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Das Traditionshaus am Bahnhof ist aktuell wegen Sanierung geschlossenFoto: ver.di München

Für viele Münchnerinnen und Münchner ist das Gebäude am Bahnhofsplatz immer noch der Hertie. Ursprünglich 1905 von Herman Tietz erbaut, hat das traditionsreiche Haus in der langen Zeit mehrere Eigentümer- und Namenswechsel erlebt: Aus Hertie wurde Karstadt und nun Galeria. Derzeit ist der Komplex wegen Sanierungsmaßnahmen geschlossen; nur der neue Teil hin zum Stachus ist weiterhin für den Verkauf geöffnet. Der ursprüngliche Plan der Signa Holding von Eigentümer René Benko war, das Kaufhaus in kleinerer Form im historischen Gebäude wieder zu eröffnen.

Diesen Plan hat das Unternehmen nun platzen lassen. Arndt Geiwitz, Generalbevollmächtigter für das Schutzschirmverfahren, hat die Schließung von Karstadt am Hauptbahnhof für Ende Juni dieses Jahres angekündigt. Bundesweit sollen von den bisher 129 Filialen 47 geschlossen werden; davon allein in Bayern acht. "Ein fürchterlicher Schock", beschreibt der Betriebsratsvorsitzende von Galeria am Bahnhofsplatz, Eduard Wölbitsch, die Situation: "Das ist das Schlimmste, was ich bisher in 45 Berufsjahren erlebt habe. Die Leute sind sich weinend in den Armen gelegen." Etwa 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien in der Filiale direkt betroffen, im gesamten Konzern laut Gesamtbetriebsrat an die 5.000. Sie alle bangen jetzt um ihren Arbeitsplatz und ihre Existenz.

Seit 20 Jahren bangen um den Job

"Viele Verkäuferinnen und Verkäufer sind schon sehr lange im Haus und erleben jetzt bereits die dritte Insolvenz. Die Stimmung ist am Tiefpunkt, zumal die Belegschaft in der Vergangenheit schon viele Opfer gebracht hat", sagt Wölbitsch. Es mache was mit den Menschen, wenn man sich permanent um seine Zukunft Sorgen machen muss. Für die Betroffenen gehe es um existentielle Fragen und entsprechend quälend sei die permanente Unsicherheit, die eigentlich seit 20 Jahren anhält. Das Unternehmen wurde in dieser Zeit mehrmals an neue Eigentümer weitergereicht, einmal sogar für einen Euro verkauft und viele Manager haben aus Sicht von ver.di ihren Job mehr schlecht als recht erledigt. In den letzten Jahren mussten die Beschäftigten auf Einkommen verzichten, der Staat gab ein sogenanntes Nachrangdarlehen in Höhe von 460 Millionen Euro, und durch die Insolvenz 2020 haben die Gläubiger auf etwa zwei Milliarden Euro verzichtet.

Externe Berater hingegen sollen Summen im zweistelligen Millionenbereich verdient haben. Wölbitsch ärgert das: "Sparrunden, Filialschließungen, Kürzungen im Personalbereich haben die Lage verschlimmert. Statt auf teure Berater hätten die Vorstände besser mal auf die Beschäftigten gehört. Die sind die Experten." Der Betriebsratsvorsitzende Wölbitsch ist seit 1995 im Verkauf und kennt die guten Zeiten, in denen namhafte Prominente in der zentralen Filiale ein- und ausgingen und das Haus mit Sonder-Ausstellungen und den besten Marken viele Menschen aus dem In- und Ausland angelockt hat. Die Verkäuferinnen und Verkäufer waren stolz darauf, im Traditionshaus am Hauptbahnhof zu arbeiten.

Die Entscheidung, ob und welche Häuser schließen, ist mitbestimmungsfrei: Das entscheidet der Generalbevollmächtigte mit dem Eigentümer allein. Das sei die unternehmerische Freiheit, urteilte das Bundesverfassungsgericht und markiert damit die Grenzen der sonst so hoch gelobten sozialen Marktwirtschaft. "Die Leidtragenden sind die Beschäftigten", sagt Hubert Thiermeyer von ver.di. Er leitet den Fachbereich Handel in Bayern und vertritt die ver.di-Mitglieder seit vielen Jahren in Tarif- und auch in Sozialplanverhandlungen. "ver.di akzeptiert nicht, dass tausende Beschäftigte ihre Existenz verlieren, etliche Innenstädte veröden und hunderttausenden Stammkunden die kalte Schulter gezeigt wird", so Thiermeyer, der in Galeria-Eigner René Benko einen "verantwortungslosen Milliardär" sieht, "der seine Pflicht zum Investieren verweigere".

Greifen, Fühlen und Anprobieren

"Wir finden uns mit dieser Fehlentscheidung nicht ab", fügt er hinzu. "ver.di kämpft dafür, dass alle Häuser von Galeria Karstadt Kaufhof eine Zukunft haben." Dabei hofft ver.di in München auch auf politische Unterstützung durch Oberbürgermeister Dieter Reiter. Der Stadtspitze könne es nicht egal sein, wenn ein Traditionskaufhaus schließe und die Innenstadt zunehmend öder werde.

ver.di hat schon lange eigene Vorschläge für ein Zukunftskonzept erarbeitet: Aus den Kaufhäusern sollen wieder Erlebniswelten werden, die Lust auf einen Einkaufsbummel für die gesamte Familie machen und dabei alles unter einem Dach anbieten. Darüber hinaus soll der stationäre Handel mit dem Online-Handel besser verknüpft werden. "Der stationäre Handel ist nicht tot, im Gegenteil", sagt Thiermeyer und ergänzt, "nur er kann Haptik. Ein unterschätzter Wettbewerbsvorteil." Greifen, Fühlen und Anprobieren, das bieten nur Kaufhäuser, der reine Online-Handel nicht.

"Wir werden die Filiale am Bahnhof nicht kampflos aufgeben", sagt ver.di-Gewerkschaftssekretär Dominik Datz, der in München die gewerkschaftliche Betreuung der ver.di-Mitglieder und der Betriebsräte bei GKK organisiert. Es gelte jetzt, Tarifverträge und Sozialpläne zu verhandeln und die ver.di-Mitglieder mit Rechtsbeistand zu betreuen. Und es seien jetzt Investitionen in attraktive Kaufhäuser und in die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter notwendig. Investitionen in eine gute Zukunft also.

Von den ursprünglich 52 Häusern auf der Schließliste konnten bereits fünf gerettet werden. Die Verhandlungen über etliche weitere Häuser gingen nach Redaktionsschluss am 17. März weiter.