Der Stammtisch war in Bayern eine Institution – eine exklusive. Da durfte sich nicht jeder hinhocken. Einigen Politikern war er so wichtig, dass sie die Lufthoheit über ihm verteidigen wollten. Und immer wieder wurde er totgesagt. Wir haben mit Beamtinnen und Beamten in ver.di gesprochen und sind uns sicher: Der Stammtisch lebt! Wieder!

Es ist ein Dienstagabend, sechs Uhr, die letzten Sonnenstrahlen strahlen das Gewerkschaftshaus an. Drinnen im Aktionskeller, einer Art Kneipe der ver.di Jugend, sitzt Stefan Hufer am Kopf des Tisches. Der Endvierziger arbeitet bei der Landeshauptstadt in München rund um Themen der Digitalisierung. Solche Innovationen, mögen böse Zungen sagen, möchte man von Beamten zwangsläufig nicht automatisch erwarten.

Hufer ist da anders. So kam ihm auch eines Tages die Idee, einen Stammtisch für die Berufsgruppe der Beamt*innen ins Leben zu rufen. Normalerweise verbindet man einen Stammtisch mit dem Geruch von Bierdeckelpappe, Bratwurstfett und Weizenschaum. Huber und die anderen Aktiven sind da pragmatisch: Mal sitzen sie im Gewerkschaftshaus, mal in der Kneipe oder im Wirtshaus zusammen. Und trifft damit den Zeitgeist der in ver.di organisierten Beschäftigten.

Aus einer zunächst losen Zusammenkunft von organisierten Beamtinnen und Beamten ist ein Netzwerk von 120 Interessent*innen geworden. Bis zu dreißig Mitglieder sitzen bei den Veranstaltungen mit Hufer am Tisch, diskutieren über gesellschaftliche Themen oder wie aktuell die Tarifrunde der Länder.

Ein, zwei Maß und Politikgespräche: Vor allem im Großraum München lieben die Bayern den Stammtisch, um zu diskutieren. Besonders ausgeprägt ist diese Tradition auch in Oberbayern. Fast jeder dritte Bayer ab 16 Jahren gehört einem Stammtisch an, so eine Studie der Gesellschaft für Markt- und Sozialforschung (GMS). Die Stammtischkultur wird auch durch die Kolleginnen und Kollegen neben Hufer wiederbelebt.

Ursprünglich verspürte Hufer im Bereich der Beamt*innen wenig Unterstützung, wollte von anderen Aktiven erfahren, ob es ihnen ebenso geht. Die Mög- lichkeit der Beteiligung hat er mit dem Stammtisch geschaffen. Jetzt wird aktiv nachgefragt, kontrovers diskutiert, aber auch gelacht und Themen für Beamtinnen und Beamte vorangetrieben.

"Das sehr verstaubte Bild von Beamten möchte ich in Frage stellen und damit in die Öffentlichkeit gehen, zudem meine Kolleginnen und Kollegen dazu motivieren, für ihre Rechte einzustehen. Darauf aufmerksam zu machen, ist noch kein Selbstläufer", sagt Hufer. Und vielleicht treffen sie sich ja zum nächsten Termin diesmal bei typisch knarzenden Holzböden, Kachelöfen und urigen Eckbänken. Der Gesprächsstoff wird den Beamtinnen und Beamten nicht ausgehen.