Im Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in den Lieferketten global agierender Unternehmen wurde mit dem 2021 verabschiedeten deutschen Lieferkettengesetz ein Zwischenschritt gemacht. Nun soll ein europäisches Lieferkettengesetz kommen. Die EU-Kommission hat bereits Ende Februar einen Entwurf vorgestellt, die "Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit". Doch die hat Lücken.

Die Regeln der Richtlinie sollen für alle Unternehmen im EU-Binnenmarkt mit mehr als 500 Beschäftigten und einem jährlichen Nettoumsatz von 150 Millionen Euro gelten. In den im Gesetzentwurf als Risikosektoren bezeichneten Branchen Textil, Landwirtschaft und Bergbau sollen die Pflichten bereits für Unternehmen ab 250 Beschäftigte und einem Nettoumsatz von 40 Millionen Euro gelten. Damit werden aber nicht einmal 1 Prozent aller Unternehmen in der EU erfasst. Nicht als Risikosektoren eingestuft sind die Bereiche Transport, Bauwesen, Energie und Finanzen, obwohl es auch dort oft erhebliche Risiken für Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen gibt. Immerhin: Die Pflichten sollen entlang der gesamten Lieferkette gelten. Das unterscheidet die Richtlinie vom deutschen Lieferkettengesetz, das nur die Zulieferer am Anfang der Kette in den Fokus nimmt.

Heißes Eisen Haftung

Der Kommissionsentwurf betont zudem zwar die zentrale Bedeutung des Privatsektors für die Einhaltung der 1,5°C-Grenze nach dem Pariser Klimaabkommen. Aber Unternehmen werden keine eigenständigen klimabezogenen Sorgfaltspflichten auferlegt. Das ist auch ein Mangel des deutschen Lieferkettengesetzes.

"Mit diesem Entwurf legt die EU den Grundstein für weniger Ausbeutung und Umweltzerstörung in den Lieferketten europäischer Unternehmen. Für den großen Wurf müsste die EU aber die heißen Eisen konsequenter anfassen: Sorgfaltspflichten nicht nur für ein Prozent der Unternehmen. Klare klimabezogene Pflichten in der Lieferkette. Und eine Haftungsregelung ohne Schlupflöcher, die Gerechtigkeit für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen schafft", sagt Johannes Heeg, Sprecher der Initiative Lieferkettengesetz.

Die Kommission habe dem Druck der Lobbyisten der großen Wirtschaftsverbände nachgegeben. Nach Recherchen von CORRECTIV, einer spendenfinanzierten Rechercheplattform, und des Südwestrundfunks haben unter anderem die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BdA) und die CDU-nahe Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) schon im März 2021 massiv versucht, das Lieferkettengesetz zu verhindern. Die Bundesregierung müsse daher jetzt ihren Einfluss in der EU nutzen und für Nachbesserungen im EU-Gesetz einsetzen. Schließlich habe sie sich im Koalitionsvertrag zu einem "wirksamen" EU-Lieferkettengesetz bekannt, so Heeg. Unter dem Motto "Yes EU can!" hat die Initiative am 20. April 2022 ihre Kampagne und Petition für ein starkes EU-Lieferkettengesetz gestartet.

Der Kommissions-Entwurf geht im weiteren Verfahren ins Europäische Parlament sowie in den EU-Rat. Einmal verabschiedet, müssen die EU-Mitgliedsstaaten die Richtlinie in nationales Recht umwandeln. Deutschland muss dann in dem Fall das deutsche Lieferkettengesetz, das 2023 in Kraft tritt, anpassen.

pewe

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lieferkettengesetz.de/mitmachen