sein Drogenkonsum voll auf seine Psyche", sagt Caldenhoven.

Elisabeth Nubbemeyer, die die JVA Gelsenkirchen leitet, bestätigt die Zunahme Inhaftierter mit schweren Drogenproblemen. "Eigentlich gehören die gar nicht hierher", sagt sie. Doch die Krankenhäuser und psychiatrischen Kliniken seien längst an ihren Grenzen. Auch die Kosten dürften eine Rolle spielen. Pro Tag pro Patient entstehen in der Psychiatrie Unterbringungskosten in Höhe von knapp 300 Euro. In NRWs Justizvollzugsanstalten, zu denen die JVA Gelsenkirchen zählt, sind es nach letzten Zahlen von 2018 hingegen nur rund 140 Euro. Im Strafvollzug könne es nur darum gehen, sagt Nubbemeyer, dass diese Inhaftierten ihre Haftzeit mit fachlicher Unterstützung gut überstehen.

Nordrhein-Westfalen hat bundesweit die meisten Gefangenen. Im Jahr 2020 waren es insgesamt 10.798 Männer und 736 Frauen. 2019 saß bereits jeder vierte Strafgefangene in Deutschland in NRW hinter Gittern. Und laut Statistik der Bundesregierung ist etwa jeder 3. Inhaftierte dort Ausländer oder staatenlos. In Gelsenkirchen gilt das derzeit für mehr als jeden Dritten. Die Stadt führt auch seit Jahren die Liste der Städte mit der höchsten Erwerbslosenquote an. Bei 14,8 Prozent lag sie im vergangenen Jahr.

Die 59-jährige Anstaltsleiterin sitzt in ihrem hellen Büro im obersten Stockwerk der Verwaltung. Von hier aus kann sie nahezu den gesamten Komplex überblicken, sieht auf die Küche und die darüber gelagerte Sporthalle. Das runde Gebäude sieht aus wie ein UFO, dass im Mauerring der Anstalt gelandet ist. "Man muss ein Menschenfreund sein, wenn man hier arbeitet", sagt sie. Man muss aushalten können, was manche Straffällige getan haben. Den Anspruch haben, allen eine zweite Chance geben zu wollen. Aktuell befinden sich 335 Männer und 103 Frauen im geschlossenen Vollzug, knapp 100 Männer und 42 Frauen im offenen Vollzug. Um sie kümmern sich 238 Justizvollzugsbeamte, sechs Psycholog*innen und 65 Beschäftigte in der Verwaltung, der Küche und anderen Bereichen. "Wir tun, was wir tun können", sagt Nubbemeyer.

Caldenhoven bittet als nächstes über die Rufanlage, dass sich alle melden mögen, die am Methadon-, dem Drogenersatzprogramm, teilnehmen. Mehrere Zellen auf dem Display leuchten rot auf, in wenigen Minuten sind alle Betroffenen rausgeholt. Caldenhoven wird dabei von seinem Kollegen Nico Antoniewicz unterstützt. Der springt heute zwischen zwei Stationen hin und her. Zusammen stellen sie sich am Haupteingang des Hauses auf, nacheinander kommen die Häftlinge raus und gehen ein Haus weiter, wo sie zwei andere Beamte in Empfang nehmen.

Nicht zu übersehen ist ein Gefangener, der ein blaues Handtuch um seine Haare zu einem Turban getürmt hat. Seine Unterhose hat er so weit hochgezogen, dass sie zur Hälfte aus seiner Jeans heraushängt. "Gott ist mein Richter!", sagt er, als er an den beiden Justizvollzugsbeamten vorbeigeht, um sich im nächsten Haus auf der Medizinstation sein Methadon abzuholen. Schnell und linkisch sammelt er noch Zigarettenstummel aus dem Aschenbecher vor der Tür und stopft sie in seine Hosentaschen.

Die Drogen

Die beiden Vollzugsbeamten kennen das schon. Sie blicken darüber hinweg. Hart im Nehmen seien die Inhaftierten, sagt Antoniewicz. Auch was Drogen betreffe. Die Häftlinge nehmen das Methadon zwar unter Aufsicht ein. "Manche erbrechen es aber wieder und verkaufen es einem anderen", sagt der 32-Jährige, der seit acht Jahren im Dienst ist.

