Sie sind so etwas wie die Weihnachtsmänner des Alltags – bringen sie doch die heiß ersehnten Klamotten, Bücher oder Gartengeräte direkt ins Haus: Zusteller*innen und alle mit dem Warenvertrieb beschäftigten Menschen üben wichtige Berufe aus. Sehr geschätzt wird ihre Arbeit aber nicht, wie eine aktuelle Befragung unter Beschäftigten der Postdienste, Speditionen und Logistik im Auftrag von ver.di in Bayern zeigt.

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"Die Topthemen in den Betrieben sind die enorme Arbeitsbelastung und Hetze, die Forderung nach sicheren, unbefristeten Arbeitsverhältnissen wie auch der Wunsch nach mehr Wertschätzung", sagt David Merck, zuständiger Landesfachbereichsleiter bei ver.di Bayern. Die Befragung nach dem DGB-Index Gute Arbeit habe zudem offengelegt, dass sich die überwältigende Mehrheit von 95 Prozent für die Allgemeinverbindlichkeit des Flächentarifvertrags Speditionen und Logistik Bayern einsetzt, sodass in allen entsprechenden Betrieben die gleichen guten Bedingungen gelten.

Ein Unternehmen, das in der Region Bayern an mehreren Standorten vertreten ist, bietet bereits ausgezeichnete und somit vorbildliche Verhältnisse: die Spedition Rudolph mit Hauptsitz in Hessen und Niederlassungen unter anderem in Ingolstadt und Dingolfing. David Merck sagt: "Als aktives Mitglied im Arbeitgeberverband hält sich diese Spedition vorbildlich an den Flächentarifvertrag in Bayern." Darüber hinaus gebe es eine Regelung, die für ver.di-Mitglieder exklusiv zwei zusätzliche Urlaubstage und das dazugehörige Urlaubsgeld vorsehe, ergänzt der Gewerkschafter.

Für künftige Tarifrunden und von der Politik wünschen sich die Befragten auch, dass sich die Gewerkschaftsmitgliedschaft ebenso wie die Dauer der Betriebszugehörigkeit auszahlt – in Gestalt besserer Entlohnung oder Bedingungen.

Düstere Rentenaussichten

Neben Wünschen und Forderungen ging es in der Befragung auch um die Erfassung des Ist-Zustandes, und dieser Teil förderte Erschreckendes zu Tage. So bewerteten gut zwei Drittel der Teilnehmer*innen aus der Branche die Arbeit als schlecht, was laut Repräsentativbefragung nach dem DGB-Index Gute Arbeit von 2021 in der Gesamtwirtschaft nur 15 Prozent aller Beschäftigten tun. Die durchschnittlich ermittelten 45 Index-Punkte entsprechen "schlechter Arbeit".

In den Einzelkategorien schnitt am schlechtesten der Sektor "Einkommen und Sicherheit" mit nur 38 Punkten ab. Ganz düster bewerteten die Branchenbeschäftigten ihre Rentenaussichten: 60 Prozent gehen davon aus, dass ihr Alterseinkommen nicht zum Leben reichen wird, 33 Prozent meinen, sie könnten mit der Rente so gerade eben auskommen. Bleiben magere 7 Prozent der Beschäftigten, die ihr Einkommen im Alter als gesichert ansehen.

Die zunehmende Arbeitsintensivität und -verdichtung wirkt sich auf die Qualität der Arbeit aus: Dieser Aussage pflichtete das Gros der Befragten bei. Wer regelmäßig hetzen müsse, um das vorgegebene Pensum zu schaffen, der sei auch gezwungen, Abstriche bei der Qualität in Kauf zu nehmen, lautet die Schlussfolgerung in der Auswertung der Befragung. Doch bei aller Kritik an Arbeitshetze und zu geringer Entlohnung sind überraschend viele der Mitarbeiter*innen in den Lagern, Speditionen und bei der Zustellung mit ihrer Arbeit an sich zufrieden: Der Sinngehalt der Arbeit wird ebenso positiv eingeschätzt wie die Lage der Arbeitszeit.

Am 17. November beginnen die Tarifverhandlungen für die Beschäftigten der Speditionen, Logistik und Kurier, Express und Paketdienste in Bayern. Die Befragung sollte auch ermitteln, welche Hauptforderungen sie damit verbinden. Danach möchte die große Mehrheit deutliche Lohnerhöhungen erreichen. Ebenso wünschen sich viele Beschäftigte Entlastungszeiten oder eine Verringerung der Gesamtarbeitszeit. "Unter den Befragten ist die Bereitschaft zum Engagement in der Tarifrunde hoch", weiß David Merck. Gewerkschaftsmitglieder hätten eine deutliche Streikbereitschaft signalisiert.

Bei einer Befragtengruppe ergaben die Antworten besonders erschreckende Einblicke in einen Betrieb mit immer schlechteren Arbeitsbedingungen: die Deutsche Post AG. "Die Diskrepanz zwischen den Aussagen der Arbeitgeberseite und dem, was die Beschäftigtenbefragung ergeben hat, ist enorm", sagt Merck. Entsprechend hoch sei die Krankenquote, denn Überlastung und tägliche Hetze bei schlechter Bezahlung zehrten die Beschäftigten aus.

Fahrende Sauna

Bernd Mierbach (Name geändert) bestätigt das. Der 50-Jährige arbeitet seit Beginn seiner Ausbildung als Zusteller für die Post in einer bayerischen Stadt. In den 34 Jahren seiner Betriebszugehörigkeit habe sich fast alles verändert, aber nichts zum Besseren. "Briefzustellung bedeutete einmal, früh mit der Arbeit zu beginnen, um dann aber auch am Nachmittag verlässlich Dienstschluss zu haben." Das gelte längst nicht mehr. Die Anforderungen hätten zugenommen und damit seien auch die Arbeitszeiten aufgeweicht worden. "Bei mir geht es noch halbwegs, weil ich mit dem E-Bike unterwegs bin. Aber ich habe Kollegen, die mit dem Postauto den ganzen Tag bis zum Abend unterwegs sind und selbst bei Hitze nicht das Fenster in der Mittagshitze zum Lüften offenhalten dürfen, wenn sie Briefe und Päckchen zustellen. Als Grund wird der Diebstahlschutz genannt, doch für die Beschäftigten wird das Auto zur Sauna!"

Wegen seiner langen Betriebszugehörigkeit verdient Bernd Mierbach halbwegs gut und muss sich nicht vor Altersarmut fürchten. Dennoch sagt er: "Wenn ich jünger wäre, würde ich etwas anderes machen." Dank ver.di, die die Regelung erkämpft hat, kann er mit 55 Jahren in Altersteilzeit gehen, was er auch vorhat. Für die jüngeren Postbeschäftigten müsse sich in den nächsten Jahren allerdings eine Menge ändern, damit aus derzeit sehr schlechter endlich doch wieder gute Arbeit werden kann. Bei der Deutschen Post AG gilt ein bundesweiter Haustarifvertrag, der ab 1. Januar 2023 neu verhandelt wird.