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Protest vor der Galeria-, Ex-Karstadt-Filiale am Hermannplatz in BerlinFoto: Florian Boillot

BERLIN – Obwohl es in der Hauptstadt keinen Mangel an Bauprojekten gibt, werden immer weitere Vorhaben auf den Weg gebracht. So auch der heftig umstrittene Teilabriss und Ausbau des Karstadt-Warenhauses am Hermannplatz.

Hinter dem Projekt steckt der österreichische Immobilienkonzern Signa, Eigentümer aller Karstadt- und Kaufhof-Warenhäuser, die inzwischen unter dem Label "Galeria" firmieren. Für den traditionsreichen Standort am Hermannplatz plant das Unternehmen eine Entkernung des bestehenden Gebäudes aus den siebziger Jahren, eine Aufstockung sowie die Umgestaltung des existierenden Parkhauses in – zumindest klimafreundlich klingender – Holzbauweise. Herauskommen soll am Ende ein protziges Gebäude im Stil des Ursprungswarenhauses aus den 1920er Jahren (ver.di publik 07_ 2019).

Viele Büros, wenig Verkaufsfläche

Das Warenhausgeschäft hat darin nach Signa-Vorstellungen allerdings nachrangige Bedeutung: Für alle Verkaufsflächen inklusive vermieteter Geschäfte stehen dann noch 23.400 von insgesamt 84.000 Quadratmetern zur Verfügung. Mit 45.000 Quadratmetern sollen Büros den Löwenanteil der vergebenen Flächen erhalten, mehr als 53 Prozent. Daneben sind im Signa-Konzept 4.500 Quadratmeter für nicht weiter definierte Gemeinwohlzwecke, 4.100 für "bezahlbaren" Wohnraum, 3.800 für Gastronomie sowie 3.200 für öffentliche Dachterrassen vorgesehen.

Die Pläne des Konzerns mit dieser Flächenverteilung hat sich Mitte März der Berliner Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) zu Eigen gemacht und auf dieser Basis einen "vorhabenbezogenen Bebauungsplan" eingeleitet. Einwände der Koalitionspartner Grüne und Linke wischte er ebenso weg wie die Kritik vieler Bewohner*innen der Anrainerbezirke Kreuzberg und Neukölln, zwischen denen der Hermannplatz und das Karstadt-Haus liegen.

6.000 Unterschriften gegen Signas vom Senator unterstützte Pläne übergab die "Initiative Hermannplatz" Mitte März Abgeordneten der Grünen und der Linken aus dem Stadtentwicklungsausschuss. Von der SPD erschien – trotz Einladung – niemand zur Übergabe. "Geisel behauptet, die Bürger*innen seien bereits ausreichend einbezogen worden, was jedoch nicht stimmt, denn es gab nur einige unverbindliche Anhörungsrunden", sagt Susanna Kahlefeld, Mitglied der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus. "Er hat den von Signa versprochenen Beteiligungsprozess entsprechend der Berliner Leitlinien sogar gestrichen." Nunmehr würden die Baupläne nur nach den gesetzlichen Vorgaben ausgelegt, wodurch sich noch kein großes Bauprojekt habe verhindern lassen.

Beste Lösung: Umbau bei laufendem Betrieb

Für den Hermannplatz, seine Anwohner*innen sowie die Beschäftigten im Karstadt-Haus bedeutet das Vorhaben nichts Gutes: Eine Großbaustelle über Jahre hinweg dürfte die Gegend zunächst zur No-go-Area werden lassen. "Nach wie vor wäre ein Umbau während des laufenden Betriebs die beste Lösung. Das lehnt Signa kategorisch ab. Die wichtige Nahversorgung der Neuköllner*innen und Kreuzberg*innen darf während des Um- und Ausbaus nicht entfallen. Hierzu braucht es einen temporären Umzug des Warenhauses, wie er nach dem Ende 2019 geschlossenen Integrationstarifvertrag möglich ist. Nur so bleiben während der Umbauphase alle Arbeitsplätze erhalten", betont Conny Weißbach, Fachbereichsvorsitzende Handel im ver.di-Landesbezirk Berlin-Brandenburg.

Die Initiative Hermannplatz hat nach dem von Senator Geisel verkündeten Aufstellungsbeschluss, mit dem der Bebauungsplan eingeleitet wird, weiteren Widerstand gegen das Signa-Projekt angekündigt, da sie darin ebenso wie weitere Bürgerinitiativen und Anwohnende "eine Zerstörung unserer gewachsenen Kieze und Nachbarschaften" sehen. Damit werde die Verdrängung langjähriger Bewohner*innen aus einem Stadtquartier eingeleitet, denn letztlich entstehe durch den Umbau am Hermannplatz ein weiteres Luxusquartier mit am Ende eher unbezahlbaren Mieten.

"Nebenbei" soll schließlich auch der zu Neukölln gehörende Platz nach den Wünschen Geisels und Bezirksbürgermeisters Martin Hickel (ebenfalls SPD) von einer "Schmuddelecke" zur Vorzeigeplaza herausgeputzt werden. Allerdings habe bei diesen Plänen Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) mehr als ein Wörtchen mitzureden, betont Susanna Kahlefeld. "Unter dem Hermannplatz befindet sich ein großer Umsteige-U-Bahnhof. Wie sich der geplante Um- und Ausbau des Warenhauses auf die Statik des Bahnhofs auswirkt, ist noch gar nicht geklärt." Angesichts bekannter Pannenbaustellen in Berlin erscheint es nicht abwegig, dass mit dem Bau eines überflüssigen Investorenprojektes ein bisher funktionierender Verkehrsknotenpunkt beeinträchtigt werden könnte. Unter anderem verläuft unterm Hermannplatz die längste und zu Stoßzeiten mit am meisten genutzte U-Bahnstrecke der Stadt. Die sollte nicht auf der Strecke bleiben.