Caldenhoven sagt, dass sich die Drogengeschäfte im Knast nicht komplett unterbinden lassen. "Drogen kleben unter Briefmarken, stecken in Marsriegeln, Campino-Bonbons sind in Heroin getränkt", zählt er auf. Der Fantasie seien keine Grenzen gesetzt. Dass ein Beamter mithelfe und deale, komme hingegen nur sehr selten vor, sagt Caldenhoven. "Das ist ein Pakt mit dem Teufel. Das endet irgendwann, und es endet nie gut." Zuletzt ist vor vier Jahren ein Kollege aufgeflogen.

Caldenhoven, der auch ver.di-Mitglied und Mitglied im Hauptpersonalrat ist, hat es bisher nicht bereut, in den Vollzugsdienst gegangen zu sein. Er war vorher kaufmännischer Angestellter im Kundenmanagement. Mit 23 wechselte er. Justizvollzugsbeamte wurden damals gesucht wie heute auch. "Viele Kollegen gehen bald in Rente", sagt er, aber der Nachwuchs fehle. Was ihren Beruf ausmache, wisse kaum jemand. "Wenn ich auf einer Party erzähle, was ich beruflich mache, haben die ein völlig falsches Bild", erzählt er. "Die denken, wir schließen nur Zellen auf und zu, laufen mit einer Knarre oder im schlimmsten Fall mit einer Granate am Gürtel rum." Tatsächlich hängen an dem nur ein paar schwarze Handschuhe, sein Schlüsselbund und das Funkgerät mit einem roten Notfallknopf.

Caldenhoven und Antoniewicz sehen sich als erste und wichtigste Ansprechpartner für die Häftlinge. Sie verbringen die meiste Zeit mit ihnen. Regeln wichtige Dinge für sie. Es gehe im Miteinander vor allem um Respekt. Und um das Einhalten von Regeln auf beiden Seiten. Dazu gehöre das uneingeschränkte Siezen, auf das sie die Gefangenen immer mal wieder hinweisen müssten. Zudem: "Man darf keine leeren Versprechungen machen. Wenn ich sage, ich kümmere mich noch heute um einen Antrag, dann muss ich es auch tun", sagt Caldenhoven. Und manchmal müsse man sich einfach ein paar Minuten Zeit nehmen.

So viel Zeit braucht jetzt der dritte Inhaftierte, der auf der MA1 in einer Beobachtungszelle untergebracht ist. Er schlägt gegen seine Zellentür, schreit nach Hilfe. Sobald Caldenhoven die Zelle öffnet, beruhigt sich der junge Mann darin, an dessen Hals an einem langen Band ein Schnuller baumelt. Sein Bett belegt zur Hälfte ein lebensgroßer Stofftiger. Auf den ersten Blick scheint ein übergewichtiger und trotziger Junge durch die enge Zelle zu schlurfen. Ein Junge, der nicht hierhergehört.

Von seinem Schreibtisch holt er einen Brief. Er reicht ihn Caldenhoven mit der Bitte, ihn an die Psychologin weiterzuleiten. "Ich habe ein Manifest über mein Leben geschrieben. Das ist heftig, sehr heftig. Ich bin nämlich Systemsprenger", sagt er. Caldenhoven wendet den Brief kurz und gibt ihn wieder zurück. Es wäre besser, wenn er ihn der Psychologin selbst übergebe. Er fragt noch, ob er jetzt gleich zur Freistunde mit raus wolle. Das will er nicht. Der Systemsprenger wird wieder in seiner Zelle eingeschlossen.

Der Freigang

Antoniewicz greift zum Funkgerät und ruft die anderen Etagen zum Freigang runter: "MA4 und MA3, ihr könnt jetzt abrücken." Draußen werden sechs Häftlinge, die in Quarantäne sind, mit Baustellengittern vom eigentlichen Freigangbereich abgesondert. Alle anderen drehen dort ihre Runden, stehen oder sitzen in kleinen Gruppen zusammen, quatschen. Der Häftling mit dem Handtuch-Turban und der aus Zelle 184 teilen sich im Gehen die eingesammelten Zigarettenstummel. Die Tablette zeigt endlich Wirkung, 184 ist jetzt ruhiger.

