kreislaufwirtschaft_muell_recycling_01_s.jpg
Foto: Bernd Thissen/picture alliance/dpa

Weniger als zehn Prozent der weltweit verwendeten Rohstoffe werden recycelt. Im Klartext: Bei über 90 Prozent der Produktion kommen frische Metalle, Kunststoffe und natürliche Fasern zum Einsatz. Doch es wird schwieriger, immer neues Material heranzuschaffen. China hortet seine seltenen Erden. Die Preise für Kupfer, Kobalt, Gold und Eisen sind seit Frühjahr ganz oben. Zugleich wachsen die Abraumhalden immer weiter: Weil die ergiebigsten Lagerstätten längst ausgebeutet sind, muss pro Kilo Erz immer mehr Gestein gebrochen werden. Häufig lassen sich die gewünschten Metalle und Mineralien nur mit Hilfe gefährlicher Chemikalien vom Rest trennen. Boden und Wasser werden verseucht, die Gesundheit von Arbeiter*innen und Anwohner*innen vielfach belastet. Zugleich schwimmt im Pazifik ein Müll-Teppich aus Plastikpartikeln, der viereinhalb Mal so groß wie Deutschland ist.

Dass das auf Dauer nicht so weitergehen kann, ist leicht zu verstehen: Schließlich leben wir auf einem Planeten mit endlichen Ressourcen. Es existiert allerdings bereits eine Wirtschaftsweise, die seit 3,5 Milliarden Jahren funktioniert: Die der Natur. Sie belegt, dass sich dasselbe Material immer wieder neu verwenden lässt. Was für ein Wesen Abfall, ist für andere Nährstoff. Müll gibt es nicht. Das Wasser bleibt immer sauber, unendliche Generationen von Lebewesen können es wiederverwenden. Nur wenn es der Menschheit gelingt, sich in dieses System wieder einzufügen, kann sie auf Dauer überleben. Zurück zur Natur heißt dabei nicht, auf Kreativität verzichten zu müssen. Schließlich haben sich auch im Laufe der Evolution immer komplexere Pflanzen, Tiere und Lebensgemeinschaften entwickelt und die Vielfalt hat ständig zugenommen.

Lange nutzbar und reparabel

Kreislaufwirtschaft ist gegenwärtig als Buzzword in aller Munde. Der Verbrauch an Primärrohstoffen muss massiv sinken, so die Einsicht. Doch bei der Umsetzung hapert es. Schließlich geht es heute in der Wirtschaft vor allem darum, möglichst viel Zeug zu verkaufen. Da ist es günstig, wenn Dinge rasch kaputt gehen oder Leute denken, dass sie jedes Jahr ein neues Smartphone und zu jeder Party eine neue Klamotte brauchen. Weltweit entstehen allein in der Modeindustrie jedes Jahr 92 Millionen Tonnen Abfall – Tendenz rasant steigend.

Für eine echte Kreislaufwirtschaft hingegen müssten Designer*innen und Ingenieur*innen Produkte so konstruieren, dass sie lange nutzbar sind. Dazu gehört, dass Geräte reparabel sind und es Ersatzteile gibt. Lassen sich die Gegenstände einfach auseinandernehmen und die einzelnen Komponenten weiterverwenden, ist das am besten: Dann entsteht Neues ohne frische Ressourcen und Energieaufwand. Voraussetzung ist, dass viele Teile genormt sind wie beispielsweise Schrauben und Muttern schon heute.

Auch bei der Materialauswahl sollte das Ende von Anfang an mitbedacht werden. Die eingesetzten Stoffe müssen nicht nur giftfrei, sondern ihre genaue Zusammensetzung auch bekannt sein. Auf diese Weise ließen sie sich meist ohne allzu große Verluste in Sekundär-Rohstoffe verwandeln und wiederverwenden. Tatsächlich aber enthält jede Plastiksorte heute eine Vielzahl von Zusatzstoffen – und über die genauen Rezepturen hüllen sich die meisten Hersteller in Schweigen. Immerhin haben Wissenschaft, Industrie und Wirtschaftsverbände im vergangenen Jahr gemeinsam eine Norm für Kunststoffrezyklate entwickelt – eine wichtige Voraussetzung, damit sich zurückgewonnene Rohstoffe gut vermarkten lassen.

Kaum Fortschritte

Deutschland sieht sich als Weltmeister, was Abfallwirtschaft angeht. Im internationalen Vergleich ist unser Entsorgungssystem sehr umfassend – und teuer. Das hat jedoch nicht den Effekt, dass viel recyceltes Material zum Einsatz kommt. Nur etwa 13 Prozent der hierzulande verarbeiteten Rohstoffe sind früher schon einmal verwendet worden. Die Niederlande sind da mit einer Einsatzquote von 30 Prozent deutlich weiter.

