Nach der Berliner Krankenhausbewegung haben es jetzt auch die Beschäftigten der sechs Universitätskliniken in Nordrhein-Westfalen geschafft. Nach 77 Tagen Streik und über 25 Verhandlungstagen ließen sich die Arbeitgeber zu einem Tarifvertrag "Entlastung" bewegen. Sogar die Arbeitsgerichte hatte der Arbeitgeber bemüht, um die Streiks zu verhindern. Doch das Vorhaben scheiterte auch in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht.

Es sei "unglaublich beeindruckend", mit welcher Ausdauer und Entschlossenheit sich die Beschäftigten für den Tarifvertrag eingesetzt haben, sagt Sylvia Bühler, im ver.di-Bundesvorstand für den Bereich Gesundheit zuständig. Die Landesfachbereichsleiterin für Gesundheit, Soziales, Bildung und Wissenschaft, Katharina Wesenick, betont, die Klinikbeschäftigten hätten diesen wichtigen Erfolg "solidarisch und aufrecht" errungen. Dabei hätten sich die Streikenden weder von juristischen Verbotsversuchen noch von immer neuen Verhandlungsfinten der Arbeitgeber beeindrucken lassen.

Das steht drin im Tarifvertrag

Der Tarifvertrag gilt ab Anfang 2023 und beinhaltet verschiedene Modelle, die die Beschäftigtengruppen im Klinikalltag wirksam entlasten sollen. Für weite Teile der Pflege inklusive der psychiatrischen Stationen und der Notaufnahmen wird schichtgenau das Zahlenverhältnis von Beschäftigten, Patientinnen und Patienten festgelegt. Wird diese Quote unterschritten oder kommt es zu anderweitig belastenden Situationen, erhalten die Betroffenen Belastungspunkte. Für jeweils sieben Punkte wird ihnen ein zusätzlicher freier Tag als Belastungsausgleich gewährt. Im ersten Jahr der Umsetzung können bis zu 11 freie Tage zusammenkommen. Im zweiten Jahr sind es 14 und ab dem dritten Jahr maximal 18 zusätzliche freie Tage. Für die Umsetzung und die Einführung der nötigen IT-Systeme bekommen die Kliniken allerdings anderthalb Jahre Zeit.

"Das ist uns schwergefallen, denn die Kolleg*innen brauchen schnellstmöglich Entlastung", erläutert der ver.di-Verhandlungsführer Heinz Rech. Für den Übergang seien deshalb pauschal fünf Entlastungstage vereinbart worden. Zufrieden zeigt sich Rech damit, dass bundesweit erstmals für viele Beschäftigtengruppen außerhalb der Pflege Mindestbesetzungen und Belastungsausgleiche vereinbart wurden. So werden unter anderem in der Radiologie, in den Betriebskitas und bei Therapeut*innen bereichsbezogene Mindestvorgaben für den Personaleinsatz fixiert, deren Unterschreitung ebenfalls mit zusätzlicher Freizeit ausgeglichen wird.

Für alle Service, IT- und Technikbereiche sowie für die Ambulanzen konnte hingegen lediglich der Aufbau von 30 zusätzlichen Vollzeitstellen pro Uniklinik vereinbart werden. Das sei "bitter" und habe in den Belegschaften zu vielen Diskussionen geführt, so Rech. Insbesondere für die Düsseldorfer Uniklinik sei der Stellenaufbau "ein Tropfen auf den heißen Stein", sagt Rech und betont, dass Krankenhausarbeit Teamarbeit sei und überall ausreichend Personal gebraucht werde.

Bundesweit erstmalig werden im Tarifvertrag "Entlastung NRW" konkrete Entlastungsregeln für Auszubildende geschaffen. So werden unter anderem Mindeststandards für die Praxisanleitung und die Zahl der Lehrkräfte festgeschrieben, bei deren Unterschreitung die Auszubildenden einen Belastungsausgleich erhalten.

Der Tarifvertrag "Entlastung" diene "der eigenen Gesundheit und dem Wohl der Patient*innen", betont Katharina Wesenick. Marion Lühring