Caldenhoven und Antoniewicz stehen mit breiten Beinen und festem Blick auf die Häftlinge außerhalb der Zäune. Kurz denkt man an Bud Spencer, Terence Hill und ihre vier Fäuste, als sie beginnen, von einer Massenschlägerei vor ein paar Jahren zu erzählen. Okay, Antoniewicz müsste größer sein und einen runden Bauch haben und Caldenhoven sein rotblondes länger und keinen Vollbart tragen. 77 Gefangene seien damals aufeinander losgegangen. Das ist so ein Moment, wo der rote Alarmknopf am Funkgerät gedrückt und Unterstützung von der Polizei, die sogenannte Amtshilfe, angefordert wird. Die beiden Beamten sind zwar durchtrainiert, aber viele der Gefangenen sind das auch und oftmals einen Kopf größer. Dass sie jedoch gewalttätig gegenüber den Vollzugsbeamten werden, sei die Ausnahme.

Als alle wieder drinnen sind, beginnen die beiden Hausarbeiter mit der Ausgabe des Mittagessens, Spirelli Bolognese und Gurkensalat. Die ersten Gefangenen sind von ihrer Arbeit in den Gefängnisbetrieben zurück und langen zu. "Heute schmeckt es ganz gut", sagt der Hausarbeiter, dessen Kopfschmerzen verflogen scheinen.

Die Post

Auf Caldenhovens Tisch liegt inzwischen die Post für die Insassen. Er muss jeden Umschlag öffnen, den Inhalt prüfen, Karten knicken und daran lauschen, weil sich zwischen Bild und Karte Drogen befinden können. Es knistere dann. Aus einem Umschlag fallen etliche Karten, Fotos, Katzenbilder, beschriebene Zettelchen und ein 5-Euro-Schein. Den muss er rausnehmen und direkt zur Zahlstelle bringen. Dort überweist eine Verwaltungsangestellte das Geld auf das Konto des Häftlings. Bargeld dürfen die Gefangenen nicht besitzen.

Um 12:09 Uhr meldet Caldenhoven ein paar Minuten verspätet den Bestand: "Ich habe eigentlich auf MA eins 31 Mann, einer ist noch auf Termin, elf habe ich in der Küche", spricht er ins Funkgerät. Dann geht er die Post verteilen.

Anschließend übernimmt Kollege Antoniewicz seine Stelle, Caldenhoven geht rüber in die Sporthalle. Fortbildung für die Vollzugsbeamten am Fesselbett. Der Fortbilder erklärt, wie die Beamten die Fesseln anlegen und festziehen müssen, damit sich der Gefangene daraus nicht befreien kann. Eine junge Vollzugsbeamtin stellt sich zur Verfügung. Ihre Handgelenke sind sehr schmal und sie möchte wissen, ob sie sich deshalb der Fessel leichter entziehen könne. Kann sie nicht, sie hängt mit ihrer Hand fest.

Marisa Schräder, Vollzugsbeamtin seit Inbetriebnahme der JVA Gelsenkirchen vor 24 Jahren, guckt interessiert zu. Als Caldenhoven vor 12 Jahren anfing, war Schräder seine Ausbilderin. "Ich hätte keine bessere haben können", sagt er. Vor allem im Umgang mit den Gefangenen habe er viel von ihr gelernt. Sie sagt, gefährlicher sei die Arbeit für Frauen im Gefängnis nicht. Was sich allerdings in den letzten Jahren geändert hätte, sei der Respekt der Inhaftierten gegenüber Frauen. "Wenn einer zur mir sagt ,guck auf den Tisch', dann lernt der von mir schnell, dass das hier bei uns anders läuft."

Das Fesselbett ist das letzte Mittel. Bis zum Ende dieser Frühschicht musste es in keinem Haus der JVA eingesetzt werden. Es ist jetzt 13:30 Uhr, die Spätschicht ist da. Justizvollzugsbeamter und Menschenfreund Tim Caldenhoven sagt noch: "Ich würde immer wieder hier anfangen. Es ist ein Topjob, ich kann ihn nur empfehlen". Und dann hat er Feierabend.

WER SITZT EIN?

In den 36 Justizvollzugsanstalten in Nordrhein-Westfalen sind in Haft:

72% erwachsene Strafgefangene

19% Untersuchungsgefangene

7% sind im Jugendstrafvollzug

6% Frauen

37% ausländische Gefangene

1% Gefangene befinden sich in Sicherungsverwahrung