Die Ampel-Koalition hat für Ende des Jahres Eckpunkte einer Kreislaufstrategie angekündigt. Auch die EU-Kommission macht Dampf. 2020 verabschiedete sie den zweiten Aktionsplan Kreislaufwirtschaft. Ziel ist es, Ressourcenschutz nicht mehr vom Ende her anzugehen, sondern den Materialbedarf klein zu halten und Müll gar nicht erst entstehen zu lassen. Für viele Produktgruppen soll es künftig einen digitalen Pass geben, in dem eingesetzte Materialien, Reparierbarkeit und fachgerechte Entsorgung verzeichnet sind. Ab 2025 müssen Textilabfälle getrennt gesammelt werden.

Als Baustein einer Kreislaufwirtschaft gelten auch Geschäftsmodelle, bei denen die Kundschaft nur die Nutzungszeit von Elektrogeräten, Teppichböden oder Häckslern bezahlt und die Produkte Eigentum der Lieferfirma bleiben. Schon aus Eigeninteresse werden solche Unternehmen robuste, langlebige Produkte einsetzen. Das Thema Kreislaufwirtschaft ist in Politik und Wirtschaft angekommen. Tatsächliche Fortschritte sind bisher noch kaum zu beobachten.

Offen für alle – Baupläne und -kästen

Für eine echte Kreislaufwirtschaft müssen Gegenstände möglichst an jedem Ort der Welt und ohne Spezialwerkzeug zu reparieren sein. Davon sind Tüftler*innen aus der Zero-Waste-Bewegung überzeugt. Deshalb engagiert sich die Open Knowledge Foundation dafür, Baupläne und Materialzusam-mensetzung von Alltagsgegenständen für alle einsehbar im Internet zu veröffentlichen. Zu finden ist dort so Unterschiedliches wie Solar-Infrastrukturen für abgelegene Orte, Hilfsmittel für Gehörlose oder Upcycling-Ideen für lokal anfallenden Plastikmüll.

Ein bisschen smart – Reparaturplattformen

Eine Kreislaufwirtschaft für Handys gibt es nicht. Ein Smartphone ist leicht – doch seine Herstellung erzeugt 75 Kilo Müll. Um beispielsweise die nötigen 10 Gramm Kupfer zu gewinnen, werden 3,5 Kilo Gestein mit ätzender Salzsäure behandelt. 60 verschiedene Rohstoffe stecken in einem Handy – viele werden nur in winzigen Mengen benötigt – maximal fünf Metallsorten werden heute durch Recycling zurückgewonnen. Die meisten Smartphones werden nach 18 Monaten ausgemustert. Besser wäre es, sie möglichst lange zu nutzen. Dafür hat das Amsterdamer Unternehmen Fairphone wichtige Voraussetzungen geschaffen. Es gibt Ersatzteile, die die Nutzenden selbst einbauen können. Wie es geht, lässt sich auf Reparatur-Plattformen wie

Die NochMall – BSR SecondHand-Kaufhaus

Die Berliner Stadtreinigung (BSR) betreibt ein Second-Hand-Kaufhaus, das in dieser Form einmalig ist in Deutschland. In einer attraktiv gestalteten, 2.000 Quadratmeter großen Halle verkaufen BSR-Mitarbeiter*innen alles vom Teller bis zur Gitarre, vom Mixer bis zum Kleid. Was es in der "NochMall" zu günstigen Preisen zu erwerben gibt, haben Menschen bei einer Abgabestelle in einem Recyclinghof explizit gespendet. Nur durch diese Hilfskonstruktion gerät die BSR nicht in Konflikt mit dem deutschen Abfallrecht. Das verbietet es Recyclinghöfen, sogar intakte Geräte oder Gegenstände weiterzugeben. Die NochMall ist aber viel mehr als ein Kaufhaus: Hier finden auch Ausstellungen zu Abfallvermeidung, Upcycling- und Reparaturworkshops statt. Soweit es in ihrer Macht steht als Unternehmen am Ende der Nutzungskette, will die BSR etwas zur Kreislaufwirtschaft beitragen. Sortiment, Events und Konzept kann man unter

Mehrweg oder gar kein Müll

Flaschen aus Glas können im Schnitt 50mal wieder befüllt werden, PET-Mehrweg-Flaschen schaffen 25 Umläufe. Besonders günstig ist ein solcher Kreislauf zwischen Abfüllern, Läden und Kundschaft, wenn sich alle in derselben Region befinden. Das verbraucht weniger Material und Energie als die Behälter einzusammeln, kaputt zu machen und danach neue herzustellen. Doch leider hat sich die Mehrwegquote in Deutschland in den vergangenen 25 Jahren mehr als halbiert. Dabei könnten mit einer 80-prozentigen Mehrwegquote 400.000 Tonnen Plastikmüll im Jahr vermieden werden, hat das Ökoinstitut ausgerechnet. Noch besser ist es, Wasser aus der Leitung zu trinken: Kein Müll, kein Verkehrsaufwand, geringer Preis, hervorragende Produkt-Qualität.