Ausgabe 05/2022
Warum die "Elche" streiken
Vor über zwei Jahren hat ver.di den Möbelkonzern IKEA zu Verhandlungen über einen Tarifvertrag Zukunft für die Beschäftigten an den 54 deutschen Standorten aufgefordert. Aber auch im Sommer 2022 ziert sich die Geschäftsleitung noch.
Ein Sondierungsgespräch, das Mitte Juli zwischen Unternehmensleitung und Vertreter*innen von ver.di, des Gesamtbetriebsrates sowie der Bundestarifkommission stattfindet, bringt keine echte Annäherung. Die IKEA-Chefs bitten sich weitere Bedenkzeit aus und den Abschluss eines Wechsels in der Leitungsspitze, bis über einen möglichen Verhandlungsbeginn entschieden werde. "Das ist sehr enttäuschend für alle Kolleg*innen", stellt Carina Honschopp, Gesamtbetriebsrätin und Mitglied der ver.di-Bundestarifkommission, nach der Gesprächsrunde fest. Immerhin – ohne die zahlreichen Warnstreiks und Aktionen an vielen Standorten, einer Flashmob-Veranstaltung in Leipzig und einer Kundgebung während der Betriebsräteversammlung Ende Juni wäre es nicht einmal zu diesem Treffen gekommen, ist sie sich sicher. "Und deshalb werden wir den Druck weiter hochhalten. Nur so können wir die Unternehmensleitung an den Verhandlungstisch bringen."
Mehr Zeit für Kunden
Die Entwicklungen der zurückliegenden Jahre zeigen, wie nötig ein Tarifvertrag Zukunft für die Kolleg*innen wäre. IKEA treibe die Digitalisierung mit aller Kraft voran, erläutert Frank Schlicht, seit 30 Jahren bei IKEA Dortmund, Betriebsrat und ebenfalls Mitglied der ver.di-Bundestarifkommission. "Es gibt immer mehr Kassen, die die Kund*innen selbst bedienen, Online-Bestellmöglichkeiten in den Filialen und vieles mehr. Wir als Beschäftigte und Betriebsräte wollen den Einsatz der Technik mitgestalten. Deshalb brauchen wir den Tarifvertrag Zukunft." Bereits Mitte Juni sind Beschäftigte an vier IKEA-Standorten in Nordrhein-Westfalen zum wiederholten Mal für die Forderung nach Verhandlungen über diesen Tarifvertrag in den Warnstreik getreten. Streiks gab es zudem in den Wochen zuvor auch vor vielen anderen IKEA-Häusern.
"In dem Tarifvertrag wollen wir die digitale Transformation bei IKEA im Sinne der Beschäftigten regeln und mitgestalten", sagt Orhan Akman, Leiter der ver.di-Bundesfachgruppe Einzelhandel und einer der Verhandlungsführer. "Wir sind für den digitalen Fortschritt, wollen aber, dass die Beschäftigten mitgenommen und abgesichert werden." Dazu sollen sie sich frühzeitig für neue Aufgaben qualifizieren können. Übernehmen digitale Systeme Kassier- und Registriertätigkeiten, haben die Mitarbeiter*innen beispielsweise Zeit für die Kund*innenberatung.
Protest vor der IKEA-Zentrale
Da die IKEA-Geschäftsleitung nicht mit der ver.di-Tarifkommission in verbindliche Verhandlungen einsteigt, lassen mehr als 300 Betriebsrät*innen der 54 deutschen Niederlassungen Ende Juni symbolisch die – aus Kartons bestehende – "Blockademauer der IKEA-Unternehmensleitung" in Düsseldorf einstürzen.
Belegschaften, Betriebsräte und ver.di hätten nichts gegen Digitalisierung und Modernisierungen bei IKEA, sagt Maren Ulbrich, ebenfalls Verhandlungsführerin aus der ver.di-Bundesfachgruppe Einzelhandel, anlässlich dieser Aktion. "Aber das darf nicht auf dem Rücken und ohne Beteiligung der Beschäftigten passieren." Sie seien die Garanten des Unternehmenserfolgs von IKEA. "Deshalb haben sie ein Recht auf einen Tarifvertrag, der gute und gesunde Arbeitsbedingungen im Prozess der Digitalisierung sicherstellt." Nur Tarifverträge böten eine rechtlich einklagbare Grundlage. Und deshalb würden alle Akteur*innen in nächster Zeit mit ihrer ganzen Kraft weiter dafür kämpfen.